Am letzten Sonntag fand wieder die traditionelle Große Hafenrundfahrt statt.
Eine kleine Runde versammelte sich bei herrlichstem Sonnenschein und leichter Brise an den Magellanterrassen in der Hafencity. Klein heißt, wir waren nur zu fünft und hatten einen ähnlichen Trainingsstatus, was den Vorteil hatte, dass alle mit der Strecke von 80 km gut klar kamen und wir schnell ein gemeinsames Tempo fanden, so dass einige Passagen in forschem Tempo gefahren werden konnten.
Da ich keine Kamera dabei hatte und auch nicht ständig fotografieren wollte, folgen einige Beispielbilder, damit alle, die nicht dabei waren etwas neidisch werden können.
Die Fahrt ging kreuz und quer durchs Hafengebiet, zu den üblichen Highlights wie natürlich der Köhlbrandbrücke, hier aus ungewöhnlicher Perspektive:
Nachdem wir wieder vor dem recht freundlichen Werkschutzmann am Containerterminal Toller Ort vom Parkdeck fliehen mussten, hier einige Bilder vom Erweiterungsgelände Toller Ort, wo man jetzt leider auch nicht mehr hinkommt.
Am Wochenende ist es im Hafengebiet herrlich leer und man kann weitgehend unbehelligt alle Wege benutzen.
Die neue Kattwyk-Brücke wächst genauso langsam wie die neue Rethe-Brücke gewachsen ist. (wenn das so weiter geht, fährt der erste Zug erst 2025).
Am Hansaport mit seinem Hauch von Ruhrgebiet und Bergbau…
ging es vorbei zum Elbtunnel und zur Altenwerder Kirche ins Grüne nach Harburg.
An der Sprayer-Wand gab es neue Kunstwerke zu bestaunen
Über die alte Süderelbbrücke fuhren wir durch den schönen Teil von Wilhelmsburg an der alten Windmühle vorbei zum Anleger, wo wir noch ein Kaltgetränk nahmen und uns dann auf den Rückweg zum Elbtunnel machten.
Auf den letzten
Kilometern ging es deutlich rauer zu als bisher. Das Tempo ist
deutlich härter als am Vormittag. Die Straße ist alten Zuschnitts
und bereits mit zwei modernen Autos gut ausgefüllt. Für Radfahrer
ist nicht wirklich Platz. Ich erhöhe mein Tempo und beginne mich zu
behaupten. Immerhin schlängelt sich die Straße durch eine Art
Naherholungswald und ist an sich ganz nett zu fahren. Die Sonne
blinzelt hin und wieder durch das dichte Blätterdach. Es wird immer
wärmer. Und schwüler.
Kurz nach
Verlassen des Waldes empfängt mich ein Ortseingangsschild. Berlin –
Spandau. Fast am Ziel. Aber noch sind es rund 18 Kilometer bis zum
Brandenburger Tor, mein eigentliches Ziel. Neben dem freundlichen
Berlin Schild empfangen mich auch dunkle Wolken im Südosten. Sehr
dunkle Wolken. Und sie ziehen in meine Richtung! In Verbindung mit
der schwülen Luft verheißen sie nichts Gutes.
Schlussspurt Ich versuche das
Tempo hoch zu halten. Mich packt der Ehrgeiz, mein Ziel trocken zu
erreichen. Die Infrastruktur macht es mir jedoch nicht leicht. Mal
gibt es für ein paar hundert Meter einen nagelneuen Radweg mit einer
super Oberfläche, mal gibt es rumpelige Gehwegplatten mit unklarer
Radwegführung.
So ist das Fahren
nervig und wenig effektiv. Meine Entscheidung auf der Straße weiter
zu fahren, wird nicht von allen Autofahrern geteilt und es entsteht
eine Art Rennen. Geschwindigkeit begegnet man am besten mit
Geschwindigkeit. Offensives Mitschwimmen ist da meiner Erfahrung nach
die beste Methode. Was sich in London, Paris, Tirana oder Istanbul
bewährt hat, funktioniert auch in Berlin. Also ziehe ich mit über
30 Stundenkilometern meine Bahn.
Plötzlich
schießt ein Taxi von rechts aus einer Seitenstraße und nimmt mir
die Vorfahrt. Ich muss wirklich sehr hart bremsen, um einen Aufprall
zu vermeiden. Die Avid 7 BB Road funktioniert in diesem Moment
wirklich in höchstem Maße zuverlässig. Der Taxifahrer ist selber
erschrocken. (Ich glaube, auf dem Radweg hätte er mich wohl
erwischt.) Er gibt aber sofort wieder Gas, ohne eine entschuldigende
Geste.
Ich trete kräftig
an und jage ihm irgendwie instinktiv hinterher. Er beobachtet mich im
Rückspiegel und wirkt sichtlich nervös. Vor allem als er merkt,
mich nicht abschütteln zu können. Beide versuchen wir einen
Ausreißversuch. An der ersten roten Ampel versucht er noch stur
geradeaus guckend, mich zu ignorieren. An der zweiten roten Ampel
wird ihm klar, dass ich gar nichts von ihm will und deutet eine
Entschuldigung an, die ich annehme. An der dritten Ampel grinsen wir
uns angesichts unseres Privatrennens an. Erst an der sechsten Ampel
verlieren sich unsere Wege in unterschiedliche Richtungen. Immerhin
winkt und hupt er mir freundlich zu.
Die
Gewitterwolken sind noch immer da, aber sie scheinen mir nun nicht
mehr gefährlich werden zu können. Ich wechsle vom Fahrradkurier
Modus in einen eher touristischen. Der Speed der letzten Kilometer
erforderte eine Trittfrequenz von 100 bis 120 Umdrehungen pro Minute.
Mangels Schaltmöglichkeit kann ich ausschließlich über die
Frequenz schneller werden. Ich bin auf einem Single Speed Rad
unterwegs. Nun geht es aber wieder kommod weiter.
Die
Idee zur Tour
Die eher
puristische Art des Radreisens ist ohnehin meine bevorzugte Art mit
dem Rad zu reisen. Seit längerem beschäftigt mich der Gedanke, mal
mit nur einem Gang unterwegs zu sein. Antriebstechnisch puristischer
geht es ja kaum. (Außer per Starrgang.)
Lars Amenda vom
Altonaer Bicycle Club e.V. hält Anfang Mai einen Vortag über
Gregers Nissen (1867-1942), an dessen Biographie er zur Zeit
arbeitet.
In der
Vortragsankündigung heißt es u.a.: “Gregers Nissens Name ist heute
weitgehend vergessen. Dabei war er ein bedeutender Fahrradpionier und
propagierte wie kaum ein anderer in Deutschland die Vorzüge des
„Radwanderns“…“. „Seine Reisebeschreibungen…waren
sprichwörtlich wegweisend und portraitierten Land und Leute. Als
Funktionär im Deutschen Radfahrerbund bemühte er sich unermüdlich
um bessere Bedingungen für Radreisende und setzte sich für gute
Radwege in der Stadt und auf dem Land ein.“
Gregers
Nissen (rechts) 1928 in Spanien
Die Ausführungen
von Lars sind total interessant und spannend. Da darf man auf die
Biographie gespannt sein. Wirklich klasse sind auch die alten Fotos,
die er präsentiert. Es fällt sofort auf, mit wie wenig Gepäck die
Altvorderen auf Tour gingen. Das alles hat wohl eine äußerst
inspirierende Wirkung auf mich. Das möchte ich wirklich mal
ausprobieren. Tourenfahren wie früher, ohne die technische
Raffinesse von 3 x 11 Schaltungen. Wie wird das wohl sein, nur mit
einer einfachen Übersetzung unterwegs zu sein? Ich bin gespannt! Die
Planung der Tour
Die
Rahmenbedingungen stehen fest und die Planung der Tour ist schnell
erledigt. Es soll ein Wochenende ohne zusätzliche Urlaubstage sein
und ich will nicht im Kreis (Start=Ziel=Zuhause) fahren. Das Ziel
soll ans Bahnnetz angeschlossen sein, sodass eine einigermaßen
rasche Rückkehr möglich ist.
Der Aktionsradius
entspricht zweieinhalb Fahrtagen, da am Freitag noch etwas Arbeit
ansteht. Grob überschlagen sollten sich 400 Kilometer realisieren
lassen. Innerhalb dieses Zirkelschlages entpuppt sich Berlin als das
interessanteste Ziel.
Die Fahr-Formel
lautet: Am Freitag mit dem Rad zur Arbeit und anschließend weiter.
(Das passt von der Richtung.) Samstag eine komplette Etappe und am
Sonntag eine dreiviertel Etappe, um noch Zeit am Ziel zu haben.
Zurück soll es am Montag mit einem ganz frühen Zug gehen. Dadurch
könnte ich gegen 09:30 wieder bei der Arbeit sein.
Retro
Neben dem
Purismus spielt sicherlich auch der ein oder andere Retro Gedanke
eine Rolle.
Dabei geht es mir
nicht darum rückwärtsgewandt das Gestrige zu huldigen, sondern mich
reizt vielmehr die tragfähige Kombination von besten
Eigenschaften. (Was natürlich nur meiner eigenen Bewertung
entspricht).
Ich mag mein Rad
mit moderner Geometrie und Scheibenbremsen. Und ich mag ganz doll die
klassischen Rahmenrohre aus Stahl. Die britischen Carradice
Gepäcktaschen sind nicht nur aus Baumwolle, sondern auch verblüffend
regenfest. Und mir sind noch keine robusteren Gepäcktaschen
begegnet. Dennoch verzichte ich nicht auf meine Dreilagenregenjacke
und den GPS-Navigator (wenngleich immer eine Übersichtskarte
1:500.000 als Backup dabei ist.).
Kurzum, mich
reizt die Kombination von Tradition und Moderne. Auch wenn die Form
der Funktion folgt, darf sie dabei gut aussehen. Und ein bestimmter
Stil spielt vielleicht doch auch eine kleine Rolle.
Die
Tour
Den Spruch mit
dem frühen Vogel, fand ich schon immer blöd. So auch an diesem
Morgen. Aber es nützt nichts. Um dem Freitag auch noch etwas
Arbeitszeit realisieren zu können, gehe ich früh auf die 52 km
lange Strecke zum Schreibtisch. Also richtig früh! Die aufgehende
Sonne muntert die Lebensgeister auf und taucht den Hafen von
Eckernförde in ein wundervolles Licht.
Morgenstimmung
im Hafen von Eckernförde
Einige Stunden
des Wuselns und ein Kantinenessen später verlasse ich den Firmenhof.
Im Regen. Na toll! Nach Passieren des Zentrums von Kiel geht es
weiter in Richtung Südosten. Es ist bemerkenswert, wie schlecht es
um die Radinfrastruktur der Landeshauptstadt bestellt ist. Die
Radwege sind durchweg von miserabler Qualität. Immerhin hört es auf
zu regnen. Nach anfänglichem Zögern verschwindet die Regenjacke
dann doch in der Lenkertasche.
Die Holsteinische
Schweiz trägt ihren Namen zu Recht, was ich mit dem Singlespeed Rad
deutlich zu spüren bekomme. Vor ernsthafte Probleme stellen mich die
Steigungen aber nicht. Zudem kommt nun sogar die Sonne heraus. Radeln
pur.
Am
Plöner See
In Plön bieten
sich nette Ausblicke auf den See und in der Schlossstadt Eutin gönne
ich mir einen halben Liter Kakao. Etwas später entdecke ich
verblüfft ein Hinweisschild „Berlin 6 km“. Bei der Weiterfahrt
erkundige ich mich bei einem älteren Herrn auf einem noch älteren
Rad nach der Kuriosität. Das Dorf Berlin feierte 2015 das 800jährige
Bestehen und gilt als das älteste Berlin der Welt, wie er mir
zwinkernd berichtet. Viele Straßennamen seien an Hauptstadtstraßen
angelehnt. Einen ‚Potsdamer Platz‘ gäbe es ebenso wie die
Durchgangsstraße ‚Unter den Linden‘.
Nach weiteren
diversen Hügeln erreiche ich mein Tagesziel, Lübeck. Das hat ja
schon mal gut geklappt. Der Abend ist lau und eine mediterrane
Lebensart pflegend, sitzen die Leute im Freien vor den Restaurants
und Bistros. Nach insgesamt 127 km erreiche ich meine Unterkunft und
bin sehr zufrieden. Ebenfalls ganz mediterran suche ich eine Pizzeria
auf. Der Laden sieht ganz nett aus. Aber für die Lasagne, die mir
serviert wird, würde man In Italien dem Koch wohl ein paar
Betonsandalen verpassen, bevor man ihn im mediterranen Meer baden
würde… - Aber egal. Die Akkus werden in jedem Fall aufgefüllt.
Samstag
Das
wirklich gute Frühstück am folgenden Morgen genieße ich daher umso
mehr. Wie schön es ist, wieder auf Tour zu sein. Obwohl es erst der
zweite Tag ist, scheint mir der Abstand zum Alltag schon
bemerkenswert groß. Die Hansestadt Lübeck weist eine deutlich
bessere Fahrradinfrastruktur auf, als die Landeshauptstadt. Und so
komme ich schnell aus der Stadt heraus und in meinen
Überland-Rhythmus hinein.
Radfahren auf
mittleren und langen Strecken hat für mich auch immer etwas
Kontemplatives. Meine Gedanken kreisen um das Tourenradfahren zu
Zeiten von Gregers Nissen. Was hat die Radler damals losziehen
lassen? Wie war es für sie, unterwegs zu sein? Hielt man sie
vielleicht für extravagant oder gar für vagabundierend? Und
überhaupt – wie war es früher so, mit dem Rad auf Tour zu sein?
Manche Antworten liegen buchstäblich auf der Straße. Denn die eine
oder andere Ortsdurchfahrt hilft dem Einfühlen mit grobem
Kopfsteinpflaster. Die Fragen machen mich dennoch immer neugieriger
und ich beschließe, mir Nissens Biographie zuzulegen, um noch besser
in die Welt von damals eintauchen zu können.
Nostalgischer
Straßenbelag
Meine Route führt
mich konsequent und nahezu geradlinig durch das ländliche
Mecklenburg-Vorpommern in Richtung Südost. Die Frage nach den
Distanzen und Geschwindigkeiten von früher hat einen absolut
praktischen Hintergrund. Denn ich begegne auf meiner Route
ausgesprochen wenigen Möglichkeiten der Versorgung. Das ist es klug,
bei ‚Klug’s Backstube‘ eine Rast einzulegen. Wie löste man das
Problem früher? Sicherlich gab es in den Dörfern eher mal
Einkaufsmöglichkeiten. Oder man hat vielleicht direkt bei
Bauernhöfen nach Essbarem gefragt. Aber die Überwindung der
Distanzen zwischen den Dörfern hat bestimmt auch mehr Zeit in
Anspruch genommen.
Verpflegungsstation
Für mich läuft
es dagegen richtig gut. Ein mäßiger Wind aus Ost (also von vorne
links) lässt sich nicht leugnen, aber dafür wird das Gelände immer
flacher. Die Routenwahl beschert mir eine Fahrt durch ländliche
Gegenden und über asphaltierte Wirtschaftswege sowie über schmale,
kaum befahrene Landstraßen.
Ich genieße die
grünen Aussichten und hänge vielerlei Gedanken nach, die im Alltag
zu oft an den Rand gedrängt werden. Fast nebenbei fliegen die
Kilometer dahin. In Parchim gönne ich mir eine zweite Pause mit
einem guten Kaffee. Dann heißt es wieder Kurs Südost. Nach 160
Kilometern erreiche ich meine Unterkunft südlich von Pritzwalk. Zum
Glück handelt es sich um eine Unterkunft mit Gastronomie. Somit ist
mir eine stärkende warme Abendmahlzeit sicher. Auf der
angegliederten Kegelbahn tobt zwar der Bär, aber ich bin der einzige
Übernachtungsgast im ‚Brauhaus‘. Frühstück gäbe es aber erst
ab acht Uhr, teilt mir die nette Bedienung, fast entschuldigend, mit.
Meinen Vorschlag,
mir stattdessen ein Lunchpaket vorzubereiten, nimmt sie erleichtert
und erfreut an. (Wahrscheinlich wäre die Frühschicht an sie
gegangen…smile.) Auf dem Flur des Gästehaus gäbe es eine
Kaffeemaschine und einen Kühlschrank. Dort wolle sie das Lunchpaket
später deponieren. Das ist mir sehr recht.
Brauhaus
bei Pritzwalk
Ungefragt erlaube
ich mir, das Rad mit auf das Zimmer zu nehmen. (Wer viel fragt,
erhält viele Antworten.) Nicht nur, dass ich besser schlafe, wenn
ich mein Rad sicher verwahrt weiß, es verschafft mir beim
morgendlichen Packen auch einen kleinen taktischen Vorteil, weil ich
die Taschen nicht demontiere.
Morgen soll es
zeitig losgehen. Schließlich möchte ich noch etwas von Berlin
sehen. Eine angekündigte Unwetterfront mit Sturmböen und Starkregen
sind eine zusätzliche Motivation für einen frühen Start und eine
flotte Fahrt. Die Front soll zum Nachmittag von Westen aufziehen und
sich von Schleswig-Holstein bis Sachsen erstrecken. Ich dürfte mich
zwar mehr oder weniger östlich des Wettersystems befinden, werde die
Sache aber dennoch nicht auf die leichte Schulter nehmen. Ohne an das
Wetter zu denken, falle ich in einen tiefen wohligen Schlaf…
Sonntag
Die Sonne lacht
ins Zimmer und lädt zum Pedalieren ein. Schnell bin ich auf den
Beinen und hole mir einen Kaffee sowie mein Lunch Paket auf’s
Zimmer. Da hat es wohl jemand gut gemeint mit der Kühlung. Das Lunch
Paket ist reichhaltig, aber alles ist fast gefroren. Mühsam mümmel
ich ein eisiges Butterbrot. Egal – der Rest kommt in die
Satteltasche und wird schon noch auftauen.
Die Verpflegung
für unterwegs erweist sich als äußerst angebracht. Ich verlasse
die Prignitz und erreiche das Havelland. Irgendwie wird es immer
einsamer. Natürlich habe ich die Route so zusammengestellt, dass ich
Bundesstraßen und größere Landstraßen nahezu komplett meide.
Landschaftlich ist das total toll. Allerdings bin ich damit auch fern
der Lebensadern. Und selbst diese pulsieren hier nicht besonders
üppig. Das Havelland scheint mir ein bisschen ‚vergessenes Land‘
zu sein. Die an sich schon geringe Bevölkerungsdichte wird wohl
durch Landflucht immer weiter ausgedünnt. In manchen Dörfern
scheint die Zeit irgendwann stehen geblieben zu sein.
Wirtschaftswege
in Mecklenburg-Vorpommern
Mit dem Siegeszug
des Aufbackbrötchens haben hier wohl auch die letzten Bäcker das
Handtuch geschmissen. Die Versorgungsmöglichkeiten sind jedenfalls
ziemlich dünn gestreut. Nach etwa eineinhalb Stunden gelingt es mir
eine kleine Dorftankstelle anzusteuern, die am Sonntag Morgen auch
geöffnet hat. (Es mag unromantisch klingen, aber Tankstellen finde
ich beim (Langstrecken-) Radeln manchmal ganz schön praktisch.)
Die sich mir
bietende Szene erfüllt alle klassischen Klischees, die man sich für
eine derart ländliche Tankstelle vorstellen kann. (Ich darf das
schreiben, denn ich lebe selber auf dem Land…smile.) Eine sich für
jünger, als sie tatsächlich ist, haltende und stark blondierte
Kassiererin blickt genervt von ihrem Smartphone auf, als ich den
Verkaufsraum betrete. Sie verliert sich aber umgehend wieder in ihr
Multifunktionstelefon.
In der Ecke beim
Kaffeeautomat sitzen drei verwegen wirkende Russen und frühstücken.
Kurzhaarschnitte, schwarze Lederjacken, Jogginghosen und der Versuch
von modischen Turnschuhen. - Halb zehn in Deutschland. An den Russen
führt kein Weg vorbei. Denn der Kaffeeautomat ist genau hinter
ihnen. Vielleicht wirkt es Wunder, dass ich einfach ebenso mürrisch
gucke wie sie selbst. Jedenfalls rücken sie bereitwillig zur Seite
und bieten mir sogar einen Bistrohocker an. So kommen wir dann doch
noch in einen kleinen Schnack.
Simson
Pilot
Im weiteren
Verlauf werden die Straßen allmählich besser. Gewisse archaische
Strukturen halten sich dennoch. Ich finde ja auch, dass zu große
Nummernschilder, im Jargon auch Backbleche genannt, die Heckpartie
von Motorrädern verunstalten. Aber so konsequent wie bei dieser
125er (?) Simson habe ich es auch noch nicht auf öffentlichen
Straßen gesehen. Der Pilot verzichtet komplett auf Verunstaltendes.
Im Hinterradschutzblechsind nicht einmal Löcher für einen
Kennzeichenhalter.
Für mich läuft
es gut weiter. Heute herrscht kein Gegenwind und die Temperaturen
sind sommerlich, wenngleich es zunehmend schwüler wird. Im Südwesten
lassen sich dunkle Wolken eher erahnen als sichten. Kurze Zeit später
rausche ich an einer Säule vorbei – 80 Kilometer bis Berlin. Ich
bremse und kehre sofort um. Das ist mir doch ein Foto wert. Von der
anderen Straßenseite ruft eine Frau im Kittel herüber: Wolln’se
bis Berlin. Det is noch en janzet Stück. Ich wende mich ihr zu und
bejahe ihre Frage. Aber nich heute wa? Ich kläre sie darüber auf,
dass ich am Freitag im nördlichen Schleswig-Holstein gestartet bin.
Ne wa? Schlagartig stellt sie das Fegen des Gehweges ein, stellt den
Besen zur Seite und schaut mich mit großen Augen an. Wolln‘se nen
Kaffe?
Noch
80 km bis Berlin
Nun habe ich ja
quasi gerade erst einen Kaffee in der Gesellschaft der drei Herren
aus dem großen östlichen Land genossen. Dennoch interessiert mich
die Einladung. Aber ich überschlage, dass ich dann vor einer Stunde
wohl nicht wieder los komme. Ein wenig sitzt mir die
Wetterentwicklung im Nacken und ich möchte auch noch etwas Zeit für
das Ziel haben. (Reisen und limitierte Zeit, passen einfach nicht
zusammen….smile.) Daher lehne ich dankend ab. Aber ich schiebe mein
Rad zu ihr auf die andere Straßenseite und wir schnacken noch ein
wenig über das Leben im Havelland.
Die nächsten
etwas über drei Stunden vergehen wie im Flug. Die Gedanken kreisen
um das Gespräch, das Leben im Havelland und wie große Geschichte
den kleinen Einzelnen treffen kann. Ehe ich mich versehe, erreiche
ich dann auch schon die äußeren Stadtgrenzen von Berlin Spandau…
Gegen 14:30
erreiche ich dann das Brandenburger Tor. Das ameisenhafte Gewimmel
der vielen Menschen ist für mich nach den zweieinhalb Tagen der Ruhe
regelrecht gewöhnungsbedürftig. Dennoch radel ich gemütlich auf
Erkundungstour durch die Stadt und finde sogar ruhige Plätzchen. Zum
späten Nachmittag kommt ein Ausläufer des Unwetters in Berlin an.
Ich flüchte zum Abwettern in ein gemütliches Café. Verblüffender
Weise zieht das Wetter rasch durch, sodass ich den restlichen Tag
noch ausgiebig nutzen kann, um interessante Eindrücke von Berlin zu
sammeln, bevor ich am Abend meine Unterkunft aufsuche.
Nach
420 Kilometern am Ziel
So früh
aufzustehen, dass man um 05:06 in einem Zug sitzt, lässt sich nicht
schön reden. - Egal wie nah am Bahnhof man übernachtet. Aber
bereits auf dem Bahnsteig stoße ich auf einen Leidensgenossen.
Bekanntermaßen ist geteiltes Leid, halbes Leid. Und so radeln wir
nebeneinander rasch den Bahnsteig entlang, da sich heute der
Fahrradwagon genau am anderen Ende des Zuges befindet, als es der
Wagenstandsanzeiger anzeigt. Nicht erlaubt, aber hilfreich. Immerhin
erreichen wir den Wagon, bevor sich der Zug wieder in Bewegung setzt.
Bei dem Radler handelt es sich um einen in Lüneburg lebenden
Kolumbianer, der per Rad Freunde in Berlin besucht hat. Über
technisches Fachsimpeln landen wir schnell beim Thema Radtouren in
Südamerika….
Am
Ziel und eine Erfahrung reicher
Das Ziel der Tour
war nicht nur ein geografisches, sondern im wahrsten Sinne des Wortes
eine Erfahrung. Und wie war diese? – Nun, es war eine runde Sache
mit dem Singlespeed Rad auf Tour zu gehen. Und ich werde es wieder
tun. Allerdings hat sich, auch wenn es den Anschein erweckt, kein so
richtiges ‚Nostalgie Gefühl‘ eingestellt. Das geht
wahrscheinlich auch nicht wirklich. Als moderner Mensch der Gegenwart
ist man ja schließlich auch in der Gegenwart, mit all ihren
Annehmlichkeiten, unterwegs. Unsere Räder sind zuverlässiger, die
Straßen sind besser, unsere Bekleidung schützt wirksamer vor
unangenehmer Witterung und wahrscheinlich sind wir auch fitter und
besser trainiert.
In meiner
Quintessenz erscheint mir jedoch das Entscheidende zu sein, dass uns
wahrscheinlich die gleiche Motivation, wie die der Altvorderen,
losziehen lässt. Die Neugier über den Tellerrand schauen zu wollen,
Landstriche zu entdecken und mit Menschen in Kontakt zu kommen, ist
sicherlich eine der starken Triebfedern dabei. Möglicherweise ist
auch die Freude und Zufriedenheit an der eigenen Ertüchtigung, die
so eine Tour naturgemäß mit sich bringt, ähnlich. In weit man
früher das Bedürfnis hatte einem Alltag mit zunehmender
Arbeitsverdichtung und Streubreite zu entkommen, vermag ich dagegen
nicht zu beurteilen.
Was nun das
Besondere war? – Ich denke, es ist die (innere) Haltung, die
erforderlich ist oder die sich einstellt, wenn man mit einem Rad ohne
Schaltung unterwegs ist. Schließlich lässt sich keine Erleichterung
durch Änderung des Übersetzungsverhältnisses herbeiführen. Bei
Hügeln und Gegenwind muss man sich eben durchbeißen. Und dabei
hilft die äußere Haltung ganz erheblich. Ergonomisch gut und
windschnittig auf dem Rad zu sitzen, sorgt neben präzisem Pedalieren
für einen effektiven Vortrieb. Andererseits muss man sich bergab und
/ oder bei Rückenwind damit begnügen, dass man eine gewisse
Geschwindigkeit nicht überschreitet. Vielleicht gefällt mir auch
der Grad an Stoizismus, den es erfordert, zwar nur mit einem Gang,
aber dennoch flott unterwegs zu sein.
Es ist wohl die
Konzentration auf das Wesentliche, die mir einfach großen Spaß und
eine intensive mentale Entspannung bereitet.
Ausreißversuch
Ein
Ausreißversuch ist im Radrennsport der Versuch, sich vom Hauptfeld
oder von einer Gruppe von Radrennfahrern zu lösen, diese zu
distanzieren und das Ziel mit einem Vorsprung zu erreichen. Abgesehen
von dem kleinen Scharmützel mit dem Berliner Taxifahrer, habe ich
natürlich keine rennsportlichen Ambitionen verfolgt.
Ersetzt man
‚Hauptfeld‘ allerdings durch ‚Alltag‘, war die Tour nach
Berlin ein überaus erfolgreicher Ausreißversuch. Die Intensität
sorgte für ein deutliches Lösen vom Alltag. Es ist erstaunlich, was
wenige Tage des Radelns bewirken können. Diese Entspannung ist
vielleicht der wertvolle Vorsprung, mit dem man sich wieder dem
Alltag stellen kann.
Wer
es genau wissen will
Das
Übersetzungsverhältnis entsprach 44/19 (meine
Winterstarrgangübersetzung). Interessanter Weise war bei den
Tagesetappen der Unterschied zum Schaltungsrad deutlich geringer als
vermutet. Dabei war die Route war durchaus hügelig und Freitag sowie
Samstag herrschte spürbarer Gegenwind. Am Ende der Etappen lag die
Durchschnittsgeschwindigkeit zwischen 23,5 und 25 km/h. Das ist ganz
ordentlich. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass mir sowohl der
Wind als auch die Art der Topographie aus dem heimatlichen
Trainingsevier vertraut sind. Mit einem Singlespeed Rad zu touren
halte ich auch ausschließlich bei geeignetem Gelände für sinnvoll.
Als Reifen hat sich der Continental Touring Plus 32 mm (5,0 Bar)
bewährt. Diese breitere Ausführung dämpft naturgemäß deutlich
stärker als die 28 mm Version (7,0 Bar).
Pure
Bros Single Speed Tourer
Equipment
Immer wieder
werde ich ungläubig gefragt, ob dies mein gesamtes Gepäck sei, was
am Rad zu sehen ist. Wen es interessiert, wie sich meine Ausrüstung
zusammen setzt, kann der folgenden Ausführung folgen. (Von links
unten beginnend)
Sonstiges:
Digicam, GPS Navigator, 220 V Universal Adapter/Ladegerät mit 2 USB
Ladekabeln, Kulturbeutel (grau), Lesebrille, Sonnenbrille,
Taschenmesser, Löffel, Übersichtskarte 1:500.000,
Flickzeug/Werkzeug,Front-, Heckakkulicht zum Anstecken, Schloss und
12mm Kabel 1,5 m
Gewicht inklusive
Lenker- und Satteltasche: 5,25 kg (plus 0,5 kg für Schloss und
Kabel)
Fahrerbekleidung
(getragen, nicht im Gepäckumfang): Netzunterhemd lang, Trikot
lang, Radhose kurz, Überhose lang (ohne Einsatz), Socken, Radschuhe,
Kappe. (Bei wärmerer Witterung Trikot und Hose kurz plus Arm-,
Beinlinge)
Mit diesen Dingen
fühle ich mich, sofern ich auf feste Unterkünfte zurückgreife,
absolut gut gerüstet für Touren von Frühjahr bis Herbst. Die Dauer
einer Tour hat dabei keinen Einfluss auf den Umfang meiner
Ausrüstung. Sie funktioniert für ein Wochenende ebenso, wie für
drei Wochen. Bei der Verwendung entsprechender Textilien, lässt sich
Bekleidung abends von Hand waschen und sie ist am nächsten Morgen
trocken. Bei mehrwöchigen Touren würde ich jedoch sicherheitshalber
noch einen Reserve-Faltreifen mitnehmen. Je nach Reifen kommen
zwischen 260 und 550 Gramm zum Gesamtgewicht dazu.
Und nun
wünsche ich den Lesern viel Vergnügen bei der nächsten eigenen
Tour.
Ende des Sommers kribbelte es nach längerer Rennradabstinenz wieder in den Beinen und der Wunsch nach extensivem Radfahren brach sich mehr und mehr Bahn. Also reifte der Entschluss vor dem Winter noch einmal das Abenteuer zu suchen und ich meldete mich für HH-B an. In der verbliebenen Zeit bis zum Start versuchte ich noch ein paar Kilometer auf das Tachometer zu spulen und fand in Udo einen motivierten Mitstreiter, der sich überdies auch als Windschild andiente. Anfangs konnte ich kaum das Hinterrad halten und bei der ersten Tour über 100 km in der zweiten Septemberhälfte erlebte ich einen bösen Einbruch. Nicht die besten Voraussetzungen also für HH-B. Aber mit jeder weiteren Tour stieg die Formkurve an und Anfang Oktober kam der ultimative Test in Form einer 160er Runde, die letzte Gewissheit brachte, dass es schon irgendwie klappen sollte mit der Ankunft in Berlin. Während der ganzen kurzen Vorbereitung klebte ich bei den gemeinsamen Touren quasi an Udos Hinterrad, da „vorne" fahren ob der angeschlagenen Geschwindigkeit kaum bis gar nicht möglich war. Es hatten noch mehrere ABCer und weitere Bekannte Interesse an HH-B bekundet aber aus diversen Gründen standen wir letztlich leider dann doch nur zu zweit bei frischem Wind und kühlen Temperaturen im Dunkeln am Start.
Für Udo sollte es die Premiere über diese Distanz und überhaupt das erste mal sein, eine Tour über 200 Kilometer und mehr zu versuchen. So machten wir uns kurz vor 7 auf zu einer Fahrt ins Ungewisse. Praktisch mit der ersten Kurbelumdrehung fing es an zu tröpfeln. Glücklicherweise konnte sich der Regen zunächst nicht dazu entschließen, uns gänzlich zu durchnässen. Der am Deich recht deutlich zu spürende und Kälte verströmende Gegenwind war jedoch schon einmal Vorbote der vor uns liegenden Strapazen. Wir legten uns nach dem Start gleich ordentlich ins Zeug, denn in der Ferne waren 5 rote Lichter in Sicht, die etwas Windschatten versprachen. Nach etwa 4 Kilometern schlossen wir auf und wurden Teil der Gruppe. Die Gruppe lief recht harmonisch und es war bei dem Gegenwind eine tolle Sache, die Arbeitslast auf mehrere Schultern verteilt zu wissen.
Natürlich trugen auch wir unseren Teil an der Führungsarbeit bei. Aufgrund der widrigen Witterungsverhältnisse dauerte es sehr lange, bis wir endlich unsere Beleuchtung ausschalten konnten. Im landschaftlich reizvollen Teil der Strecke zwischen Bleckede und Hitzacker waren die Straßen endlich mal trocken und die Stimmung in der Truppe stieg merklich an. So erfreuten wir uns an dem dortig hügeligem Terrain und schossen die kurzen Abfahrten bestens gelaunt hinunter. Etwa bei KM 70 wurden wir nach einigen Überholvorgängen letztlich von einer Riesengruppe mit Tandem-Schrittmacher „geschluckt“. Ob der Größe der Gruppe war zunächst nicht klar, wer sich wo von den 7 Mitstreitern befand. Ich fuhr zuvor an zweiter Stelle und orientierte mich einfach an meinem Vordermann. Leider hatten sich seine vier Begleiter aus der Meute zurückfallen lassen und Udo hatte es ihnen gleich getan. Als er merkte, dass ich offenbar gewillt war, in der Riesengruppe zu verweilen, entschloss er sich unter Aufwendung beträchtlicher Ressourcen, alleine wieder an die Truppe ranzufahren. Ich ließ mich derweil immer weiter aus meiner vorderen Position zurückfallen, um zu schauen, wo die übrigen Mitstreiter abgeblieben waren. Als ich am Ende der Gruppe angelangt war, schloss Udo gerade wieder auf. Mit recht gesunder Gesichtsfarbe und erhöhter Atemfrequenz berichtete er mir von dem erlebten Ungemach. Wichtige Körner wurden vergeudet. Bis nach Dömitz waren es noch etwa 10 KM und die Riesengruppe zerriss aufgrund der winkligen Strecke in immer mehr kleine Grüppchen. Auch hier wurden weitere Körner verschwendet, da sich immer wieder Löcher nach scharfen Kurven auftaten, die wieder zugefahren werden mussten. In Dömitz kam dann die Verpflegung wie gerufen. Leider setzte dort der Regen verstärkt ein und die Temperaturen schienen etwas zu fallen.
Lange hielten wir uns deshalb nicht auf und fuhren zu zweit weiter, da aus der 5er Gruppe vom Start leider 2 Mitstreiter noch vermisst wurden. War zuvor noch viel Radverkehr auf der Strecke gewesen, wurde es mit einem male recht einsam. Für Udo begann spätestens jetzt ein Martyrium, welches ihn die nächsten circa 80 km hartnäckig begleiten sollte. Er hatte sich noch nicht wieder erholt von der vorherigen Hatz und konnte das Hinterrad häufiger nicht mehr halten. So mussten wir mehrere Gruppen ziehen lassen und waren letztlich auf uns alleine gestellt. Jetzt konnte der Wind vollends sein auszehrendes Spiel mit uns treiben. Es gab kein Entrinnen vor unserem Peiniger, denn wir fuhren unserem Gegner auf schnurgeraden Straßen ohne Autoverkehr direkt entgegen. Die Motivation sank ob des Regens und des Gegenwindes bei KM 140 so ziemlich auf 0, als Udo auch noch einen Schleicher feststellte. Er konnte sich nicht so recht entschließen Hand anzulegen, da der Gedanke der Aufgabe im Raum stand. Also wurde der Reifen vorerst nur wieder mit Luft gefüllt, statt die Ursache zu beheben. Wir schmiedeten den Plan, erst mal bis Havelberg zu fahren, dort dann ausgiebig zu pausieren und die vorhandenen Optionen abzuwägen. Mit wieder prallem Reifen klappte es dann mit dem radeln erst mal wieder ganz gut und für kurze Zeit konnte wir uns auch wieder einer Gruppe anschließen. Aber nach Kurven oder kleinen Rampen fiel es Udo schwer, wieder Fahrt aufzunehmen. Ich sortierte mich hinter ihm ein, um ihn im Bedarfsfalle etwas Schub zu verleihen oder Lücken zu zu fahren. Aber 10 km vor Havelberg war der Reifen wieder platt. Wieder wurde gepumpt und Havelberg wurde mittlerweile zu einem Sehnsuchtsort. Im hiesigen Supermarkt wurden dann Cola und Schokoriegel gekauft, im angeschlossenen Café konnte jedoch nichts warmes erstanden werden, da so kurz vor Feierabend schon alles „gemacht“ sei. 20 Minuten vor offiziellem Ladenschluss fand ich das schon reichlich service-unorientiert. Aber sei es drum. Die Cola wirkte offenbar Wunder bei Udo. Er hatte zuvor nur Wasser in seinen Trinkflaschen gehabt, so dass es ihm offenbar nur an schnell verfügbaren Kohlenhydraten gemangelt hatte. Das ist natürlich nicht optimal, wenn es auf der Strecke kalt, nass und gegenwindbehaftet ist und einem die Energiespeicher schneller entleert werden, als dieses bei milderen Temperaturen der Fall ist. Da die Lebensgeister wieder geweckt waren, entschlossen wir uns, erst einmal bis Friesack zu fahren. Dort könnte man schauen, wie es um die Befindlichkeiten stünde und notfalls den Bahnhof ansteuern. Mit neuem Mute und abermals aufgepumptem Reifen machten wir uns wieder auf den Weg. Es lief auf einmal wieder rund und wie konnten einen ähnlich angenehmen Rhythmus anschlagen, wie wir ihn eingangs noch in der 5er Gruppe genossen hatten. Ohne Zwischenfälle kamen wir gut voran. Auch die ewig langen, schnurgeraden Schneisen durch die Ödnis konnten die Stimmung nicht trüben.
In Friesack machten wir dann eine Pause etwas abseits der Strecke. Wir freuten uns, nunmehr bereits 210 KM zurückgelegt zu haben und der Regen hatte mittlerweile auch endlich aufgegeben, uns zum Aufgeben bewegen zu wollen. Wir fühlten uns noch fit und statt zum Bahnhof zu fahren, entschieden wir uns, Nauen als nächstes Zwischenziel auszurufen. Von dort wären es nur noch etwa 30 km bis ins Ziel.
Gerade wollten wir nach einem schnellen Energieriegel und der mittlerweile schon obligatorischen Pumpaktion wieder losfahren, da sahen wir eine etwa 20 Mann große Gruppe. Leider waren wir etwa 200 Meter von der Kreuzung entfernt und mussten uns erst wieder auf die Räder schwingen. Wir versuchten es etwa 10 Minuten lang, die Lücke zur Gruppe zu schließen, aber wir konnten sie nicht entscheidend verkleinern. Also blieb es beim Duett. Schade, das wäre jetzt wohl der Schlafwagen nach Berlin gewesen, aber an diesem Tage wollte uns das Glück wohl einfach nicht übermäßig hold sein…Das war aber gar nicht weiter schlimm, denn der gemeinsam Rhythmus war nunmehr gefunden und wurde beibehalten. Bei KM 240 in Nauen ging es nochmals in einen Supermarkt, um uns für die letzte Etappe zu stärken. Schnell saßen wir wieder im Sattel. Udo’s Reifen verlor nun immer schneller Luft, so dass wir uns kurz vor Berlin noch eine Zwangspause mit Schlauchwechsel einhandelten. Wäre wohl besser gewesen, gleich einen neuen Schlauch einzuziehen, aber zum Zeitpunkt der ersten Panne, schien die Weiterfahrt nach Berlin noch Utopie. Diese Pause sorgte dann dafür, dass wir uns im Dunkeln durch Berlin tasten mussten. Ich zog jetzt das Tempo noch einmal an, da mein Navi akute Akku-Schwäche anzeigte und mir die Strecke noch nicht aus dem ff geläufig war. Das Navi fiel dann genau an der letzten Streckengabelung aus und meine Rückleuchte tat es dem Navi kurze Zeit später nach. Das war aber zum Glück etwa 2 km vorm Ziel, welches wir dann kurze Zeit später wohlbehalten und guter Dinge erreichten. Es war echt nett, dass die ankommenden Fahrer bei der Einfahrt zum Wassersportheim von einem Spalier applaudierender Zuschauer empfangen wurden. Das entschädigte sehr für die zuvor erlebten Strapazen und die etwas nervige Fahrt durch die verkehrsreiche westliche Peripherie Berlins.
Lars A. und Lars B.:
Dieses Jahr sollte es keine Ausreden geben. Wir wollten von Haderslev
in Südjütland nach Hamburg rund 250 Kilometer mit dem Fahrrad
fahren und damit an eines der frühesten und bedeutendsten Radrennen
in Norddeutschland (seit 1894) erinnern. Das Wetter spielte auch mit
und versprach am Samstag (27.8.) bestes Sommerwetter.
Die Anfahrt gestalte
sich einfach, denn wir nahmen die Bahn nach Flensburg, wo es am
Bahnhof ein schnelles Abendbrot gab. Dann schwangen wir uns in die
Sättel und radelten 60 Kilometer nach Haderslev, wobei wir das
hügelige Terrain schon einmal inspizieren konnten. Den Rest der
Strecke legten wir bei Dunkelheit zurück und trafen dann rechtzeitig
in unserer sehr zentralen und sehr schönen Unterkunft ein.
Am nächsten Morgen
verabreichten wir uns schnell Kaffee und Tee, das Frühstück musste
warten. Dann ein wenig Spannung: wer würde uns an der Marienkirche
(Domkirke) erwarten? Es waren Jesper, Mads und Niels, kurz danach
traf auch Lennart Madsen vom ortsanssässigen Museum ein und knipste
die kleine Runde von fünf Fahrern.
Auf schon ging es
los. Jesper wies uns den Weg und führte auf echt schönen Wegen
Richtung Süden. Die Hügel waren bisweilen recht knackig, was
insbesondere ich (Lars A) unangenehm direkt in den Beinen spürte.
Nach einiger Zeit
erreichten wir die Grenze. In Flensburg trennte sich dann die Gruppe
und ich (Lars A.) beschloss, alleine weiter nach Hamburg zu fahren.
Lars B.: Welches
Tempo die Dänen anschlagen würden, wussten Lars und ich vorher
nicht. Schnell wurde deutlich, dass nicht ihre Carbonboliden und
elektronischen Schaltungen für das hohe Tempo, mit dem wir durch die
Wälder und vorbei an Strandbuchten Süddänemarks rauschten,
verantwortlich waren. Die Jungs waren alle verdammt fit. Die 50 km
durch Süddänemark, durch Wälder und vorbei an Strandbuchten und
Feldern waren schön und schnell vorbei. Lars A. fiel immer wieder
zurück. War es das fehlende Frühstück? In Flensburg trennten sich
dann unsere Wege. Zu groß war an diesem Tag der
Leistungsunterschied. Ungern ließ ich Lars zurück, doch die Dänen
konnte ich erst recht nicht ziehen lassen, wollten sie doch bei mir
duschen.
Weiter ging es über
ruhige Nebenstraßen, und im Gegensatz zu den 50 km in Dänemark,
fast vollkommen flach. Stellen, an denen ich letztes Jahr bei der
Streckeninspektion entkräftet Pause machen musste, flogen nur so an
uns vorbei. Der leichte Wind kam oft von hinten, was unsere Leistung
nur wenig schmälern mag. Plötzlich wurde der Weg immer schlechter
und schon standen wir auf einer saftigen Wiese. Vor uns ein Fluss.
Alles wieder zurück, neuer Versuch. Schon tauchte der
Nord-Ostseekanal vor uns auf. Die Fähre stand schon abfahrbereit.
Dann noch ein halber Liter Cola für jeden am Imbiss, und der
Zuckerspiegel stimmte wieder um die restlichen 100 km auf uns zu
nehmen.
Irgendwann war dann
Schluss mit der Ruhe auf den Straßen. Immer mehr Autos tauchten
neben uns auf. Deutliche Zeichen, dass Hamburg nicht mehr fern sein
kann. Und tatsächlich waren wir bald auf Hamburger Stadtgebiet. Noch
ein paar Ampeln und das Dach der Radbahn in Stellingen tauchte
zwischen den Blättern auf. Hier warteten schon die Freundinnen von
Jesper und Niels, die die drei und ihre Räder wieder zurück nach
Haderslev fahren sollten. Mit 31 km im Schnitt hatten wir das Ziel
erreicht. Dazu insgesamt eine Stunde Pause. Ganz schön flott für
die Streckenlänge.
Lars A.: Ich war nun
alleine auf weiter Flur. Allerdings auch ohne Track und ohne Karte,
das Abenteuer konnte also beginnen. Ich genoss die Fahrt durch
Angeln, auch wenn ich mich des Eindrucks nicht erwehren konnten, ein
wenig im Kreis zu fahren. Die Landschaft konnte ich jetzt richtig
genießen. Die Autobahn nach Hamburg wies mir den Weg; ich war froh,
als ich sie hinter mir lassen konnte.
Die Navigation
gestaltete sich schnell als, nun ja, schwierig. Also ging die
Fragerei los. “Wo geht es denn hier nach Hamburg?”
Immerhin, die Lacher hatte ich auf meiner Seite. Viele wussten auch
gut Bescheid, jedoch nur was den Weg per Auto/Bahn betraf …
Erst hatte ich
keinen Track, dann kam auch noch Pech dazu: Ich verlor Luft, hatte
einen Platten, den ich höchst umständlich und zeitaufwändig
flicken konnte. (Die ersten Flicken setzte ich komplett daneben, den
zweiten verhunzte ich irgendwie, der dritte saß dann - erst mal -
bombenfest.)
Weiter ging es. Ich
orientierte mich an der Bahnstrecke und wollte, so gut es ging, die
Städte entlang der Route “abklappern”. Die Durchfahrt in
Schleswig war abermals etwas problematisch. (Vielleicht besorge ich
mir in Zukunft doch so ein Navigationsgerät, dieses Zaubergerät,
das einem wie von Geisterhand den Weg zu zeigen weiß).
Das gleiche Spiel in
Rendsburg. Hier machte nun mein Hinterreifen abermals schlapp. Ich
hatte jetzt keinerlei Material mehr an Bord, was ich zum Flicken
verwenden konnte. Es war wirklich verflickt & zugenäht. Einen
Fahrradladen konnte ich in der Nähe auch nicht ausfindig machen, der
ADFC-Stand des Stadtfestes hatte auch nichts Verwertbares. Nun denn.
Also machte ich
Feierabend. Für mich sollte es in diesem Jahr also kein “Finish”
geben. DNF - Das Navigationsgerät fehlte! Ähem, hüstel, und ein
ganz bisschen Fitness vielleicht auch … und ein paar technische
Grundkenntnisse … und …
Ich taperte zum
Bahnhof und fuhr von dort nach Hamburg-Altona. Nächstes Jahr wird
alles anders …
Lars B.: Nach der
Ankunft ging es zunächst nach einem schnellen Bier zu mir nach
Hause, wo jeder nach einer Dusche zwar nicht unbedingt wieder fit
wurde, dafür aber wieder so gut roch, um einen Restaurantbesuch zu
wagen. Hier ließen wir das Erlebte (Erfahrene) nochmal Revue
passieren. Das war ein schöner Tag mit den netten Jungs, die sehr
nett und sympathisch sind. Über Jespers trockene Witze musste ich
des öfteren unterwegs lachen. Hoffentlich nächstes Jahr wieder
Haderslev-Hamburg!
Lars A.: Mein Fazit?
Die Strecke, woweit ich sie genießen durfte, ist wirklich sehr
schön. Durch die Städte und damit auf der originalen Strecke zu
fahren, davon kann ich reinen Herzens abraten. One Way-Strecken
machen erst richtig deutlich, was für eine Entfernung zurückgelegt
wird. 250 Kilometer in eine Richtung zu fahren, das ist schon eine
kleine Reise. Und Hamburg als Zielort ist wohl für Hamburger und
Nicht-Hamburger ein guter Magnet. Neben der Strecke ist vor allem die
Geschichte des Rennens sehr charmant. Möglicherweise sehen es einige
ja auch so. Wir werden im kommenden Jahr, Ende August oder Anfang
September 2017, die Fahrt vermutlich wieder durchführen - dann
vielleicht schon als “richtige” Veranstaltung. Wir werden
sehen.
Dette blot for at orientere om genoptagelsen af et
af de store klassiske cykelløb fra slutningen af 1800-tallet og
begyndelsen af 1900-tallet – Cykelløbet Haderslev-Hamborg.
Lørdag
d. 27. august kl. 8:00 stiller et lille hold entusiastiske cykelryttere
til start ved Haderslev Domkirke! Det drejer sig om cykelryttere fra
Haderslev-Starup Cykelklub og Altonaer Bicycle-Club von 1869/80 fra
Hamborg. Den tyske klub er angiveligt den ældste endnu eksisterende
cykelklub i verden.
Den lille gruppe ryttere begiver sig kl. 8 ud på den godt 250 km lange
tur tværs gennem Nord- og Sydslesvig samt Holsten med mål i Altenau
udenfor Hamborg.
Cykelturen er et forsøg på at genoplive et af
verdens ældste cykelløb, nemlig cykelløbet Haderslev-Hamborg. Det første
løb fandt sted i 1894, hvor i alt 27 ryttere gennemførte løbet. I
slutningen af 1890’erne var det et af Europas vigtigste langdistanceløb
ved siden af Paris-Roubaix, Milano-München og Wien-Berlin. I 1898 var
der således hele 74 ryttere til start. Løbet fandt sted årligt frem til
1. Verdenskrigs udbrud i 1914 men har ikke siden været gennemført.
I tidsskriftet Langs Fjord og Dam 2015 skrev formanden for Altonaer
Bicycle-Club, Lars Amenda, en artikel om dette cykelløb (artiklen er
vedhæftet denne mail) og lørdag 27. august 2016 vil der så blive gjort
et forsøg på at genoplive løbet.
Man kan læse mere om løbet ved at følge dette link.
På vegne af de to cykelklubber og med henblik på at hjælpe med at få
det traditionsrige løb genoplivet, håber jeg at medlemmer af pressen
kunne have lyst til at møde op ved starten lørdag morgen.
Ventspils an der Mündung des Flusses Venta gelegen, blickt auf eine
lange Tradition als Hafenstadt zurück. 1253 erstmals schriftlich
erwähnt, gehörte die Hafenstadt später zeitweise der Hanse an. Ab 1642
avancierte sie zu einem Zentrum des Schiffsbaus. 44 Kriegs- und 79
Handelsschiffe liefen vom Stapel. Angeblich sollen von hier sogar
Flotten zur Kolonialisierung von Gambia und Tobago gestartet sein. Unter
sowjetischer Herrschaft wurde nach dem zweiten Weltkrieg eine
Ölpipeline nach Ventspils verlegt. Auch aufgrund der Eisfreiheit wurde
Ventspils für Russland zu einem wichtigen Exporthafen für Erdöl und
Kohle. Durch die Hafeneinahmen ist Ventspils eine der wohlhabendsten
Städte Lettlands.
Nach dem Frühstück kurve ich mit meinem bepackten Rad noch eine gute
Stunde durch verschiedene Ecken und Winkel von Stadt und Hafen. Ich
liebe diese kleinen Hafenstädte, in denen der Hafen noch organischer
Bestandteil der Stadt ist und kein autonomes Dasein führt.
Dann erst geht es nach Nordost, in Richtung der Landspitze Kolkasrogs.
Ich rechne damit, dass vor mir die 83 einsamsten Kilometer der Tour
liegen. Keine Ortschaften, einfach nichts. Das Wetter ist grau, es
nieselt ununterbrochen . Die Nadelbäume rechts und links der Straße
sind, wie Nadelbäume nun einmal so sind. Es geht viel geradeaus und die
Straße ist zum Teil außerordentlich rau. Wenigstens festigt sich die
Erkenntnis, dass mein gesamtes Setup hervorragend passt. Rad und
Laufräder meistern die Bedingungen souverän. Mit meinen leichten Gepäck
sind die 28 mm Contis super. Für schwereres Gepäck würde ich breitere
Pneus aufziehen. Die DT Swiss TK540 Felgen und auch die
Durchlaufbereiche des Rahmens verkraften bis 42 mm breite Reifen. Damit
würde ich mich auch für Fahrten in entlegende Gegenden gut gewappnet
fühlen.
Außer zwei Vermessern, die was auch immer vermessen, begegnen mir keine
Menschen. (Abgesehen von den Insassen der rund fünf Autos pro Stunde,
die ich sehe.) Nach etwa der Hälfte der Distanz lege ich eine Pause ein,
um eine Kleinigkeit zu futtern. Just als ich wieder starten will,
nehmen ich am südlichen Horizont der Straße einen Punkt wahr, der sich
auf mich zu bewegt. Schnell erkenne ich darin einen Radfahrer. Natürlich
warte ich noch so lange.
Es ist Alexandra aus Barcelona. (Übrigens mit Ortlieb
Packtaschen…haha.) Wir freuen uns beide über die unerwartete Begegnung
und schmieden eine Allianz für den zweiten Teil der langen Strecke.
Natürlich gibt es eine Menge zu erzählen. Da ohnehin kaum Verkehr
herrscht, fahren wir die ganze Zeit nebeneinander. Es sind gerade auch
solche Begegnungen, die das Salz in der Suppe von Radtouren sind.
In Kolka trennen sich unsere Wege, da Alexandra Quartier beziehen will,
während ich noch eine Weile weiter radeln werde. Als ich mich beim
Krämer verpflege, stoße ich auf ein Paar aus den Niederlanden. Sie sind
mit einem kuriosen Tandem unterwegs. Ein Liegetandem, bei dem jeder
unabhängig von dem anderen ein Rad antreibt! Sie sind mit der, im
übrigen deutschen, Konstruktion im vierten Jahr unterwegs und hoch
zufrieden. Ich finde es total klasse, wie kreativ Radler nach
Möglichkeiten suchen, zusammen auf Tour gehen zu können, obwohl die
Leistungsunterschiede sehr groß sind.
Bei mittlerweile trockenem Wetter radel ich noch rund 40
Gegenwindkilometer. Gerne würde ich noch 20 oder 30 weitere km fahren,
aber es gibt dort keinerlei Unterkünfte.
Als es, gerade nachdem ich mein Quartier beziehe, zu regnen beginnt, bin
ich doch äußerst zufrieden mit meinem Quartier. Wie ich überhaupt mit
dem heutigen Tag zutiefst zufrieden bin.
5 km südl. Roja, 125 km, total 1.560 km
14. Tag, 19.08.2016
Ich wache auf und sehe Schatten. Nicht an der Wand und auch nicht vor
dem inneren Auge. Nein, ich bin noch nicht zu viel Rad gefahren. Ich
sehe Schatten, wenn ich aus dem Terrassenfenster in den Garten schaue.
Es sind Schatten von Bäumen und Gebäuden. Und wo Schatten sind, ist
bekanntlich auch Licht. Und das kommt in diesem Fall von der Sonne.
Hurra, es gibt sie noch.
Frühstück gibt es erst um 09:00. Das ist mir zu spät. Ich lebe von
meinen Vorräten in den Satteltaschen und sitze um 08:00 im Sattel. Ich
hoffe irgendwo einen Kaffee auftreiben zu können. Das dauert dann über
eine Stunde. Ein Krämerladen hat eine Kaffeemaschine an der Kasse
stehen.
Hmm…das tut gut. Bisher ist die Straße rau und rumpelig. Ich komme
heute nicht so richtig in den Tritt. Und das, obwohl ich gestern abend
gut gegessen und dann tief und viel geschlafen habe. Aber mit dem Kaffee
geht es dann doch merklich besser.
Die Straße wird besser und die Sonne sorgt für eine angenehme Wärme. Und
das Meer ist auch wieder blau. Immer wieder kann ich einen Blick auf
den Rigaischen Meerbusen werfen.
Das relativiert die 5 Bft aus Südost (also genau von vorne). Ansonsten
steht auch wieder viel geradeaus auf dem Programm. Aber heute ist die
Dichte der Ortschaften größer. Spannend wird es noch einmal in einem
mehrere Kilometer langen Baustellenabschnitt. Auf Einwegpisten werde ich
immer wieder mit entgegen kommenden Fahrzeugen oder Baumaschinen
konfrontiert, denn für die Ampelphasen bin ich natürlich zu langsam.
Aber es läuft alles völlig stressfrei ab.
Die Ansteuerung von Riga verläuft dagegen einfacher als gedacht. Bereits
20 km vor dem Zentrum stoße ich auf eine entsprechende Radwegestrasse.
Die ersten 10 km sind hundsmiserabel. Die letzten 10 km sind total
super. Und schon geht es über eine monumentale Brücke in die Altstadt.
Riga ist total faszinierend und sicherlich ein ganzes Wochenende wert.
Ich cruise rund drei Stunden durch die Stadt und verschaffe mir einen
bleibenden Eindruck. Es sind hier einige sehr gestylte Menschen
unterwegs, deren Einkommensgefüge wohl weit über dem lettländischen
Durchschnitt liegen dürfte. Erfreulich stelle ich fest, dass hier auch
einige stylische Fahrräder unterwegs sind.
Und außerdem ist noch ein Radler unterwegs, dessen Namen ich leider
nicht richtig wiedergeben oder gar schreiben kann. Denn er kommt aus
Xian in China.
Er ist über die Seidenstraße gekommen und will weiter nach Rom. Der
Bursche hat bereits über 10.000 km auf der Uhr. Wir tauschen uns eine
ganze Weile angeregt aus und ich muss zugeben, dass diese Begegnung
dann, trotz großer Stadtgeschichte, mein persönliches Riga Highlight
ist!
Riga, 123 km, total 1.683 km
15. Tag, 20.08.2016
Die Sonne steigt über den gegenüber liegenden Häuserblock und weckt mich
sanft. Und sie macht mich richtig munter für den neuen Tag. Das ist
auch gut so, denn durch die Recherche zur Seidenstraße ist es gestern
doch etwas später geworden…
Mir scheint, ein Samstag Morgen ist eine gute Zeit, um auf einem Fahrrad
Riga zu verlassen. Es ist nicht viel los auf den Straßen. Am Rande der
Peripherie mache ich es wie alle anderen Verkehrsteilnehmer auch und
fahre ohne Umschweife ein Stück auf der Autobahn. Wenn man lange genug
unterwegs ist, sinkt die Hemmschwelle für so etwas deutlich.
Die Sonne lacht weiterhin, es ist windstill und angenehm warm. Auch
heute ist wieder ganz viel geradeaus angesagt. Aber es ist der erste Tag
seit dem ersten Tag, an dem die Straßenbeläge ohne Einschränkung zum
Rollen einladen. Und ich lasse es ordentlich rollen. Von meinem vierzehn
Fahrtagen wiesen die letzten dreizehn meistens Schwächen bei den
Belägen auf. Daher freue ich mich über die heutigen Voraussetzungen
besonders.
In Saulkrasti schiebe ich noch einen Kulturblock ein und besuche ein
Museum. Ein Fahrradmuseum! Den Tipp habe ich von Alexandra. Ein richtig
guter Tipp, wie sich herausstellt. Im Grunde ist es eine private
Sammlung, die vom Betreiber zugänglich gemacht wird. Der Schwerpunkt
liegt auf Rädern lettländischer Produktion. Einige Ausländer wie Opel,
Bauer oder Dürkopp finden sich auch unter den wirklich hervorragenden
Exponaten.
Meine Fahrt führt mich weiter nordwärts. Von Ainazi bis Häädemeeste
führt eine kleine Straße zwischen skandinavisch wirkenden Holzhäusern
hindurch. Das Meer ist dabei in Sichtweite. Das ist der bisher schönste
Streckenabschnitt der Tour.
Es folgt der unspektakuläre Grenzübertritt nach Estland und die flotte
Weiterfahrt bis Pärnu. Nach 14 Fahrtage ist Tallin nun auf direktem Wege
nur noch 130 km entfernt. Da ich noch etwas Zeit bis zur Rückreise
habe, werde ich nun noch einen Blick in die Karte werfen und mal
schauen, was mich hier noch so lockt.
Pärnu, 178 km, total 1.861 km
16. Tag, 21.08.2016
Was mich so richtig locken würde, wäre St. Petersburg. Doch dafür reicht leider (!) weder meine Zeit, noch mein Visum.
Daher beschließe ich nach einer kleinen Stadtrundfahrt durch Pärnu einen
großen westlichen Bogen zu fahren, anstatt direkt nach Tallin zu
radeln. Der Tag meint es gut mit mir. Es ist sonnig und warm. Ich freue
mich darüber, wie auch gestern, ohne Arm- und Beinlinge radeln zu können
und Sonne und Luft an die Haut zu lassen. Heute schiebt sogar etwas
Wind von hinten.
Die Landschaft ist abwechslungsreich. Wälder, Felder und Wiesen wechseln
einander ab. Farmen und Holzhäuser unterschiedlichen Zustands lassen
den Blick nach rechts und links schweifen. Das Fahren ist angenehm
kurzweilig. Ganze Dörfer bestehen aus Holzhäusern.
In Lihula entdecke ich ein süßes Café in einem alten Herrenhaus. Das
Haus hat seine besten Zeiten längs hinter sich. Die Familie ist
irgendwann in die Vereinigten Staaten ausgewandert und die Sowjetzeit
hat das Gebäude auch nicht besser aussehen lassen. Aber das Café hat
definitiv Charme.
Ich sitze gerade wieder im Sattel, als ich im Westen eine enorm dunkle
Wolkenfront entdecke. Meinen besten Hut würde ich darauf wetten, dass
mir ein fettes Unwetter im Nacken sitzt. Vor mir liegen noch 80 km.
Ich will mein Fell so teuer wie möglich verkaufen und versuche, so lange
es geht trocken zu bleiben. 48 km kurbel ich in weniger als einer
Stunde und vierzig Minuten. Dann lösen sich die Wolken so spontan auf,
wie sie gekommen sind.
Gut, dass ich niemandem zum Wetten gefunden habe. Ich kann meinen Hut
behalten. Entspannt radel ich die verbleibenden 32 km zu meinem
Quartier. Heute, nach 1.999 km, gönne ich mir etwas Besonderes.
Padise, 138 km, total 1.999 km
17. Tag, 22.08.2016
Was für ein entspannter Tag! Ich bin kurz vor dem Ziel und die Distanz
entspricht eher der einer kurzen Trainingsrunde. Frühstück gibt es erst
um acht, so dass ich ein wenig länger schlafe. Das Frühstück findet im
dem beeindruckenden Ambiente des Padise Manor statt, einem Herrenhaus
mit gelebter Familientradition.
Die Familie stammt aus Deutschland und hat wohl über knapp 200 Jahre ein
landwirtschaftliches Gut aufgebaut und betrieben. In den Wirren des
zweiten Weltkrieges flüchtete die Familie vor den heranrückenden
russischen Truppen und landete in den Vereinigten Staaten von Amerika.
Mit der Öffnung des Ostens nach 1989 kamen der Sohn und der Enkel der
Familie zurück nach Estland und bauten den Hotelbetrieb auf. Somit setzt
sich die mit dem Herrenhaus verbundene Familientradition fort.
Ich fahre nicht auf direktem Wege nach Tallin, sondern schlage einen
westlichen Bogen über wenig befahrene Straßen ein. Dabei entdecke ich
weitere Herrenhäuser. Das muss hier wohl früher eine reiche Gegend
gewesen sein. Zudem gelingt mir noch der ein oder andere Blick auf’s
Meer, was mich sehr freut.
Tallin fasziniert mit einer tollen historischen Kullisse an Gebäuden und
Gassen. Natürlich wird es stark touristisch ausgeschlachtet, aber ich
finde es dennoch charmant. Abseits des Haupttrubels gönne mir ein
koffeinhaltiges Heißgetränk in einem Straßencafé. Ich komme mit einem
deutschen Paar ins Gespräch. Die beiden sind mit einer AIDA Kreuzfahrt
unterwegs und wir tauschen unsere Erfahrungen über das Baltikum aus.
Fast könnte man meinen, wir wären in völlig unterschiedlichen Regionen unterwegs, so unterschiedlich sind die Wahrnehmungen.
Ich werde zwei Nächte in Tallin bleiben, dann mit der Fähre nach
Helsinki übersetzen und nach einer weiteren Übernachtung geht es mit dem
Dampfer nach Travemünde. Über Tallin werde ich morgen noch etwas
berichten.
Langeweile muss hier am Abend jedenfalls nicht aufkommen. Außerdem kann ich ja morgen so richtig ausschlafen…smile.
Tallin, 69 km, total 2.068 km
18. Tag, 23.08.2016
Auf wilden Wölfen durch die Stadt reitende weibliche Wesen habe ich
gestern nicht mehr gesehen. Heute geht es auch alles andere als wild zu.
Bei mir und auch bei den vielen anderen Besuchern Tallins. Und hier
sind nicht wenige Besucher unterwegs. Denn Tallin ist ganz klar ein
starker touristischer Anziehungspunkt.
Die Ursprünge der Stadt reichen bis in die Mitte des 11. Jahrhunderts
zurück, als auf dem heutigen Domberg eine hölzerne Burg errichtet wurde.
In dieser Zeit wurde auch ein Hafen angelegt. Den Namen Tallinn trägt
die Stadt seit der Eroberung durch den dänischen König Waldemar im Jahr
1219. Tallinn bedeutet so viel wie “dänische Stadt” oder “dänische
Burg”.
Dänen und Deutsche prägten den wirtschaftlichen Aufstieg der Stadt. So
wurden beispielsweise 1230 rund 200 westfälische und niedersächsische
Kaufleute angeworben. Es bestand ein enger Kontakt zur Hanse und Tallin
wurde ein wichtiger Knotenpunkt im Ostseehandel. Die Stadt erlebte eine
bewegte Geschichte bis hin zur sowjetischen Herrschaft nach dem zweiten
Weltkrieg.
1991 wurde Tallin Hauptstadt des unabhängigen Estland. Eine niedrige
Steuerlast und und ein liberales Wirtschaftsumfeld trugen zu einem
großen Wirtschaftswachstum bei. Im Süden der Stadt entstehen noch immer
moderne Neubausiedlunden für die stärkeren Profiteure des Wohlstandes.
Das habe ich gestern bei meiner Ansteuerung eindrucksvoll zu sehen
bekommen. Das Preisniveau liegt auf westlichem Niveau. Insgesamt ist das
ein starker Kontrast zu den Siedlungen um sozialistischen Stil.
Tallin ist die wirtschaftstärkste Stadt des Landes und steuert 60% des
estnischen BIP bei. Firmen mit großen Namen im Elektro- und
Telekommunikationsbereich sind hier zu finden. Zudem existiert hier der
größte Bankensektor des Baltikums. Vom Domberg betrachtet, bilden die
modernen Geschäftsgebäude in Richtung Westen den Hintergrund für die
pittoreske Altstadt. Aber natürlich ging es auch früher ums
Geldverdienen.
Ordentlich verdient wird heute auch mit dem Tourismus. In einem Gespräch
beim Frühstück bedauert eine Dame, dass Tallin überhaupt nichts
“natürliches” , vorzuweisen habe. Wir philosophieren zwei Kaffee lang
um diese Thematik, ohne sie jedoch aufzulösen. Ich kann ihre
Enttäuschung gut verstehen. Da reist die betagte Dame mit der
Unterstützung ihrer Tochter extra hier her und findet sich in einem
estnischen Disney Land wieder. Und nichts anderes ist es im
Altstadtbereich. Jedes und zwar absolut jedes Geschäft und Lokal ist
ganz und gar touristisch ausgerichtet. Als sie von meiner Reise hört,
fragt sie interessiert und wissbegierig danach, wie es sonst so in den
Ländern außerhalb der Städte aussieht. Wir beschließen das Gespräch beim
einem gemeinsamen abendlichen Dinner fortzusetzen.
Ich stürze mich ins Disney Land und kann ihre Ansicht immer besser
verstehen… Morgens ist es zum Glück noch recht ruhig in der Stadt,
doch sobald die Kreuzfahrer Land betreten ist Schluss mit lustig. Meine
Kreise werden derweil größer und ich finde ruhige und lauschige Ecken.
Am ehemaligen Knast vorbei, gelange ich zu einem abgefahrenen Café mit
etwas bunterer Kundschaft. Nach dem Besuch des maritimen Museums, das
mir gut gefällt, kehre ich zu dem coolen Laden zurück und lasse den
Nachmittag auf’s Wasser blickend ausklingen.
Eine gute Gelegenheit, die Tour in Ruhe wirken zu lassen. Davon und über
ein paar Ausrüstungsgedanken (Fragen haben mich bereits erreicht)
berichte ich dann gerne morgen noch einmal.
Tallin, Fußgängertag
19. Tag, 24.08.2016
Der Start ist heute echt hart. Prolog ohne Warmfahren. 1,77 km bis zum
Fährterminal. Keine leichte Sache. Zumal mir kurz vor Erreichen des
Ziels noch eine weitaus preisgünstigere Variante für das Übersetzen
nach Helsinki angeboten wird. Auch die Vertrauen erwecken wollende
Namensgebung kann mich nicht überzeugen. Ich bleibe bei der Wahl des
großen Schiffes.
So verlasse ich die alte Stadt mit den vielen modernen Gesichtern. Die
Überfahrt ist äußerst kurzweilig, da ich mit einem Motorradreisenden ins
Gespräch komme.
Helsinki empfängt mich mit dem netten Flair einer entspannten
skandinavischen Großstadt und einer fantastischen Lage am Meer. Und
einem Kaffeepreisniveau, dass deutlich über dem von Monaco liegt. Ich
tingel gemütlich mit dem Rad durch verschiedenste Viertel. Von
umgenutzen Hafenbereichen mit Szenekneipen bis zur Prachteinkaufsstraße
ist alles dabei. Angenehm auffallend sind etliche ansprechend aufgebaute
Single Speed Räder. Also eine Stadt mit Kultur…smile.
Zum späten Nachmittag schlage ich den Weg zur Unterkunft ein. Ohne Herrn
Garmin hätte ich den Weg wohl kaum gefunden, trotz der sicherlich gut
gemeinten Beschilderung.
Morgen sind es dann noch einmal 8 oder 9 km bis zum Fährterminal. Und
dann werde ich die Passage nach Travemünde einfach nur genießen….
Ein paar grundsätzliche Worte möchte ich noch zur Ausrüstungsorganisation verlieren.
Wie ganz zum Anfang geschrieben, liegt das Ausrüstungsgewicht inklusive
der Taschen bei 10,5 kg. Dazu kommt das unterwegs variierende Gewicht
zweier 0,75 l Trinkflaschen sowie ein Ausgangsvorrat von rund 10.000
kcal. Da rede ich jetzt nicht von zwei Müsliriegeln, sondern von echten
und wertigen Rationen. Mir ist es sehr wichtig, über einen gewissen
Zeitraum autark sein zu können. Sinkt der Vorrat auf unter 5.000 kcal,
stocke ich wieder auf. Insgesamt macht das noch einmal bis zu einem
Kilogramm aus.
Ferner sind mir persönlich die folgenden Aspekte wichtig:
-eine zivile Garnitur (Schuhe, Hemd, Hose möglichst ohne Outdoor Look)
-Zelt darf klein, muss aber starkregenfest sein
-ein Reservefaltreifen 28 mm
-gut funktionierende Luftpumpe mit Manometer (Also keine Minipumpe, die
gefühlte 1.000 Hübe benötigt, um einen 28er Reifen zu füllen.)
-Ersatzspeichen, Zahnkranzabzieher, Kettennietdrücker, Kettenlink…
Die Reifen zeigen sich nach 2.100 km verschleißtechnisch völlig
unbeeindruckt. Bei meinem Systemgewicht (Rad, Fahrer, Gepäck) von unter
100 kg traue ich einem Satz Reifen durchaus 8.000 bis 10.000 km zu ( bei
einem Wechsel hinten / vorne nach 4.000 km). Bei schlechten Straßen
fuhr ich die Reifen mit 4,5 bar, bei guten Oberflächen mit 6 bar.
ORGANISATION GEPÄCK:
LENKERTASCHE - Regenjacke, Überschuhe, Windjacke u. -weste, Bein- u. Armlinge
PACKTASCHE LINKS - alles was trocken bleiben muss. Die Tasche wird im
Regelfall unterwegs nicht geöffnet. Daunenschlafsack u. -jacke, zivile
Bekleidung, Universalnetzteil mit Kombistecker, ggf. Dokumente, 5.000
kcal Reserve….
PACKTASCHE RECHTS - die Servicetasche für alles was zur Hand sein muss.
5.000 kcal, Kettenschmiermittel, Werkzeug, Reservereifen, Luftpumpe,
Straßenkarten, Stahlkabel als Ergänzung zum Schloss, Kamera,
Kulturbeutel, Lesebrille….
GEPÄCKTRÄGER - Schuhe (gelbes Säckchen), Zelt (grün), Schloss
SATTELTASCHE - Reserveschlauch, Flickzeug, Reifenheber, Multitool…
ORGANISATION TRIKOT TASCHEN
(hinten - von links nach rechts)
Smartphone // Sonnenbrille, Schweizer Messer (große Ausführung mit
langer, arretierbarer Klinge, damit man auch Brot schneiden kann. Und
mit Korkenzieher…) // Übersichtskarte (erleichtert unterwegs die
Kommunikation), Löffel // Reißverschlusstasche mit den wichtigsten
Karten und Bargeld für drei Tage. // Brusttasche: Signalpfeife ( über
100 Dezibel) verschafft bei unangenehmen Situationen Zeitvorteil
gegenüber Vier- und Zweibeinern.
Den Löffel führe ich mit, da ich gerne Joghurt esse. Nachdem mir in
relativ kurzen Zeitabständen zwei high tech Kunstfasermodelle gebrochen
sind, setze ich nun die heavy duty Metallausführung mit viktorianischer
Prägung. Eine freundliche Leihgabe eines britischen Hotels.
Bis auf Werkzeug, Ersatzteile (toi, toi, toi) und Zelt/Schlafsack sind
alle Ausrüstungsbestandteile zum Einsatz gekommen. Ich hatte also nichts
Überflüssiges dabei. Was ich (vielleicht) beim nächsten Mal ergänzen
würde, wäre eine Klingel. In von Radfahrern stärker frequentierten
Abschnitten macht sie das Leben einfacher. Es gibt doch so
Bedarfsklingeln, die sich provisorisch befestigen und nach der Tour
wieder demontieren lassen. ( Keines meiner Räder verfügt aus
ästhetischen Gründen über eine derartige Einrichtung.)
So liebe Leser. Ich hoffe die Lektüre war kurzweilig und es hat Spaß
gemacht sie zu verfolgen. Mir hat es großen Spaß bereitet zu fahren und
zu schreiben. Verzeiht den ein oder anderen Schreibfehler. Diese
Smartphone Mäusetasten sind nach langen Tagen auf dem Rad irgendwie
suboptimal. Einen ausführlichen Bericht wird es Herbst auf meiner
Homepage geben.
Und einen ganz besonderen Dank möchte ich an Lars aussprechen, der mein
Geschriebenes und die Fotos in die ABC Homepage eingebaut hat.
Es ist mal wieder so weit. Das kleine Fernweh hat mich gepackt und es
geht wieder los. Von zu Hause aus zu starten hat dabei für mich einen
besonderen Reiz. Es ist das Gefühl, direkt in die Welt hinaus zu fahren,
wieder etwas Neues zu entdecken. So plane ich vom nördlichen
Schleswig-Holstein der Ostseeküste bis Tallin zu folgen. Das Gepäck
fällt auf dieser Tour nicht ganz so spartanisch aus, denn Zelt, Isomatte
und Schlafsack sind mit dabei. Da ich in den Stockhlomer Schären in der
zweiten Augusthälfte schon Nachttemperaturen von vier Grad Celsius
erlebt habe, sorge ich ausrüstungstechnisch entsprechend vor. Mit dem
Gesamtgewicht von 10,5 kg (inkl. Taschen) bin ich daher sehr zufrieden. -
Morgen geht es los!
Tag 1, 06.08.2016
Ich sitze seit 750 Metern im Sattel und schon kommt die erste Steigung.
Nix Wildes, aber ich merke die Steigung deutlicher als gewohnt. Seit den
knapp 560 km beim 24h Rennen vor drei Wochen habe ich nicht wirklich
seriös im Sattel gesessen und ich bekomme fast ein schlechtes Gewissen.
Aber das ist natürlich Quatsch. Es ist das Gepäck, welches die Fahrt so
ungewohnt erscheinen läßt.
In Kiel wartet eine Stärkung in Form einer sehr angenehmen Kaffeepause.
Beim anschließenden Start regnet es und ich stelle fest, dass ich beim
Packen die alten löchrigen Überschuhe erwischt habe. Was hatten die den
noch im Schrank zu suchen? Das hat man davon, wenn man solche Sachen
nicht konsequent entsorgt. Haha. Zum Glück liegt ein größere Radladen
auf dem Weg, sodass ich für Ersatz sorgen kann. (Und die alten Teile
entsorge.)
Die Fahrt quer durch Ostholstein läuft dann wirklich flott. Einerseits
schiebt ein ordentlicher Westwind und andererseits sind die Beine doch
nicht wirklich schlecht.
Mit der Priwall-Fähre setze ich auf die Ostseite der Trave und setze die
Fahrt fort. Ich peile den Campingplatz in Boltenhagen an. Wenige
Kilometer vor Boltenhagen entdecke ich durch Zufall eine Radler
Herberge. Trotz des Belegt-Schildes stoppe ich und frage nach einem
Platz.
Hurra, ich habe Glück. Bei Suppe, Kartoffelsalat und Würstchen klingt
der Tag mit Radler -Gesprächen aus. Schön wieder unterwegs zu sein.
Elmenhorst, 162 km
Tag 2, 07.08.2016
Hmm…eine zweite Tasse Kaffee und überhaupt ein herrliches Frühstück.
Wie könnte der Tag besser beginnen? Draußen ist es trocken und der
Westwind wird auch heute mein Begleiter sein.
Zügig gelange ich nach Wismar und genieße diese schöne Stadt.
Nordostwärts geht es an der Insel Poel und am Salzhaff vorbei.
Kühlungsborn zur Haupturlaubszeit wird höchstgradig touristisch
belagert. Den Weg nach Warnemünde verlagere ich etwas ins Landesinnere,
um den vielbefahrenen Ostseeradweg zu meiden.
In Warnemünde bin ich regelrecht erschrocken. Der gesamte Ort gleicht
einer Kirmes. Ich habe nach der Wende einige Zeit in Warnemünde
gearbeitet und muss enttäuscht sagen, dass der Ort kaum etwas von seinem
Charme erhalten hat.
In Graal-Müritz, wo ich damals wohnte, finde ich ein nettes und
preisgünstiges Quartier. Abends schlendere ich noch durch den Ort und am
Strand entlang.
Graal-Müritz, 118 km, total 280 km
3. Tag, 08.08.2016
Ein leckeres und reichhaltiges Frühstück bei Heidemarie (im Hotel
Heidemarie) und der Tag ist mein Freund. Sonnenschein und Westwind tun
ihr übriges. Auf in den Sattel und ab die Post.
Rasch ist die Halbinsel Fischland Darß erreicht.Das Radeln gefällt mir
dort außerordentlich gut. Im Wesentlichen gibt es sogar eine gute
Radinfrastruktur. Immer wieder nutze ich die Chance über die Dünen einen
Blick auf das aufgewühlte Meer zu werfen und genieße den Ausblick und
die Atmosphäre.
So eben vor einer Regenfront erreiche ich nach knapp 100 km um 1415
Stralsund. In einem Bio Café mit Bio Ware und reichlich Bio Kundschaft
nasche ich gehaltvollen Bio Kuchen.
Das stellt sich dann als wirklich gute Stärkung heraus. Denn auf dem Weg
nach Greifswald erwarten mich rund 20 km Kopfsteinpflaster. Na super.
Das hat mir noch gefehlt. Immerhin bleibt es trocken. Das Pflaster ist
einigermaßen befahrbar, nervt aber dennoch. Und es bremst natürlich.
Ich bin froh das Tempo zwischen 15 und 17 km/h halten zu können.
Von Greifswald aus fahre ich noch an den Peenestrom und beende in
Wolgast den Radfahrtag. Nur noch etwas mehr als 40 km bis zur ersten
Landesgrenze der Baltikum Tour.
Wolgast, 162 km, total 442 km
4. Tag, 09.08.2016
Auf geht’s. Der erste Grenzübertritt der Tour wartet. Über die Treene
Klappbrücke gelande ich auf die Sonneninsel Usedom. So die Eigenwerbung.
In der Tat habe ich Glück mit dem Wetter. Auch hier stoße ich auf
radtouristische Infrastruktur. Diese ist jedoch eher auf die
Gelegenheitskurzstreckenradler ausgelegt. Als Reiseradler mit einigen
Kilometern vor der Brust, fühle ich mich manchmal genervt. Aber es ist
natürlich schon löblich, Rad- und Kraftfahrzeugverkehr voneinander zu
trennen.
Zu der Form von Tourismus kommt mir ‘Billigbudenzauber’ in den Sinn.
Leider finde ich kaum Gegenbeispiele, die dies entkräften könnten.
Hin und wieder gönne ich mir daher einen Blick auf das Meer. Das ist
wenigstens eine ehrliche Sache. Ich entdecke eine Skulptur und schieße
spontan ein Foto. Irgendwie finde ich das Motiv klasse. Bei der
Weiterfahrt sinniere ich über einen möglichen tieferen Sinn, bringe es
aber nicht auf den Punkt. Nun, bis zum Ende der Tour bieten sich mir ja
noch reichlich Gelegenheiten, dieser Frage auf den Grund zu gehen.
Der Grenzübertritt ist dann zwar unspektakulär, aber völlig rummelig.
Ich hätte auch ehrlich gesagt nicht gedacht, dass der Unterschied
zwischen dem östlichen Mecklenburg Vorpommern und Polen derart deutlich
ist. Ich bin froh Swinemünde hinter mir zu lassen.
Bei der Weiterfahrt sind die Straßen mal gut, mal besonders schlecht.
Aber in jedem Fall sind die polnischen Autofahrer sehr viel
rücksichtsvoller als die westlichen Nachbarn.
Ich werfe den ein oder anderen Blick in überfüllte Küstenorte und an nette Strände. In Trzebiatow steige ich für die Nacht ab.
127 km, total 569 km
5. Tag, 10.08.2016
Was für ein Tag! So einen Tag erlebt man wohl auch nur auf Touren.
Facetten- und erlebnisreich mit breiter Abdeckung des Spektrums.
Nach den gestrigen ersten, doch gewöhnungsbedürftigen Eindrücken, fühle ich mich nun einigermaßen angekommen. Das liegt ganz stark daran,
dass ich neben touristischen Hot Spots auch normale, gewachsene Orten
mit ihrem Alltagsleben erlebe. Und das vermittelt einen ganz anderen und
vor allem angenehmeren Eindruck. Besonders gut gefällt mir Kolberg mit
seinem Hafen.
Kolberg verfügt auch über eine ausgeprägte Fahrradinfrastruktur.
Überhaupt wird hier viel mehr Rad gefahren, als ich gedacht hätte. Im
Alltag, zu Sportzwecken und im Urlaub sowieso. Auch einer handvoll
Tourenradler begegne ich.
Meine Route führt mich so gut es geht an der Küste entlang. Von der
Radwegetrasse mit Flüsterasphalt bis hin zum Schotterweg ist alles
dabei. Etliche Kilometer Spurplattenweg, die mit den Längslöchern (fährt
sich fast wie Radengitterstein), rangieren dabei im Mittelfeld.
Teilweise starker Verkehr, wie auch Straßen, deren seitlicher Meter
quasi für Fahrräder nicht befahrbar ist, kosten enorm viel
Konzentration.
Gutgemeinte Radwege mit längs verlegten Pflastersteinen sind für 28 mm Reifen die Hölle. Die Reifen fädeln immer wieder in die Rillen ein, was
das Fahren enorm unangenehm macht.
Insgesamt bin ich mit dem etwas kühleren aber sonnigen Tag voll zufrieden und komme glücklich in Ustka an.
In einer ex sozialistischen Ferienanlage finde ich ein passables
Quartier. Mein Rad soll draußen vor der Tür bleiben. Mit auf das Zimmer
darf ich es nicht nehmen. Ja ne, ist klar. Ich suche und finde einen
Nebeneingang ins Haus. Mein Rad schläft heute Nacht neben meinem
Bett…smile.
Ustka, 152 km, total 721 km
6. Tag, 11.08.2016
Regen prasselt an die Fensterscheibe. Ein schwerer Wolkenbruch geht
nieder. Dennoch nehme ich das Ganze nur gedämpft, wie in Watte gepackt,
wahr. Ich schlafe schon fast und bin mir nicht einmal sicher, ob ich das
nicht vielleicht nur träume. Es ist auch egal. Ich kuschel mich noch
tiefer in die Bettdecke und dämmere endgültig weg.
Ganz und gar nicht egal ist es mir, als ich am Morgen von schwerem
Regen, der an die Fensterscheibe prasselt, geweckt werde. Es reicht ein
Auge zu öffnen, um den bedrohlich herbstlichen Himmel zu inspizieren. Na
toll!
Der Frühstückssaal und das Buffet versprühen den unzuleugnenden Charme
der sozialistischen Herberge. Aber die Auswahl ist handfest und vor
allem gut für hungrige Radler. Obwohl ich gut zulange, beschleicht mich
das Gefühl, von allen Anwesenden am wenigsten zu verputzen. Was durch
die figürlichen Umrisse allerdings mehr als bestätigt wird. Da ist nix
mit Arbeitern und Bauern. Hier regiert der postsozialistische Wohlstand.
Beim Start regnet es noch immer heftig. Ich kurbel noch etwas durch den
Ort und am Hafen entlang, gönne mir noch einen Kaffee und dann geht es
unweigerlich los. Unterwegs nass zu werden ist eine Sache, im Regen zu
starten eine andere…
Ich folge der geplanten Route und fahre quer durchs Land in die grobe
Richtung Danzig. Aufgrund der gestrigen Erfahrung mit den Straßen bin
ich sehr skeptisch. Denn ich habe mir ausschließlich kleinere
Landstraßen ausgesucht. Allerdings werde ich auf das Angenehmste
überrascht. Im Großen und Ganzen rollt es recht gut und auf den üblen
Abschnitten herrscht so wenig Verkehr, dass ich mühelos die Linie der
geringsten Erschütterungen fahren kann.
Ich bin sehr froh mit meinem fernreisetauglichen Pure Bros unterwegs zu
sein. Mein Randonneur wäre hier mit der super sportlichen Auslegung fehl
am Platz. 2 bis 3 cm mehr Radstand, erreicht durch einen längeren
Hinterbau und einen flacheren Gabelwinkel, wirken bei fast gleicher
Oberrohrlänge eben doch wahre Wunder.
Das Touren gefällt mir hier abseits der touristischen Bereiche sehr gut.
Felder und Wälder wechseln sich ab. Die Topographie ist leicht wellig.
Ich komme durch aufgeräumte Dörfer und schätze die kleinen Läden als
Versorgungsstationen.
Aufgrund des mehr oder weniger ständigen Regens beschließe ich in Lebork
(Lauenburg in Pommern) nach 85 km ein Quartier zu beziehen. Mit Stand
gestern Abend liege ich rund 1 ¾ Tag vor meinem Zeitplan und kann mir
somit heute eine Halbetappe gönnen. Es bleibt mir ein Plus von 1 ¼
Tag.
(Mit 111 km pro Tag erreiche ich meine Fähre nach Travemünde
rechtzeitig. Großartige Puffer sind in meiner Planung nicht enthalten.
In Estland könnte ich zur Not abkürzen und rund 160 km einsparen. Im
Grunde basiert mein Konzept darauf, an guten Tagen Puffer für die
schlechten Tage zu erkurbeln. Bei dem flachen Gelände sollte das klar
gehen. Die große und wirklich spannende Unbekannte bleibt jedoch der
Straßenzustand. Nun, wir werden sehen…)
Lebork/Lauenburg i. P., 85 km, total 806 km
7. Tag, 12.08.2016
Neben Radfahren ist hier Schlafen meine Hauptaktivität. Ich genieße jede
Nacht neun Stunden erholsamsten Schlaf. Das schaffe ich kaum im Alltag.
Als beim Frühstück am Tisch gegenüber ein weibliches Wesen im Nachthemd
und seidenen Morgenmantel mit einem Kaffee Platz nimmt, träume ich
jedoch nicht mehr. Vielleicht ist sie ja irgendwie auf Montage. Viele
Landsleute arbeiten ja auswärts.
Anschließend hole ich mein Rad aus dem Konferenzraum, rüste auf und ab
geht es. Die Route führt mich durch traumhafte Landschaften. Die
Topographie ist recht bewegt. In den Höhen durchfahre ich Wälder mit
kleinen Seen. In den unteren Lagen dominiert Agrarlandschaft mit
entsprechenden Dörfern. Mir gefällt das alles bestens. Die Straßen sind
super, bis auf ein paar Tropfen bleibt es trocken und der Westwind
unterstützt noch immer. Noch nie bin ich fast eintausend Kilometer mit
Rückenwind gefahren.
Die Peripherie von Danzig begrüßt mit dem angenehmen Hinweis, die
Autofahrer mögen einen Meter Abstand zu Radfahrern halten. Was sie auch
ausnahmslos tun. Leider habe ich meinen Hut vergessen. Danzig Downtown
überrascht mit einer ausgezeichneten Radinfrastruktur. Völlig stressfrei
gelange ich in die Altstadt. Und auch wieder heraus. Die Altstadt von
Danzig ist außerordentlich. Zum richtigen Genießen ist es jedoch
deutlich zu überlaufen. Ich cruise etwas herum und finde ein ruhiges
Café.
Ich möchte mir für morgen noch eine gute Ausgangsposition sichern. Der
Vormittag war super und läßt sich mit Sicherheit nicht toppen. Daher
versuche ich es auch gar nicht und halte es pragmatisch. Anstatt im
Delta der Weichsel im Zickzack um irgendwelche Entwässerungsgräben zu
kurven, donner ich Kette rechts und im Lenkeruntergriff auf der
Nationalstraße 7 entlang. Die Geschwindigkeit pendelt sich zwischen 27
und 29 km/h ein. Das ist auch gut so, denn im Grunde gibt es dort
nichts. Selbst dem Garmin wird langweilig und anstatt Ortschaften vorab
zu melden, ist sein einziger Kommentar “Fährt südostwärts”.
Elblag (Elbing) wird mein Tagesziel und überrascht mich mit einer
schönen Innenstadt nach historischem Vorbild. Mein treues Rad schläft
wieder neben dem Bett.
Es sind noch etwa 60 Kilometer zur russischen Exklave Kaliningrad. Ich muss zugeben, die Spannung steigt enorm…
Elblag, 141 km, total 947 km
8. Tag, 13.08.2016
Es wird ein Tag mit Regen. So viel ist sicher. Der Blick in den Himmel
scheint den Wetterbericht zu bestätigen. Doch was ist auf so einer Tour
schon wirklich sicher? So ziehe ich die für den Start angelegte
Regenjacke wieder aus und wechsle zur Windweste, die mir bei dem
leichten Nieselregen als Schutz genügt.
Die Route führt am Rande eines Nationalparks entlang, dessen Namen ich
weder aussprechen noch schreiben kann, ohne irgendwelche Verknotungen zu
riskieren. Es sind auch ein paar Höhenmeter zu bewältigen. Rechts von
mir ist dichter Wald und nach links blickend, sehe ich bereits das Haff,
welches bis Kaliningrad reicht.
In Frombork an diesem Haff investiere ich mein restliches polnisches
Münzgeld in Illy Kaffee. Eine gute Investition. Und eine gute Pause.
Innerhalb kürzester Zeit treffe ich insgesamt fünf Tourenradler. Ortlieb
Packtaschen sind quasi das D-Schild der Tourenradler. So komme ich mit
einem Berliner Paar ins Gespräch. Sie sind ebenfalls auf dem Weg nach
Norden und fiebern auch dem Grenzübertritt entgegen.
Die Sonne kommt heraus und nach wenigen Kilometern erreiche ich den
Grenzübergang. Bis auf eine handvoll Pkw gibt es nicht viel
abzufertigen. Vielleicht auch deshalb verfolgen die Grenzer ihren Job
extrem akribisch. Es hat definitiv etwas Respekt einflößendes und sollte
äußerst ernst genommen werden. Ich muss zugeben, dass die Grenzer auf
mich bedrohlich, wie Vergessene aus dem kalten Krieg, wirken.
Nach diversen Schlagbäumen und verschieden Uniformierten bin ich mit der
Pass Prozedur durch und glaube einreisen zu können. Aber-Überraschung!
Eine sehr streng schauende Grenzerin verlangt die Öffnung einer
Packtasche. Oh nein! Sie weist ausgerechnet auf die rechte Tasche, die
Werkzeug, Ersatzteile und technischen Kram enthält. Ich erinnere mich an
die letztjährigen Komplikationen am Istanbuler Flughafen und rechne mit
dem Schlimmsten. Also packe ich ruhig aus und erläutere jeden
Gegenstand wie bei der Sendung mit der Maus. Ich bin ziemlich sicher,
dass sie das Zeugs überhaupt nicht interessiert, sondern sie mich
einfach etwas provozieren und testen will. Da ich mich völlig
unbeeindruckt zeige, kann ich nach dem vierten Teil wieder einpacken. -
Ich bin drin.
Russland empfängt mich freundlich. Die Straßen sind top. Fahrzeug und
Fahrweise haben deutlich Luft nach oben. Aber zum Glück sind die Straßen
breit genug. Mit den Menschen werde ich auf Anhieb warm.
Glücklicherweise ist es Samstag Nachmittag. Somit gelange ich entspannt
über mehrspurige Ausfallstraßen in die Stadt Kaliningrad. Wochentags ist
das bestimmt ein anderer Schnack. Seit der Grenze navigiere ich hybrid,
halb GPS und halb Old School. Herr Garmin kennt hier keine
Kartengrundlage. Somit folge ich meinem geplanten Track auf weißem
Untergrund. Eine vorher nicht bekannte Unterkunft aufzusuchen, erfordert
schon eine gewisse Kreativität.
Bereits am frühen Nachmittag bin ich geduscht und stadtfein. Kaliningrad
hat viele Gesichter und die Stadt beginnt mich zu faszinieren. Die
Sonne scheint, Menschen flanieren über ihre Lieblingswege durch Parks
und an Stadtkanälen entlang. Und sie haben sich dazu schick angezogen.
Welch wunderbarer Kontrast zu dem “Bierbauch-Hemd über
Dreiviertelhose-Outdoorsandalen mit Socken” - Bild, das sich mir von
der deutschen und polnischen Ostseeküste so eingebrannt hat.
Kaliningrad, 111 km, total 1.058 km
9. Tag, 14.08.2016
Mich hat der Gedanke gelockt, einen Tag in Kaliningrad zu verweilen.
Aber einerseits ist mein Zeitplan etwas knapp und andererseits finde ich
den Gedanken mich zur morgendlichen Hauptverkehrszeit aus Kaliningrad
heraus zu ackern wenig erquickend.
So nutze ich die morgendliche sonntägliche Ruhe, um aus der Stadt heraus
zu kommen. Und auch das hat seinen eigenen Reiz. Der Stadt beim
Erwachen zuzuschauen. Die Stadt in der russischen Exklave tickt nicht
viel anders als westliche Großstädte. Hundebesitzer führen ihre
Vierbeiner Gassi, sportlich gestylte Menschen joggen in Parkanlagen,
alte Frauen nehmen den beschwerlichen Weg zur Kirche auf sich.
Deutlich leichter als erwartet gelange ich mit meiner speziellen
Navigation in die Peripherie der Stadt. Manche Ausfallstraßen weisen
sogar Radwege auf. Mir begegnen zu der frühen Stunden, trotz des
wechselhaften Wetters, auch einge Rennradler. Die im Übrigen ebenso auf
der Straße fahren, wie ich auch. Es rollt dort einfach besser und es
herrscht kaum Verkehr. Und alle grüßen freundlich, was mir in Polen
niemals passiert ist.
Quietschvergnügt über das problemlose Vorankommen steuer ich auf die
Kurische Nehrung zu. Und es kommt, wie es kommen muss. Irgendwann geht
die Nationalstraße in eine Autobahn über und kein Verkehrsplaner hat an
die Radfahrer gedacht. Noch bevor ich meine Optionen durchdenken kann,
entdecke ich einen Rennradfahrer auf der Autobahn. Er kommt in meine
Richtung. Ich wechsel schnell die Seite, um ihn abfangen zu können.
Radfahrer kennen keine sprachlichen Barrieren und schnell ist mein
Problem erläutert. Gelassen deutet er mir an, es gäbe keine Alternative
und ich solle einfach bis zur nächsten Abfahrt die Autobahn benutzen.
Na dann ist es eben so. Wir schießen noch ein Selfie und wünschen uns
einen guten Weg. Ich habe ja eh ein Faible für Radeln auf Autobahnen und
muss schmunzelnd an Tirana in Albanien denken (Transcontinental Race
2015).
In Zelenogradsk bekomme ich den garantiert besten Kuchen der ganzen Tour
serviert. Was Elena, das Café ihrer Mutter und der Song “Wind of
change” (ich glaube von den Scorpions) damit zu tun haben, würde hier zu
weit führen. Erst über eine Stunde nach dem ersten Kaffee breche ich
dann doch auf. Zum Glück ist es draußen kühl und windig. Denn dadurch
realisiere ich nach rund einhundert Metern, dass Helm und Kappe noch im
Café liegen.
Die Kurische Nehrung mit rund 100 km wildem Sandstrand beeindruckt mich
sehr. Ein steifer Westwind lässt die Brandung auf den Strand rollen und
das gewaltige Rauschen begleitet mich während der gesamten Passage.
Auf etwa der Hälfte der Strecke steht der Grenzübertritt nach Litauen
an. Mein Fahrtag verkürzt sich ad hoc um 1 ½ Stunden. Trotz dreisten Vordrängelns an den Autos vorbei, schaue ich mir über eine halbe Stunde
lang verschiedene Schlagbäume an, vor denen ich warten muss.
Mit der erfolgreichen Einreise nach Litauen darf ich dann umgehend meine
Uhr eine Stunde vorstellen. Ich befinde mich in der Zeitzone der
osteuropäischen Sommerzeit (UTC + 3 Stunden). Die Pause in Nida mit dem
skandinavisch baltischem Charme ist absolut nett. Im Anschluss geht es
dann forsch nach Klaipeda. Schließlich schreitet die Zeit weiter voran.
Der Radweg ist übrigens total empfehlenswert. Es rollt nicht viel
schlechter als auf der Straße und ich werde von der Straße weggeleitet
und fahre direkt am Dünengürtel entlang. Ein paar Schritte die Dünen
hinauf und ich kann auf das Meer schauen. Ein Traum!
Klaipeda, 147 km, total 1.205 km
10. Tag, 15.08.2016
Eine neue Erfahrung! Also nicht ganz neu, aber neu für diese Tour.
Gegenwind! Und zwar nicht zu knapp. Nachdem ich mit Rückenwind bis nach
Kaliningrad gekommen bin, wendet sich das Blatt nun.
Anfangs schützen mich noch Bäume und der Dünengürtel. Denn ich bin, ohne
es bewusst geplant zu haben, auf der Route eines Fernradweges
unterwegs. Und diese führt mich von Klaipeda über rund 40 km fast bis an
die Grenze zu Lettland. Mit einer hervorragende Oberfläche schlängelt
sich der Weg fernab von Straßen direkt an der Küste entlang. Ein
absolutes Highlight. Immer wieder nutze ich die Chance für einen Moment
am Wasser zu verweilen und auf’s Meer zu schauen. Auch deswegen bin ich
hier.
Die letzten Kilometer zur Grenze offenbaren, was die Straßenkarte
gestern am Abend schon angedeutet hat. Lange Geraden und quasi keine
Ortschaften. Auf rund 60 km! Bei Starkwind von vorne links. Zum Glück
fahre ich so etwas nicht zum ersten Mal.
Ich greife den Lenker tief, mache mich klein und versuche so dem Wind zu
trotzen. Da muss man dann eben für zweieinhalb Stunden mal durch. Zu
sehen gibt es nichts mehr aufregendes. Wald, Heide und Wiese im Wechsel.
Ich stelle den Garmin Navigator so ein, dass ich die nächsten 60 km in
dem Minidisplay komplett überblicken kann und schalte auf Autopilot.
Ein Auge für die Straße und eins nach innen gewandt für Gedanken.
Gedanken, die liegen geblieben sind, weil im Alltag mal wieder nicht
genug Zeit dafür war. Gerade auf solchen Streckenabschnitten genieße ich
die (für mich) kontemplative Seite des Radfahrens.
Kurz vor Nica (etwa ¾ der Strecke) realisiere ich, dass die
Häuseransammlung groß genug für einen Krämerladen sein könnte. In der
Tat stoße ich erfreut auf einen Laden. Und auf ein Radlerpaar aus Ulm.
Das Hallo ist groß und wir freuen uns nach den einsamen Kilometern erst
recht über einen Austausch.
Die beiden sind etwa in meinem Alter und haben vor erst zwei Jahren das
Radreisen entdeckt. Damit es leistungsmäßig zusammenpaßt, fährt sie ein
E-Bike. Sie sind auf Usedom gestartet und fahren bis nach Vilnius.
Größtenteils sind wir die selbe Route gefahren. In Kaliningrad haben wir
sogar im selben Hotel genächtigt (an verschiedenen Tagen). Es ist total
interessant, wie unterschiedlich unsere Wahrnehmungen und Erfahrungen
dennoch sind.
Den beiden gebührt mein voller Respekt! Ich finde es total super, wie
die beiden unterwegs sind. Wer etwas will, findet eben Wege.
Auf dem Weg nach Liepaja erwischt mich dann noch ein formidables
Unwetter. Natürlich gibt es hier keinerlei Unterstellmöglichkeiten. So
einen Starkregen habe ich auf der ganzen Tour noch nicht erlebt. Und der
gestrige Vormittag war schon nicht wirklich trocken. Westlich von mir
zieht der Rüssel einer Windhose seine Bahn. Ich behalte die Sache im
Auge, halte sie jedoch von der Zugrichtung her für unkritisch.
Ursprünglich wollte ich 50 km weiter fahren, wo es die nächsten
Übernachtungsmöglichkeiten gibt. Angesichts des Wetters lasse ich es
jedoch für heute gut sein. Immerhin gelingt es mir nachmittags zwischen
zwei Wetterfronten den netten Ort zu erkunden. Eine überschaubare Stadt
mit Straßenbahn, Holzhäusern einer kleinen Universität und vielen jungen
Leuten.
Liepaja, 105 km, 1.310 km
11. Tag, 16.08.2016
Herzlich willkommen in Liepaja! Liepaja ist die Stadt der Winde…- so
die Touristik Broschüre. Und was soll ich sagen? Stimmt! Und zwar die
Stadt der nördlichen Winde. Der 6 bis 7 Beaufort starken Winde um genau
zu sein. Das Ganze wird zur Frühstückszeit von schweren Regenfällen
begleitet. Das Wetter wird zwei bis drei Tage Bestand haben und vor mir
liegen 200 Kilometer eines eher ausgedünnten Küstenabschnittes.
Ortschaften sind selten, Übernachtungsmöglichkeiten mit festem Dach über
dem Kopf noch seltener. Ich entscheide mich für einen Pausentag. Nach
10 Tagen im Sattel und 1.310 zurückliegenden Kilometern kann ich das gut
mal haben.
Liepaja/Liebau ist seit über 750 Jahren besiedelt und gegenwärtig leben,
arbeiten und studieren hier rund 70.000 Menschen. Mit der netten
Innenstadt kommt mir die Stadt allerdings sehr viel kleiner vor.
Speichergebäude, Holzhäuser und Jugendstilarchitektur prägen das
Stadtbild.
Mit dem Eisenbahnabschluss von 1869 entwickelte sich Liebau zu einem
bedeutenden Industriezentrum. 1899 wurde die erste elektrische
Straßenbahn des Baltikums in Betrieb genommen. Der Orts- und
Hafenbereich Karosta wurde zu einer großen Flottenbasis ausgebaut.
Zwischen 1906 und 1914 gab es direkten Schiffsverkehr nach New York und
mehrere hunderttausend Auswanderer nutzten diesen Hafen.
Unter sowjetischer Führung wurden zwischen 1945 und 1990 Industrie- und
Fischereibetriebe eingerichtet. 1974 hatte Liebau rund 100.000
Einwohner. Mehr als die Hälfte waren aus Russland angeworbene
Arbeiterfamilien. Seit 1995 erblüht die Wirtschaft wieder. Schwerpunkte
sind Stahlwaren, Möbel, Textilien und ein wachsender
Dienstleistungssektor.
Ich bin gestern (für 35,-Euro) im Fontaine Hotel Royal abgestiegen und
verlängere meinen Aufenthalt um eine Nacht. Das Haus liegt an der
beliebten Hafenpromenade. Zu Sowjetzeiten war dies ein gesperrter
Bereich. Nun siedeln sich hier Gastronomie-, Hotelbetriebe, Musik Clubs
und Szenetreffs an. Der Kontrast zwischen alter Industrie-
/Hafenumgebung und aufstrebender Eleganz sorgt für einen charaktervollen
Charme.
Mit Spazierpassagen zwischen den Schauern, Caféaufenthalten, Leute
gucken und das Treiben der Stadt verfolgen, verbringe ich den Vormittag.
Für den Nachmittag nehme ich mir den Besuch der hauseigenen Sauna vor.
Draußen ist es eh mehr Herbst als Sommer. Alles in allem hätte ich es
heute schlechter treffen können…smile.
12. Tag, 17.08.2016
Der Plan sah Nieselregen vor. Wieso der Plan? Die gestrige Überlegung zu
dem Pausentag basierte auf der Abwägung, Starkwind von vorne,
stürmische Böen und sintflutartige Regenschauer (gestern) gegen
Dauerniesel und mäßigen Gegenwind einzutauschen. Also die Front
durchziehen zu lassen, um anschließend im Warmluftsektor zu fahren.
Bis zum Frühstück geht die Rechnung auf. Just zum Start regnet es
richtig stark. Egal. Kette noch einmal schmieren und los. Nach zehn
Minuten ist der Zauber zum Glück vorbei. Es bleibt eine Weile trocken,
bis dann Nieselregen einsetzt. Dieser hält den ganzen Tag an und wird
zwischenzeitlich durch normalen Regen verstärkt, welcher allerdings nie
länger als eine Viertelstunde anhält.
Das Radfahren ist heute durch ganz viel geradeaus geprägt. Die
Straßenqualität reicht von Flüsterasphalt (wahrscheinlich EU Ruhezonen
konform) über Brüllasphalt (festgefahrener Splitt, Mindestgröße 15 mm)
bis hin zu Naturstraßen. Und alle denkbaren Zwischenstufen. Interessant
sind auch Flickenasphaltdecken oder Spurrinnen, so tief, dass man mit
der Kurbel Bodenkontakt bekäme. Zudem stehen die Rinnen derart voll
Wasser, dass Lkw-Reifen Wasserfontänen von eineinhalbfacher Lkw-Höhe
produzieren. Heute ist also nichts mit Autopilot. Höchste Konzentration
ist angesagt. Obwohl es nur geradeaus geht.
Ausgerechnet auf einer der Naturstraßen kommen zwei Hunde bellend auf
mich zu. Zum Glück kommen sie von vorne und nicht aus dem Hinterhalt,
wie letztes Jahr auf dem Balkan. Jedenfalls sehen die beiden Burschen
schon aus der Ferne mächtig groß aus. Ich fahre halb ins seitliche Grün,
stoppe mein Rad, greife mein Messer und schneide mir aus einer Art
Weidebusch einen elastischen Zweig. Mit einem Auge taxiere ich permanent
den geringer werdenden Abstand der beiden Hunde. Es bleibt mir genügend
Zeit schnell noch ein paar kleine Zweige zu entfernen. Dann kehre ich
auf die Straße zurück und positioniere mich so, dass ich mein Fahrrad
zum Schutz vor mir habe. Ich halte es mit der linken Hand. In der
rechten Hand führe ich den Zweig.
Dann sind die Tölen auch schon bei mir. Trifft man auf einen Hund,
funktioniert das mit dem Rad als Barriere hervorragend. Bei zweien ist
es natürlich schwerer. Ich beobachte die Viecher ganz genau, um ihre
Absichten einschätzen zu können. Richtig freundlich wirken sie beide
nicht. Dennoch scheint einer eher neugierig zu sein, während der andere
aggressiv die Zähne fletscht. Also halte ich diesen mit dem Rad auf
Abstand. Der eine Köter ist weiß und der andere schwarz. Witziger Weise
ist der Schwarze der Aggressive.
Ich versuche ihm verständlich zu machen, dass ich ihn mit dem Geruch
eines meiner Überschuhe betäuben werde, wenn er nicht abzieht. Entweder
versteht er es nicht richtig oder eben doch. Jedenfalls wird er immer
aggressiver und aufdringlicher. Ich schaue ihm ganz tief in die Augen,
was ihn natürlich noch wilder macht. Aber auch unaufmerksamer. Er
versucht sich noch zu ducken, als er (für ihn) viel zu spät merkt, dass
der Peitschenhieb auf ihn nieder geht. Es nützt ihm jedoch nichts. Ich
lande einen kapitalen Volltreffer. Der Hund tut mir fast schon ein
bisschen leid, so wie er jault. Aber wir sind hier ja nicht in der
esoterischen Hundeschule, sondern auf der Straße. Und da gelten eigene
Gesetze. So schnell wie sie erschienen sind, verschwinden sie nach dem
Zwischenfall auch wieder. Der weiße Hund schwanzwedelnd, der andere mit
eingeklemmten Schwanz. Manchmal ist das Leben eben doch schwarz und
weiß.
Warum ich das in epischer Breite beschreibe? Nun, einerseits war es der
Aufreger des Tages und andererseits möchte ich dazu sensibilisieren,
dass sich Radtourenfahrer mit dem Thema auseinandersetzen und sich VOR
Touren überlegen, wie sie solchen Situationen begegnen. Gerade derart
abseits wie heute, sollte man sich darüber im Klaren sein, dass so eine
Situation auch ganz leicht kippen kann.
Die Situation ist allerdings in keinster Weise typisch für das Baltikum
und kann wohl eher als Ausnahme betrachtet werden. Ich hatte hier bisher
jedenfalls keine erwähnenswerten Begegnungen mit Hunden.
Ansonsten geht es eben weiter geradeaus durch den Nieselregen. Ich
rechne auf der gesamten Strecke nicht wirklich mit
Versorgungsmöglichkeiten. Kurz vor dem Abzweiger nach Pävilosta lege ich
mich darauf fest, zu versuchen dort ein Käffchen zu ergattern, sofern
die Straße dorthin asphaltiert ist. Andernfalls hätte ich mich mit einem
Energieriegel und einem Schluck aus der Flasche begnügt. Immerhin sind
es drei Kilometer zu dem kleinen Hafenort. Und die sind jeden Meter
wert. Denn in dem grauen Ort, bei diesem grauen Wetter, funkelt mich ein
rotes illy-Schild an.
In einem verblüffend stylischem Café servieren junge Leute einen sehr ordentlichen Kaffee. (Und Kuchen…)
Damit ist der Tag gerettet und es kann anschließend weiter nach Ventspils gehen.
Dichte
Nebelschwaden wabern durch die dunkle Baumallee. Die Straße
steigt leicht an. Ich versuche möglichst locker im Sattel zu sitzen
und rund zu pedalieren. Es ist mitten in der Nacht, etwa 01:30 Uhr.
Dieser dichte Nebel macht die Sache nicht einfacher. Selbst bei
klarer Sicht schirmt das grüne Blätterdach die Straße so gut ab,
dass das Mondlicht kaum eine Chance hat die brüchige und vielfach
geflickte Asphaltdecke zu erreichen. Konzentriert folgen die Augen
dem Lichtkegel der Lampe. Wassertropfen des nässenden Nebels sammeln
sich an Augenbrauen und Wimpern. Akribisch suchen die Augen die
ideale Linie. Und sie ist keineswegs die kürzeste Verbindung. Leicht
mäandrierend gilt es auf einigermaßen fahrbarem Grund zu bleiben
und die gröbsten Stellen des Flickenteppichs zu umfahren. Die Straße
steigt weiter an. Ich horche in mich hinein, ob ich den Schaltpunkt
halten kann wie zuvor oder ob ich früher schalten muss. Ja, es geht
noch. Es ist nur ein Detail, aber es polstert das Selbstbewusstsein.
Das tut nach über 370 Kilometern richtig gut. Denn die Hauptfrage
ist nicht, wie viele Kilometer hinter mir liegen, sondern wie viele
noch vor mir liegen, bis die Uhr nach 24 Stunden gnadenlos stoppt.
Bei der Steigung von Runden-Kilometer 15 handelt es sich eigentlich
um läppische 50 Höhenmeter. Eigentlich. – Denn das Fahrerfeld ist
geschlossen der Meinung, dass die Höhenmeter von Runde zu Runde
zunehmen. Uneinigkeit herrscht lediglich darüber, wie die
Waldwichtel dies bewerkstelligen. Die Vermutungen gehen von einfachem
Schaufeln bis hin zu komplexen hydraulischen Mechanismen. Und die
Sache ist ernst zu nehmen.
Denn das
Fahrerfeld besteht aus über 170 zum Teil sehr erfahrenen
Langstreckenradlern. Einmal jährlich rotten sie sich im nördlichen
Schleswig-Holstein zusammen und messen sich beim 24 Stunden Rennen
der RSG Nortorf. Gefahren wir auf einer Rundstrecke von 27,87
Kilometer Länge. Start und Ziel, und somit auch das
Verpflegungsdepot, liegen in Nortorf. Auf einem nahezu gleichseitigen
Dreieckskurs geht es über Aukrug und Oldenhütten wieder nach
Nortorf. Das Reglement ist denkbar einfach. Innerhalb von 24 Stunden
müssen so viele Runden wie möglich absolviert werden. Gewertet
werden nur vollständig gefahrene Runden. Im Start-, Zielbereich
befindet sich eine Kontaktschleife für die Registrierung der Runden
und Zeiten per Transponder. Zwei großformatige Anzeigen geben den
Fahrern die wichtige Information über die Uhrzeit und vor allem über
die Restfahrzeit. Diese Uhr läuft von 24:00:00 unerbittlich runter
auf Null. Pro Runde sind insgesamt 152 Meter Anstieg zu fahren. Das
ist keine große Nummer und daraufhin wird der Kurs von manchem
Fahrer belächelt. Und unterschätzt. Denn der eigentliche Gegner
ist, neben der Uhr, der Wind. Wir befinden uns hier im Land zwischen
den Meeren. Eine aerodynamisch saubere Position (wie im
Lenkeruntergriff) bringt da mehr als ein Kilogramm Gewichtseinsparung
beim Rad.
Das
diesjährige Rennen gehe ich mit einem festen Ziel an. 2015 war
ich nicht am Start, da der Termin nicht zu meiner Teilnahme am
Transcontinental Race passte. In 2014 gelangen mir 19 Runden. Damit
steht das Ziel für 2016 fest. – 20 Runden. 20 mal 27,87 Kilometer.
557,40 Kilometer in 24 Stunden.
Der Zählschritt
von 19 zu 20 ‚verniedlicht‘ die Sachlage erheblich. Faktisch
bedeutet es, in 24 Stunden 27,87 zusätzliche Kilometer zu
absolvieren. Dazu ist eine wohlüberlegte Taktik sehr hilfreich. So
sah mein Basisszenario insgesamt zwei Stunden Pausenzeit vor. Das
heißt, die Weg-Zeit Betrachtungen sind auf eine Nettofahrzeit von 22
Stunden ausgelegt. Was bedeutet dies konkret? Zunächst sind für das
Ziel von 20 Runden, pro Stunde 1,27 Kilometer mehr zu absolvieren
(gegenüber 19 Runden). Klingt wenig, ist es aber nicht. Für die
einzelne Runde ergibt sich eine maximale Fahrzeit von 1:06 (1 Std 6
min). Das entspricht einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 25,3
Km/h. Klingt auch nicht viel, will aber über die Gesamtzeit erst
einmal gehalten werden.
Und was unbedingt
bewusst sein sollte, jede Verlängerung der Pausenzeit ist mit einer
höheren Geschwindigkeit zu bezahlen. Eine halbe Stunde mehr Pause
erhöht die erforderliche Geschwindigkeit auf 25,9 km/h, eine Stunde
mehr Pause auf 26,5 km/h. Einmal auf der Piste heißt es also
Disziplin, Kopfrechnen und keinen Plattfuß…
Am Morgen des
16. Juni ist es dann soweit. Die Teilnehmer trudeln ein und
bereiten ihre Räder vor. Es wird noch gepumpt und geschraubt.
Transponder werden in ihre Position gebracht. Mit sichtlicher
Irritation beobachten zwei Carbon-Piloten, wie ich meinen
Glücksbringer montiere. Ich lächle sie freundlich an, worauf sie
sich etwas ertappt fühlen, und setze die Arbeit mit der
Selbstverständlichkeit fort, mit der man sonst seine Trinkflasche in
den Halter schiebt. Natürlich ist es selbstverständlich, dass mein
Schlumpf mit auf Tour geht. Schließlich begleitet er mich seit 1984
auf Touren und Events, und hat schon etwas von der Welt gesehen.
Außerdem ist an meinem Pure Bros extra ein adäquater
Schlumpfhalter montiert.
Wir Fahrer
sammeln uns für das Briefing auf den Rädern an der Startlinie.
Obwohl hier nicht wenige Routiniers stehen, zupft wohl jeder
(unbewusst) noch einmal das Trikot zurecht, justiert zum dritten Mal
den Kinnriemen vom Helm oder verändert zum fünften Mal die
Einstellung der Schuhverschlüsse, um genau in der Anfangseinstellung
zu landen.
Der Startum 10:00 ist dann fast eine Erleichterung. Neutralisiert geht
es im Verband bis an den Ortsrand von Nortorf und dann ist das Rennen
frei. Wie immer wird von Anfang an ordentlich Dampf gemacht. Das ist
Chance und Risiko zugleich. Natürlich ist es nett, mittels einer
Gruppe die Windarbeit deutlich zu reduzieren. Das ist jedoch völlig
wertlos, wenn man sich gleich zu Anfang verzockt und dicke Beine
bekommt. Schließlich haben wir eine respektable Distanz vor uns.
Meine Taktik (und Stärke) beruht auf ausgeprägter Gleichmäßigkeit
und eher kurzen Pausen. Grundsätzlich takte ich meinen Rhythmus
dergestalt, dass ich solo über die Gesamtdistanz fahren kann.
Ich bleibe
verhalten und finde eine Gruppe, die passt. Die zunächst passt. Denn
bereits nach der ersten Runde fällt das kleine Peloton auseinander,
da einige Fahrer das Depot ansteuern. Meine Taktik sieht nur alle
vier Runden eine Pause vor. Außer zum ganz kurzen Auffüllen der
Trinkflasche stoppe ich also nur alle 111 Kilometer. Grob sehe ich
einen Pausentakt von jeweils 15 / 30 / 15 / 30 …Minuten vor.
Wohlwissend, dass der Pausenbedarf bei schlechtem Wetter und in der
Nacht höher ist. Das Wetter spielt mit. Die Temperaturen sind in
Ordnung und der Wind weht mit nur 3 Beaufort aus westlichen
Richtungen.
Trotz der
Zurückhaltung fällt die erste Runde mit einer Fahrzeit von
deutlich unter einer Stunde flott aus und kann natürlich keineswegs
zu Hochrechnungen herangezogen werden. Insgesamt läuft es auf den
folgenden Runden aber auch nicht schlecht. Jede Runde liegt deutlich
unter 1:06. Anfangs bin ich etwas skeptisch, ob ich vielleicht über
meine Verhältnisse fahre, aber es fühlt sich alles rund und
ausgeglichen an. Und so lasse ich es dann einfach weiter laufen. Jede
eingesparte Minute gibt mir etwas mehr Luft für Pausen in der Nacht.
Oder für Plattfüße! Am frühen Nachmittag erwischt es mich dann
auch. Ein scharfes Stück Splitt in der Form eines Minifaustkeils
durchstößt den Pannenschutz meines Hinterreifens. Der Schlauch ist
schnell gewechselt. Bei der Weiterfahrt rede ich mir dann ein, dass
ich damit statistisch betrachtet ohne Plattfuß durch die Nacht
kommen sollte. Ich lasse es weiter mit der eingependelten
Geschwindigkeit laufen. Hin und wieder finde ich Gruppenanschluss.
Die überwiegende Zeit kurbel ich allerdings solo. Interessanter
Weise überholen mich immer wieder die gleichen Gruppen (ohne mich
dabei zu überrunden). Sie machen eben längere Pausen. Ich bleibe
bei meiner bewährten Fahrweise. Einen Geschwindigkeitsmesser fahre
ich übrigens nicht. Mir reichen die Armbanduhr und die Anzeige im
Start-, Zielbereich.
Nachdem es schon
eine ganze Weile nieselt, dreht der Wind am Nachmittag auf Südwest,
frischt auf und sorgt ab 16:00 für gut zwei Stunden Regen. Das ist
nun nicht toll, aber auch nicht wirklich schlimm, denn der Regen ist
eher warm. Zögerlich klart es auf. Der Wind geht auf West und nimmt
an Stärke etwas zu. Wir Fahrer hoffen auf eine trockene Nacht.
Die 10.Runde
lege ich in 1:00 zurück und gönne mir zum Bergfest eine
ordentliche Pause und reichlich Kohlehydrate. Die freundliche Uhr im
Start-, Zielbereich attestiert mir eine Restfahrzeit von 12:59:88. Es
ist aktuell 21:00 Uhr. Somit habe ich für die ersten 278,7 Kilometer
ziemlich genau 11 Stunden benötigt. Und zwar inklusive der Pausen.
Die Durchschnittsgeschwindigkeit lag demnach bei etwas über 27 km/h.
Damit bin ich super zufrieden und genieße die Erholung. Aber
abgerechnet wird zum Schluss. Vor mir liegt die Nacht. Und noch
einmal 278,7 Kilometer!
Auf in den
Sattel. Wie es scheint liegt eine klare Nacht mit einem fast vollen
Mond vor uns. Der Wind hat sich wieder beruhigt. Nicht die
schlechtesten Voraussetzungen. Runde 11 und 12 (1:02) laufen
ebenfalls richtig gut. Während der beiden Runden denke ich über den
weiteren Pausentakt nach. Vier Runden zu fahren hieße nun bis nach
02:15 Uhr durchzukurbeln, also voll ins biologische Tief zu fahren.
Da ich gut in der Zeit bin, beschließe ich nach der 12. Runde eine
extra Pause einzulegen, um dann gestärkt die unangenehme Zeit bis
zum Morgengrauen anzugehen.
Die
Verpflegung ist großartig und der RSG Nortorf mit ihren vielen
engagierten Helfern gebührt ein großes Lob. Bei dieser Pause bin
ich zeitlich nicht ganz so diszipliniert. Aber vermutlich nimmt sich
der Körper instinktiv, was er braucht. Als ich wieder auf das Rad
steige, ist es bereits Mitternacht. Es sind noch acht Runden zu
fahren und die Restfahrzeit beträgt exakt 10 Stunden. Das sollte
lösbar sein.
Aber jetzt kommt
die schlimmste Zeit eines 24 Stunden-Rennens. Die Zeit, zu der
der Körper sehr viel lieber Schlafen als Radfahren möchte. Das
bekomme ich auch deutlich zu spüren. Die 13. Runde absolviere ich in
1:13. Die schlechteste Runde meines bisherigen Rennens. Das rüttelt
mich ordentlich wach. Sofort springt der Kopfrechner an und prüft
die Möglichkeiten. Noch ist es nicht verloren. Die nächsten 7
Runden müssen eben sehr konzentriert gefahren werden. Vor allem die
nächsten drei, bis zum Morgengrauen. Wie während des gesamten
Rennens, kalkuliere ich ausschließlich mit Runden. Andernfalls
müsste ich mir nun sagen – Okay. Es ist 01:13 Uhr, Du hast 362
Kilometer in den Beinen und fährst dann mal die nächsten 195
Kilometer schön konzentriert. Eine wenig erbauliche Vorstellung.
Nein, die Rundenbetrachtung macht die Sache mental deutlich
handlicher.
In der 14.
Runde finde ich mich dann im dicksten Nebel wieder. In der Höhe
eines Begrenzungspfahls lassen sich die Reflektoren des nächsten
mehr erahnen als wahrnehmen. Die Sichtweite liegt unter 50 Meter.
Die Straße auf diesem Abschnitt ist eine echte Prüfung. Und das
sind die Bedingungen, unter denen ich keine Zeit verlieren will. Die
äußeren Umstände erfordern nun eine starke innere Haltung. Ich bin
froh, in der Anfangsphase nicht unnötig Körner vergeudet zu haben.
Ich versuche meine Kraft und Energie möglichst dosiert und
gleichmäßig auf die Pedale zu bringen und drehe so meine Runden
durch die feuchte, nebelige Nacht. Nach der 15. Runde gibt es ein
Käffchen und Herzhaftes vom Buffet. Noch 5 Runden (139 Kilometer).
Mit der aufgehenden Sonne schwindet irgendwann der Nebel und die
Lebensgeister laufen zu neuer Form auf.
Nach 18 Runden
zeigt die Uhr eine Restfahrzeit von 2:25 an. Daran ist zu
erkennen, dass die zweite Nachthälfte etwas Performance gekostet
hat. Aber das Zeitkontingent ist nicht das schlechteste. Da ich mir
nun nach etwas über 500 Kilometern mein 20-Runden-Ziel nicht durch
einen Plattfuß vereiteln lassen möchte, forciere ich die seit zwei
Runden eh wieder besser werdenden Rundenzeiten weiter. Konsequent
greife ich den Lenker in der unteren Position. Die 19. Runde
absolviere ich in 1:06. Somit bleiben mir für die letzte Runde 1:19.
Das würde sogar noch für einen Schlauchwechsel im Falle eines
Plattfußes reichen. Das Ziel ist nun zum Greifen nah. Nach über 529
Kilometern fahre ich noch eine sehr konzentrierte Runde und erreiche
nach 1:04 das Ziel.
20 Runden,
557,4 Kilometer, die Anzeige zeigt 00:15:00. (15 Minuten
Restfahrzeit). Es ist Sonntag 17.07., 09:45. Und ich bin sehr
zufrieden.
Rückblick
Einmal auf der
Piste ist der Blick natürlich nach vorne fokussiert. Daher folgen an
dieser Stelle ein paar Rückblicke.
Das Training
insgesamt und für eine höhere Grundgeschwindigkeit hat auf den
Punkt gepasst.
Meine Taktik ist
aufgegangen. Ein Rundstreckenrennen lässt dabei einfach über die
Rundenzeiten kontrollieren und steuern. Das persönliche Ziel
erreicht oder verfehlt man nicht nur im Sattel. Das Zeitmanagement
der Pausen ist ebenso wichtig. Ich habe die Pausenzeit meines
Basisszenarios zwar überschritten, aber ich habe mir das bewusst
gegönnt. Die Uhr und die Hochrechnung hatte ich stets im Auge und
damit auch die Kontrolle. Richtig gefährdet sah ich das Erreichen
des Ziels nicht. Aber man muss eben scharf kalkulieren und
gegebenenfalls auch so fahren. Der verbleibende Zeitpuffer von 15
Minuten mag angesichts der absolvierten 24 Stunden wenig erscheinen.
Aber man kann es eben auch als jeweils eine Minute auf 15 Runden
betrachten. Und das ist schon wieder viel.
Mein PURE BROS
hat sich von einer seiner besten Seiten gezeigt. Gerade auf den rauen
und geflickten Straßen sorgen der Stahlrahmen und die 28 mm
Continental Grand Prix 4 Season Reifen für ein sehr angenehmes
Fahrverhalten. Obwohl ich den Einsatzschwerpunkt meines Rades für
Reisen mit Campinggepäck vorgesehen habe, ist die Geometrie des
Rades sportlich genug, um bei Langstreckenevents zu begeistern. Und
sie sorgt bei vielen Stunden im Sattel für entspanntes Fahren.
Das “Distanz-Wettfahren Hadersleben-Hamburg” wurde erstmals 1894 ausgetragen und begeisterte im Norden sofort die Massen. Seit 1907 hieß das Rennen dann “Quer durch Holstein” und wurde ein echter Klassiker. Das Foto zeigt Wilhelm Riecken, den Sieger 1898. (Mehr zur Geschichte findet sich HIER).
Wir fahren die rund 250 Kilometer lange Strecke durch Südjütland und ganz Schleswig-Holstein am 27. August nach und wandeln damit auf den historischen Spuren eines einst berühmten Radrennens, das heute vollkommen vergessen ist. Es wird eine sportliche Tour, kein Rennen werden.
Wer sich uns anschließen möchte, kann dies gerne tun. Eine gewisse Erfahrung auf der “Langstrecke” (Touren ab 200km) wird vorausgesetzt. Einen Track können wir zur Verfügung stellen. Verpflegung ist selbst zu organisieren (einige Abschnitte der Strecke sind recht menschenleer). Das Mitfahren geschieht auf eigene Gefahr, wir übernehmen keine Haftung.
Wenn es drei
Dinge gibt, die ich beim Radfahren partout nicht mag, sind dies -
nasse Füße, Spritzwasser vom Hinterrad des Vordermanns und mit dem
Auto zum Radeln zu fahren.
Demnach sieht der
Plan vor, früh morgens mit dem Rad die vierzig Kilometer zum Start
des Marathons ‚Rund um die Schlei‘ nach Schleswig zu fahren, gut
gelaunt bei Sonnenschein die 203 km Runde zu radeln und anschließend
wieder nach Hause zu kurbeln.
Da Planung
bekanntermaßen den Zufall durch Irrtum ersetzt, kommt es anders,
völlig anders. Als der Wecker früh (sehr früh) morgens klingelt,
prasseln fette Regentropfen an die Scheibe. Ich stelle den Wecker
eine Stunde weiter und drehe mich wieder herum. Mit dem Gedanken,
dass ich dann eben eine Stunde später im Regen mein Rad im Auto nach
Schleswig schaffe, schlafe ich wieder ein. Ich bin zu müde, um die
Sache absurd zu finden.
Um 06:30
kutschiere ich dann in Richtung Schleswig und der Himmel zeigt sich
nicht gerade in Radlers Lieblingspose. Bei der Startaufstellung ist
es ungemein tröstlich, auf eine doch beachtenswerte Ansammlung von
Gleichgesinnten zu stoßen, die ebenso willig sind, 203 km zu radeln,
wie sich dabei nass regnen zu lassen. Das Wetter hat sich etwas
beruhigt. Bei etwa 11°C weht zwar starker Wind aus westlichen
Richtungen, aber der Regen beschränkt sich auf mittelstarke Schauer.
Mit einer
Motorradeskorte der Johanniter werden wir auf die Strecke gebracht.
Gruppen finden sich zusammen. Niemand dürfte wohl ein gesteigertes
Interesse daran haben, die vor allem in der zweiten Hälfte
anstehenden Gegenwindpassagen solo zu bewältigen. Auch ich klinke
mich in eine Gruppe ein, die gut zu harmonieren scheint und mich
freundlich aufnimmt.
Bereits auf den
ersten Kilometern setzen heftige Schauer ein. Von den drei Dingen,
die ich nicht mag, wurde das erste durch die Anfahrt mit dem Auto
eingehandelt. Das zweite wird mir gerade in Form von
Schmutzwasserfontänen ins Gesicht geschleudert (ich fahre bei
solchen Verhältnissen ein Rad mit Schutzblechen). Und die nassen
Füße sind dann trotz der Überschuhe nur eine Frage der Zeit.
Die regennassen Straßen führen zu einer unglaublichen Anzahl von
Plattfüßen. Auf den ersten zehn Kilometern erwischt es bestimmt
acht Fahrer. Bei diesen Verhältnissen sind auf Schleswig-Holsteins
rauen Wirtschaftswegen eher robuste Reifen angesagt. Den totalen Hype
nach Gewichtseinsparung kann ich bei uns Hobby-Fahrern eh kaum
nachvollziehen. Gerade hat sich die Gruppe gut eingefahren, da sichte
ich am Wegesrand einen Teilnehmer, der aufgrund seiner Handzeichen
Hilfe benötigt. Wohl wissend, dass es schwer wird diese tolle Gruppe
wieder einzuholen, halte ich an. Ich bin etwas enttäuscht und
verärgert, dass ich der einzige bin der stoppt. Aber wenn ein
anderer Radfahrer offensichtlich Hilfe benötigt, da fahre ich nicht
einfach weiter. Nicht auf Radreisen und auch nicht auf
Veranstaltungen wie dieser. Lange Rede kurzer Sinn, der arme Kerl
hat seine Reifenheber vergessen. Tja nun. Ähnliches ist uns doch
allen schon einmal passiert. Ich leihe ihm meine und nach der
Demontage des Reifens setze ich meine Fahrt fort. Im Moment bin ich
ganz glücklich von Wasserfontänen verschont zu sein. Aber ich habe
natürlich die langen Gegenwindpassagen im Kopf.
Ich überfahre
das erste Depot und da ich die Gruppe dort sichte, setze ich meine
Fahrt entspannt fort. Früher oder später werden sie mich einholen
und dann geht es zusammen weiter. Das stellt sich dann auch so ein.
Auch wenn ich vorher etwas grummelig war, muss ich wirklich sagen,
dass es eine der besten Gruppen ist, mit denen ich jemals gefahren
bin. Es wird gleichmäßig, völlig diszipliniert und mit sehr viel
Um- und Rücksicht aufeinander gefahren. Und zudem sind es total
nette Leute, sodass sich angenehme Gespräche entwickeln. Bei
Plattfüßen von Gruppenmitgliedern wird selbstverständlich
gewartet. Sehr, sehr angenehm und sympathisch das Ganze.
Die Route führt
uns um den Wittensee und mit mehreren Schleifen durch die Hüttener
Berge. In den Depots drängt sich alles unter die trockenen Dächer.
Mit Rückenwindschub sausen wir nach Kappeln, wo leckerer Milchreis
auf uns wartet. Das ist eine willkommene Stärkung für die zweite
Hälfte gegenan. Die Gruppe bleibt zusammen und pflügt souverän
durch den Westwind. Eine starke Gruppe, ein starkes Gefühl. Der
Regen hat sich mittlerweile verabschiedet und wir genießen die
wärmenden Sonnenstrahlen.
Nach etwas über
203 Kilometern erreichen wir zufrieden den Ausgangspunkt in
Schleswig. Eine tolle Tour geht zu Ende. Diese Veranstaltung braucht
sich von den Anforderungen her nicht hinter den Events mit großen
Namen zu verstecken. Die Landschaft ist phantastisch und die kleine,
aber feine Veranstaltung besticht durch ihren ganz besonderen Charme.
In jedem Depot bedanken sich Fahrer persönlich bei den Helfern der
Depots, ohne die eine solche Veranstaltung gar nicht möglich wäre.
Trotz der
ungeplanten Entwicklung hinsichtlich der top drei Punkte meiner
persönlichen schwarzen Liste, entwickelt sich der Tag zu einer sehr
positiven Erfahrung. Und dazu trägt ganz stark die Gruppe der
Mitfahrer bei. Danke! – Ich lege den größten Teil meiner nicht
ganz so wenigen Jahreskilometer solo zurück. Aber ich muss sagen,
dass das Fahren in einer harmonischen Gruppe doch auch ganz angenehme
Reize und Erlebnisse bietet. Ich fände es toll, wenn wir mit dem ABC
auf der einen oder anderen Veranstaltung auch mit einer Gruppe an den
Start und ins Ziel rollen könnten.
Letzten Sonntag (3. Juli) trafen wir uns um 11.00 Uhr an den Deichtorhallen. Mit einer Gruppe von 20 Leuten fuhren wir dann über die Oberhafen-Connection und die Peute in den Hafen.
Bert führte uns zu manch bekannten aber auch einigen eher unbekannten Orten.
So blickten wir auf Hafenbecken, gestapelte Container, fuhren einige Kopfsteinpflaster-Passagen und inspizierten einige abseitige Plätze.
Zwischendurch drückten wir auch einmal aufs Tempo, insgesamt kamen rund 70 Kilometer zusammen.
Das Wetter spielte auch mit: eine Minute nach dem wir an der Labestation in Wilhelmsburg ankam, fing es fürchterlich an zu schütten.
Im nächsten Jahr laden wir dann wieder ein zur “Großen Hafenrundfahrt” …
Am Anfang stand Bordeaux-Paris, eines der ältesten Radrennen. Die
Geschichte reicht zurück bis in die 1890er Jahre. Als 600 km non stop
Event reizte mich die Sportveranstaltung natürlich außerordentlich. Kaum
zu Ende gedacht, habe ich mich dann angemeldet. Um gut eingerollt an
den Start zu gehen, reifte die Idee, auf eigener Achse von zu Hause nach
Bordeaux zu radeln. Dann mit dem Peloton nach Paris und von dort per
Flieger retour.
Einige Tastendrücke und Mausklicks später waren Hotels in Bordeaux und Paris, sowie der Rückflug gebucht.
Einige Wochen später wurde die Veranstaltung leider abgesagt. Einzig das Hotel in Bordeaux konnte ich kostenfrei stornieren.
Somit wurde eben eine Tour um den Rückflug von Paris aus gestrickt. In der Folge radel ich nun über London nach Paris.
Der erste Tag verlief schon einmal super. Morgens mit dem Rad zur
Arbeit. Ein paar Stunden arbeiten bis das Rad im Büro zu unruhig wurde
und dann bei Sonnenschein und Rückenwind aus Nordost bis Hemmoor. (163
km)
2. Tag 13.5.
Ein wirklich Radfahrer freundliches Frühstück ist ein guter Start in den Tag. Die Bedingungen sind fantastisch. Bereits beim morgenlichen Start verzichte ich auf Arm- und Beinlinge. Und es ist vollkommen in Ordnung. So fühlt sich der lang ersehnte Sommer an. Ich habe gute Beine und komme bestens voran. Das leichte Gepäck und der Rückenwind bleiben natürlich nicht ohne Wirkung. Drei Stunden und 76 km später erreiche ich die Weserfähre. War die Landschaft bisher angenehm abwechslungsreich, empfängt mich nun eine Marschlandschft mit all ihren spärlichen Attributen. Det Wind kommt immer vorlicher aus N bis NNW. Dennoch halte ich die Pace hoch und hoffe, mir einen kleinen Puffer an Kilometern zu erfahren. Denn auch der Blick zum Himmel kündigt eine Wetteränderung an.Nach einer kleinen Erkundungsfahrt durch das schöne Leer, setze ich meine Fahrt fort und überquere noch die Grenze zu den Niederlanden. Das erste freie Quartier ist meins. Nieuweschans, 182 km, total 345 km
3. Tag 14.5. Der Wind heult, der Dachstuhl knarzt wie ein alter, hölzerner Lastensegler. Es ist tief in der Nacht. Ich drehe mich herum und versuche wieder einzuschlafen. Der Start erfolgt bei 8 Grad Celsius, Starkwind aus NW und schweren Regenschauern. Zum Glück kommt zwischenzeitlich auch die Sonne zum Vorschein. In tiefer Haltung im belgischen Stil trotze ich dem Wind und komme noch immer relativ flott voran. Es ist aber nicht zu leugnen, dass die Sache Körner kostet.
In Groningen lege ich eine Pause ein und genieße das bunte Treiben sowie die stylischen Fahrräder. Bei der Weiterfahrt wird mir wiedet bewußt, welchen Vorteil die Navigation per Garmin bietet. Bei der Vorbereitung habe ich schmale Wirtschaftswege ausgesucht. Nun genieße ich das sorglose Fahren auf Wegen, die ich per Papierkartennavigation niemals gefahren, geschweige denn gefunden hätte. In Leeuwarden ist dann dad Tagewerk getan. 119 km, total 464 km
4. Tag 15.5.
Hossa! Ist denn schon wieder Herbst? Der Witterung folgend, liegt die Vermutung jedenfalls nahe. Bei morgendlichen acht Grad Celsius und nordwestlichen sechs Beaufort ziehe ich alle Kleidungsregister. Lange Hose und Armlinge sowieso, Überschuhe, Handschuhe, Wintermütze und die Windjacke, solange es viertelwegs trocken bleibt. Die Regenjacke ist griffbereit verstaut. Aber bei meinem Minimalgepäck ist ja eh alles griffbereit.
Die Strecke bis Harlingen bringt wieder Wind von vorne rechts. Dann wird es spannend. Nicht nur weil die Passage über den Afsluitdijk bevorsteht, sondern weil der Kurs auch etwas südlicher ausfällt. Reicht das für achterlicher als querab? (Auf Radfahrerdeutsch: Rückenwind) - Nein. Es bleibt purer Seitenwind. Zum Glück schützt der seeseitige Deich vor dem Gröbsten. Auf der Deichkrone im Schleusenbereich kann ich jedoch kaum geradeaus fahren.
Wieder auf dem Festland geht es in Richtung Alkmaar weiter. Über viele Kilometer grübele ich. War es ein Unfall, war es Mord, wollte jemand Hose und Gummistiefel entsorgen? Oder ist es Kunst?
In Alkmaar streife ich mit dem Rad durch die Gassen und erfreue mich an dem Treiben in den Gassen. Anschließend fahre ich noch bis Castricum und beziehe Quartier in einem ehemaligen Rathaus von 1911. Und das Beste des Tages. - Ich bin trocken geblieben. Obwohl ich desöfteren auf nasse Straßen gestoßen bin. 130 km, total 594 km
5. Tag 16.5. Für einen Radfahrer sollte ein Tag mit einem guten Frühstück beginnen. Hat er auch, jedenfalls fast. Eine Stunde vor der Frühstückszeit werde ich wach. - Vor Hunger… Bei dem fantastischen Angebot bediene ich mich dann gerne. Das Futter reicht dann auch fast bis zur Fähre in Hoek van Holland. Die Route führt durch stark urbanes Gebiet. Das ist gewöhnungsbedürftig, war ich bisher doch ausschließlich ländlich unterwegs (also von den Stadtdurchfahrten abgesehen). Die Beschilderung für Radfahrer ist absolut vorbildlich. Selbst bei großen Straßenbaustellen werden werden gesonderte Umleitungen für Radler ausgewiesen.
Küstenabschnitt kurz vor Hoek van Holland
Die gefühlt 1.000 Ampeln vereiteln ein wirklich zügiges Vorankommen. Letztendlich ist das jedoch nicht tragisch, da das Boarding erst um 18.30 möglich ist. Na toll. Es gilt also noch mehr als viereinhalb Stunden zu überbrücken, ohne zu erfrieren…haha. Die Warterei gestaltet sich dann kurzweilig. Ich gerate in einen Haufen britischer Motorradfahrer, die mein Rad ebenso interessiert begutachten, wie ich ihre alten britischen Maschine (Matchles, AJS …). Classic meets classic. Da hat man schnell eine Wellenlänge… Hoek van Holland 96 km, total 690 km
Auch was schön Altes auf zwei Rädern.
Warten in Hoek van Holland
7. Tag, 18.05.2016
Ein Tag der Premieren. Zum ersten Mal mit dem Rad in London, zum ersten
Mal nasse Füße auf dieser Tour und zum ersten Mal im Leben die Queen
gesehen.
Aber von vorne begonnen. Die rund acht Kilometer zur Tower Bridge
vermitteln mir einen Teil der großen Faszination und Einzigartigkeit von
London. Es ist eine unglaublich bunte Stadt mit extrem
unterschiedlichen Menschen und Kulturen.
Und in London wird Rad gefahren. Für mich völlig überraschend viele
Radler setzen beim Alltagsverkehrsmittel auf’s Rad. Bevorzugt werden
Rennräder und Single Speed Räder. Nebenbei bemerkt ist es auch dad
schnellste Individualverkehrsmittel. Ansonsten erstickt London im
Verkehr.
Mein nächstes Ziel ist der RAPHA Store. Zuverlässig führt mich der
Garmin Navigator ans Ziel. Der Laden weist ein integriertes Café auf und
ist super stylisch. Und selbstverständlich gibt es Radhalter und
-Ständer IM Laden. (In London wird geklaut was das Zeug hält.) Ich werde
auf mein sonnenverblichenes Trikot angesprochen und schon landet das
Gespräch beim Transcontinental Race 2015. Ich werde freundlich bedrängt
ausführlich zu berichten und werde im Gegenzug mit Kaffee und Kuchen
versorgt…
Das anschließende Verlassen der Stadt stößt auf ungeahnte
Schwierigkeiten. Wesentliche Bereiche meiner geplanten Route sind
gesperrt, da Frau Königin mit ihrer Kutsche vom Palast zum Parlament zu
fahren gedenkt. Das Spektakel lasse ich mir nicht entgehen und stehe mit
vielen Briten am gut gesicherten Straßenrand, als sie dann in naher
Distanz vorbei kutschiert.
Bei der anschließenden Weiterfahrt nimmt der Regen zu, so dass es nur
eine Frage der Zeit ist, bis die Füße trotz Überschuhe nass sind. Auf
der heutigen Route sind die Vororte bürgerlicher. Nach rund 30
Kilometern bin ich wieder im Grünen und das Lauteste um mich herum ist
Vogelgezwitscher. Wie schön, nach all dem Großstadtgetümmel.
Da ich eh nass bin und nur durch Bewegung warm bleibe, fahre ich bis Brighton durch. 107 km, total 932 km
8. Tag 18.05.2016
Sonnenschein zum Frühstück, mit Blick auf das Meer. Was will man mehr?
Gemütlich rolle ich wenig später an der nördlichen Küste des englischen
Kanals entlang. Die Grundtemperatur der Luft ist noch immer kühl und der
mäßige SW Wind kühlt den Körper aus. Dagegen hilft nur in Bewegung zu
bleiben oder windgeschützt in der Sonne zu sitzen. Beides zelebriere ich
heute in einem ausgewogenen Verhältnis.
Zum Teil gibt es nette Radwege entlang der Promenaden. Ansonsten sind
die kleineren und größeren Landstraßen überaus brauchbar. Obwohl überaus
(zu) schnell gefahren wird, überholt mich kaum ein Autofahrer mit
weniger als eineinhalb Meter Abstand. Da die Straßen wirklich schmal
sind, kommt es zu sehr riskanten Manövern. Aber ausschließlich zwischen
den Autos. Ich ziehe mehr als einmal den Kopf ein, da ich zersplitternde
Außenspiegel befürchte. Da passt dann kaum mehr eine Sunday Times
zwischen. Vielleicht gibt es in UK ja einen schwunghaften Handel mit
rechten Außenspiegeln…
Ich gleite an der Küste entlang und genieße die maritime Szene.
Portsmouth ist DER Hafen der Royal Navy. Wer sich näher für das Thema
interessiert kann dort bestimmt eine gute Woche ohne Langeweile
verbringen. Ich genieße einfach die Kulisse aus großer Historie und
modern umgenutzter Werftbereiche.
Zudem setze ich von dort zur Isle of Wight über. Für Segler ist das ein
fester Begriff. Seit 1826 wird, initiiert von der Royal Yacht Squadron ,
jährlich die Cowes Week ausgetragen. Dagegen ist die Kieler Woche
neumodischer Kram. Der Royal Ocean Racing Club unterhält im Yachthafen
von Cowes ein Clubhaus und richtet seit 1957 alle zwei Jahre den
Admirals Cup mit dem Fastnet Race aus. Da will ich mich dann morgen mal
umschauen. Newport, 100 km, total 1.032 km
9.Tag 20.05.2016
Lazy Day! - Nach mehr als 1.000 km gönne ich mir eine entspannte
Halbetappe. Zuvor mache ich mich jedoch in der Nacht an dem Spülkasten
des WC meines Hotelzimmers zu schaffen, da es mitten in der Nacht
anfing zu plätschern. Aber ich bastel ja gerne mal an der Technik von
Hotelzimmern herum. (Bevorzugt sind Rollladenkästen auf dem Balkan…)
Morgens lockt dann zur Belohnung die Sonne. Es bleibt aber kühl und der
frische Südwest hat Wolken in seinem Gepäck. Auf zum Teil schmalen und
verwunschenen Wegen geht es gemütlich nach Cowes. Ich tingel durch den
netten Ort und verfolge anschließend das Treiben im Yachthafen, wo
Vorbereitungen für eine Regatta getroffen werden.
Der Ort ist auch für die ‘Beken of Cowes’ bekannt, einer Familie von
Fotografen aus Cowes. Der Name steht seit 1888 für Yachtfotografie
besonderen Stils. Der Begründer hat dazu zunächst eine eigene Kamera
entwickelt, da die damaligen Balgenkameras auf dem Meer nicht
widerstandsfähig genug waren. Mit seinem Ruderboot ist er dann in den
rauen Solent gefahren, um genau ein Foto aufnehmen zu können. Die
Glasplatte musste anschließend an Land gewechselt werden.
Ich cruise noch etwas über die grüne und beschauliche Insel, bevor es
mit der Fähre von Yarmouth nach Lymington geht. Zurück auf der großen
Insel lasse ich mir ebenfalls Zeit zum Schauen und Verweilen. In
Bournemouth gelingt es mir direkt am Wasser bzw der Promenade
entlangradeln zu können. Somit bleibt mir der Stadtverkehr erspart. Die
Strandbadehäuschen sind britisch bunt.
Entgegen meiner ursprünglichen Planung entdecke ich eine Fähre auf die
Studland Peninsula und erspare mir den Stadtverkehr von Poole. In dem
gemütlichen Swanage beziehe ich ein Quartier und lasse den Tag
ausklingen.
84 km, total 1.116 km
10. Tag, 21.05.2016
Southwester - Wäre diese praktische, wasserdichte Kopfbedeckung für
Seeleute nicht schon längst erfunden worden, hätte ich sie heute
erfunden. Die charakteristische nach hinten gerichtete breite Krempe
verhindert das Eindringen von Wasser in die Kleidung. Und das ist auch
bitter notwendig. Der starke Südwestwind treibt hier den Regen durch
alle Ritzen.
Von London nach Brighton begleitete mich Regen mit NW Wind. Der starke
SW der letzten beide Tage verblüffte mich dann dahingehend, dass ich
trocken blieb. Heute war es dann aber soweit. Der Südwest macht seinem
(schlechten) Ruf alle Ehre.
Anfangs finde ich die Sache noch erträglich. Der Regen ist nicht all zu
stark und vor allem auch wärmer als vor drei Tagen. Auf dem Rad lernt
man auch die Nuancen zu schätzen. Die Strecken sind zum Teil wieder
zauberhaft und ich erfreue mich am gepflegten britischen Country Style.
Alles sehr gediegen. Die eher kleine Hafenstadt Weymouth hat viel mehr
Charakter als die großen Seebäder.
Der Regen erreicht die volle Stärke und läßt sich auch durch gute
Stimmung nicht ignorieren. Die Steigungen werden immer bissiger und der
Südwest von vorne links kostet zusätzlich Körner. An exponierten Stellen
beuteln mich bissige Böen, sodass Geradeausfahren schon eine gewisse
Konzentration erfordert. Bei der Fahrt durch Abbotsbury verspüre ich im
Gegensatz zum Vormittag keine Lust mehr zum Fotografieren. Obwohl das
Ortsbild mit einheitlich aus Naturstein errichteten Häusern interessante
Motive bietet.
Anschließend geht es eine Steigung hinauf, die der eines großen
Alpenpasses würdig ist. Ich habe keine Ahnung wie hoch es geht, aber es
reicht aus, um voll ins Kondensationsniveau der ohnehin feuchten Luft zu
fahren. Es gießt wie aus vollen Eimern, die Sichtweite beträgt noch
rund 50 m und der Wind zehrt am Lenker. Südwest-Wetter.
In Bridport streiche ich früh nachmittags die Segel. Mit Mühe gelingt es
mir ein Zimmer im Tiger Inn zu ergattern. Nach der Dusche wärme ich
mich erst einmal eine Runde im Bett auf und dann wird es gleich runter
in den knalle vollen Pub gehen. Dort laufen Rugby Übertragungen und
bereits jede Menge Bier. Ich bin sicher, dass sich morgen nicht jeder an
das letzte Spiel erinnern wird…
Bridport, 78 km, total 1.194 km
11. Tag 22.05.2016
Alle Hände voll zu tun. - Das gab es heute. Für die Fortbewegung per Rad
eigentlich erstaunlich. Aber das Radfahrerleben hat ja so seine Tücken.
Der Start fand zwar im Trockenen statt, aber nach nicht ganz einer
halben Stunde wechsele ich von der Windweste zur Regenjacke. Im Grunde
ist es auch egal. Da es im Tiger Inn keine Heizungsaktivitäten gab, sind
die Socken und die Schuhe eh noch feucht. Daher macht der Regen jetzt
keinen so großen Unterschied.
Einen großen Unterschied macht jedoch die Topographie. Und zwar
zwischen Berg und Tal. Daher ist viel Handarbeit gefragt. Reißverschluss
auf und zu, ist die Klimaanpassung zwischen Berg- und Talfahrt. Das
läßt sich natürlich locker während der Fahrt erledigen. Die Steigungen
hier in Devon sind knackig. An den Landstraßen stehen hin und wieder
Hinweisschilder…. Ich fahre aber wieder viel über total verwunschene
Wege. Mir liegt das Fahren in dem extrem wechselhaften Gelände sehr.
Weitere Handarbeit in Form von pfiffigem Schalten hilft die
Trittfrequenz konstant zu halten. Und die sehr präzisen und kurzen
Schaltwege der Campagnolo Schaltgruppe helfen bei der Freude am
Schalten.
Ab Mittag läßt sich sogar wieder die Sonne blicken. Da macht nicht nur
das Fahren mehr Spaß. Auch die Ausblicke werden wieder richtig
grandios. Ich genieße neben den abgeschiedenen Farmen und Dörfer in
Binnenland, die kleinen beschaulichen Küstenstädtchen.
Nach 1.768 Höhenmetern auf einer Distanz von 90 km, beziehe ich mein
Quartier in Torqauy. Das Rad darf mit auf’s Zimmer, was mir eh am
liebsten ist. Im Pub des Hauses lasse ich den absolut runden Tag mit
Futter, Cider und netter Gesellschaft ausklingen. Strecke total 1.284
km.
12. Tag 23.05.2016
Achterbahn fahren - Riesenräder sind in etlichen britischen Seebädern zu
finden. Richtig Spaß macht jedoch Achterbahnfahren. Und genau das steht
auf dem Programm des letzten Tages auf der britischen Insel. Es gelingt
mir, fast die gesamte Strecke bis Plymouth auf meinen Lieblingswegen
zurückzulegen. Da ist 'Kette links’ angesagt. Die Steigungen kommen mir
zum Teil noch knackiger als gestern (bis zu 20%) vor. Mit einem
Dreifachkettenblatt, etwas Übung in den Beinen und wenig Gepäck, geht
das mühelos. Die Wege sind rau und weisen wechselnde oder auch mal gar
keinen Belag auf. Das ist sicher nichts für Carbonfelgenfahrer mit acht
Speichen. Meine Laufräder mit jeweils 36 dreifach gekreuzten Speichen
und 28 mm Reifen stecken souverän eine Menge Menge weg. So lasse ich es
denn auch bergab ordentlich laufen und pflüge ich durch die wunderbare
grüne Landschaft. Das ist besser als Achterbahnfahren.
Einmal taucht verblüffender Weise vor mir ein 'Verkehrshindernis’ auf…
Ich rolle dann eine Weile neben der Bäuerin her und wir führen eine
sehr angenehme Unterhaltung. So etwas schätze ich bei den Briten sehr.
Eine recht gute Radinfrastruktur leitet mich dann von der Peripherie ins
Zentrum. Es ist erst Mittag und so strolche ich etwas durch Plymouth
und verbringe den Nachmittag in der Sonne am Wasser.
Das Embarking für die Fähre ist erst um 1900. Es trudeln noch andere
Reiseradler ein, so dass wir bald eine kleine illustre Runde sind, in
der interessante Geschichten ausgetauscht werden. Aus verschiedenen
Gründen, aber zum größten Teil wegen Missmanagement, kommen wir Radler
erst um 2130 an Bord. Spontan fällt mir ein naheliegender Vergleich mit
einer großen dutschen Eisenbahngesellschaft ein. “Thank you for
travelling with…Brittany Ferries”.
1.060 Höhenmeter, 60 km, total 1.344 km
13. Tag 24.05.2016
Ironie - Brittany Ferrirs und ich werden keine guten Freunde. Mit einen
guten Frühstück hätte ich mich vielleicht noch rumkriegen lassen. Aber
die Chance wurde verwirkt. Irgendwie ist der gesamte Bordbetrieb relativ
chaotisch. Beim Disembarking laufen definitiv zu viele Leute mit zu
wenig Streifen auf der Schulterklappe herum und geben zum Teil völlig
widersprüchliche Anweisungen.
Egal. Ich bin froh von Bord zu sein und freue mich die Sonne zu sehen.
Ich radel zunächst ein Stündchen an der Küste entlang und lege dann ein
richtiges Frühstück, mit richtigem Kaffee ein. Wie wunderbar. Willkommen
in der Bretagne.
Konsequent folge ich der Küstenlinie und fahre diese auch aus. Baie de
Morlaix, Baie de Lannion, Côte de Granit Rose… Das ist hier der
Hammer. Hinter jeder Kurve bieten sich neue spannende und phantastische
Ausblicke. Ich nehme mir Zeit zum Schauen, Verweilen und auch zum
Fotografieren. (Schließlich ist das Urlaub und kein Rennen…smile.)
Sonnenschein, blauer Himmel und türkisfarbiges Wasser. Und Ostwind! Und
zwar der Stärke 5 bis 6 Beaufort. Ironie der Geschichte Ich fahre eine
Küste mit gefürchteten Westwinden entlang und habe Ostwind, also Wind
von vorne. Aber es ist mir ehrlich gesagt egal. Zum ersten Mal seit 10
Tagen fahre ich wieder in kurzer Hose und ich erfreue mich einfach an
der aufregenden Küstenlandschaft mit den pittoresken kleinen Häfen.
Die Steigungen sind hier übrigens längst nicht so steil wie auf der
Nordseite des englischen Kanals. Für die meisten Steigungen reicht das
mittlere Kettenblatt aus. Und da die Straßen von weitaus besserer
Qualität sind, fahre ich bergab auch schon mal 'Kette rechts’.
Perros-Guirec, 1.350 Höhenmeter, 122 km, total 1.466 km
14. Tag 25.05.2016
Nicht lustig - Aller Ironie zum Trotz finde ich es heute nicht so lustig
mit dem Gegenwind. Der Himmel ist grau und trostlos. Es ist so kühl,
dass ich fast dazu neige Überschuhe, Handschuhe und Wintermütze
einzusetzen. Ich versuche es dennoch ohne.
Zum Glück kann ich mich ein paar Kilometer einrollen und warmfahren,
bevor die erste Steigung für das ganz kleine Kettenblatt und das ganz
große Ritzel kommt. Im kalten Zustand mag ich so etwas nicht. Die
nächsten beiden Landzungen lasse ich aus, da mir sonst die Zeit etwas
knapp wird. Ich quere das Binnenland nach Osten. Irgendwie komme ich
heute nicht richtig in den Tritt. Wenngleich hier in der Bretagne viel
mehr Möglichkeiten bestehen, direkt an der Küste entlang zu fahren, was
ich wirklich großartig und atemberaubend finde, so kann das Binnenland
nicht mit der britischen Insel mithalten.
Manches ist nett, vieles wirkt aber auch trostlos. Ich finde durchaus
ähnliche schmale Wege, aber auch die können landschaftlich nicht
mithalten. Auch vom Belag her sind sie nicht vergleichbar. Entweder sind
sie viel besser oder viel schlechter. Eine Schotterpassage bleibt nicht
aus. Frei nach der Aussage des Führers eines submarinen Fahrzeuges aus
der deutschen Filmgeschichte sage ich mir - Das muss das Rad aushalten.
(Tut es natürlich auch.)
Als ich in einem Kreisverkehr einen Leuchtturm entdecke, muss ich dann aber doch schmunzeln und die Stimmung hellt sich etwas auf. Im Hafen von
Binic esse ich das beste Crêpes meines Lebens. Mit Chocolat noir für
1,50 Euro. Als dann auch die Sonne wieder zum Vorschein kommt, finde ich
meinen soliden runden Tritt wieder und kurbel vergnügt bis Pleherel
Plage, 7 km südwestlich vom Cap Fréhel. Ein guter Ausgangspunkt für
morgen.
Noch ein kleiner Hinweis. Ich bin kein Statistik-Freak und kurbel das
Gelände einfach weg wie es kommt. Die Höhenmeter führe ich jedoch mit
an, damit sie eine Orientierung geben, falls sich jemand für eine
Radtour in diesen aufregenden Küstenlandschaften interessiert. Als
Faustformel für die Länge der Tagesetappen empfehle ich folgende.
Britische Südküste = Flachlandetappen × 0,5
Bretagne = Flachlandetappen x 0,7
Wobei mit Flachlandetappen die Distanz gemeint ist, welche man bei
mäßigen Bedingungen mit dem jeweiligen Tourengepäck zuverlässig im
Mittel fahren kann.
Pleherel Plage, 1.370 Hm, 134 km, total 1.600 km
15. Tag, 26.05.2016
Rund - Ein absolut runder Tag, von Anfang an. Da es erst um 0830
Frühstück gibt, kann ich gemütlich ausschlafen. Das kleine gemütliche
Hotel lädt wirklich zum Verweilen ein, aber um 0930 geht es dann los.
Und zwar bei Sonnenschein.
Die Strecke zum Cap Fréhel ist absolut grandios. Am Cap gibt es dann
auch einen 'richtigen’ Leuchtturm zu sehen. Vor dem nächsten
touristischen Halt in St. Malo steuer ich einen Decathlon
Sportsupermarkt südlich von St. Malo an. Ich bin mir beim Vorderreifen
nicht sicher, ob ich die Reste von Negativprofil sehe oder ob es sich um
feine Risse handelt. Da ich die Sache weder wissenschaftlich
untersuchen, noch bis zum letzten ausreizen will erstehe ich
sicherheitshalber einen Faltreifen. Nachdem dieser verzurrt ist geht es
weiter.
Zwischen St. Malo und dem Mont St. Michel sehe ich Fischereifahrzeuge,
die dieser Bezeichnung wirklich gerecht werden. Viel mehr beschäftigt
mich allerdings das hinter mir aufziehende Unwetter. Somit kurbel ich
was die Beine hergeben, um möglichst lange trocken zu bleiben. Ich habe
Glück und bleibe bis auf ein paar Tropfen verschont.
Der Ort vor dem Mont St. Michel ist Startort der diesjährigen Tour de
France. Der gesamte Ort ist schon für den Grand Depart am 2. Juli
dekoriert.
Ich radel noch bis nach Mortain weiter, wo ich nach 160 km und 1.180 Hm ankommme. Total 1.760 km
16. Tag, 27.05.
Revue - Das Frühstück in der Unterkunft wird zu einer interessanten
Insider Runde. Bei meiner gestrigen Ankunft fielen mir natürlich sofort
die rund zehn anderen Fahrräder im Unterstand auf. Somit werden
Frühstück und Startvorbereitungen sehr kurzweilig.
Am besten, nach meinem eigenen (smile), gefällt mir ein Rad von 'Alex
Singer’. Wer den Film 'Brevet’ gesehen hat, dem dürfte der Name ein
Begriff sein . Das Rad ist absolut klassisch. 531er Reynoldsrohr, schön
verzierte Muffen….
Ansonsten verläuft der Tag angenehm ereignislos, so dass ich die
Gelegenheit habe, die bisherige Tour Revue passieren zu lassen. Nach
einer halben Stunde im kühlen Nebel kommt die Sonne heraus und sie
begleitet mich den ganzen Tag. Die Route führt wieder über kleine
Landstraßen und ich bin mit dem Verlauf sehr zufrieden.
Erstaunlicher Weise kommen heute auch noch einmal 1.500 Höhenmeter
zusammen. Aber ich finde alles recht flüssig fahrbar. Noch 120 km bis zu
meiner Unterkunft in Paris.
Ich kenne nicht den genauen Streckenverlauf von Paris-Brest-Paris. Aber
ich traue mir nun ein gewisses generelles Urteil über die Topographie
zu. Und daher möchte ich den PBP-Absolventen, von denen ja auch der
Altonaer Bicycle Club einige vorweisen kann, meinen tiefen Respekt
aussprechen.
I"Aigle, 140 km, total 1.900 km
17.Tag, 28.05.
Das Ziel ist das Ziel - Und der Weg dorthin kann bis zum letzten Meter
spannend sein. Mit der lässigen Gewissheit fast am Ziel zu sein, habe
ich gestern Abend auf den Abgleich zwischen analoger Straßenkarte und
der gespeicherten Garmin Route verzichtet. Das bezahle ich mit fünf
Kilometer Umweg und der entsprechenden Zeit. Denn Herr Garmin und ich
sind uns beim Start alles andere als einig.
Auf der richtigen Route unterwegs, geht es nach Osten. Anfangs ist es
feuchtkalt und nebelig. Verglichen mit den vergangenen sechzehn Tagen
ist die Landschaft relativ trist. Irgendwann löst die Sonne den Nebel
auf. Die Landschaft erscheint nun grüner, aber ebenso trist. Immerhin
komme ich auf wenig frequentierten Landstraßen gut voran.
Nach dem Mittag braut sich im Westen ein wenig Vertrauen erweckendes
Gewitter zusammen, welches in meine Richtung zieht. Auf freier Flur
möchte ich da ganz bestimmt nicht hinein geraten. Daher düse ich im
Einzelzeitfahrmodus von Dorf zu Dorf, um gegebenfalls Schutz vor Blitz
und Donner zu finden. Wieder habe ich Glück und bleibe bis auf ein paar
fette Tropfen vor Schlimmerem verschont.
Ich erreiche die Peripherie von Paris und der Garmin Navigator führt
mich sicher nicht auf dem kürzesten, aber auf dem für Radler schlausten
Weg zielstrebig zur vorgebuchten Unterkunft.
Noch immer blitzt und donnert es im Westen. Erleichtert und vor allem
tief zufrieden steige ich vom Rad. Ich habe mein Ziel erreicht. Und es
war wirklich spannend bis zum letzten Meter.
Für heute lege ich die Füße hoch. Aber morgen geht es nach Paris rein. Natürlich auf dem Rad…
Die Möglichkeit das kalte und nasse Norddeutschland für ein paar Tage im März verlassen zu können, das war doch zu verlockend. Wenn man mit dem Rad im Gepäck in der sonnigeren und wärmeren Toskana eine neue Veranstaltung besuchen darf….wer kann dazu schon nein sagen? Während der Radsaison gibt es nun schon mehrere Veranstaltungen pro Monat in allen Teilen Italiens, am bekanntesten ist sicher die L‘Eroica in Gaiole. Da dies aber mittlerweise eine ausufernde Großveranstaltung geworden ist, finden die kleinen neu aufkommenden immer mehr Zulauf. Dort weht er dann wieder, der Geist der frühen Jahre, alles ist noch nicht so perfekt geplant und durchgestylt. Eine Prise Ungewissheit, etwas Überraschung und viel Enthusiasmus, das ist was die kleinen zum besonderen und so interessant macht. Also habe ich die italienische Anmeldeprozedur hinter mich gebracht(Paola am anderen Ende der Leitung sei Dank!) und auf einen spannenden Kurzurlaub gefreut. Nach einem Stopp im Schwarzwald ging es mit dem Auto weiter in die Schweiz. In der lag sogar noch Schnee, was wir im Norden dann doch schon hinter uns gebracht hatten. Die Wettervorhersage stimmte mich aber heiter auf sonnige Tage in der Gegend von Livorno und schon einige Stunden später behielt die Vorahnung recht. Schon Dunkeln bezog ich das Nachtlager im Auto indem ich alles einmal auf links krempelte und mir so ausreichend Platz zwischen dem Rad und der Sitzbank verschaffte. Die Aussicht auf dem kleinen Campingplatz an der Küstenstraße war nicht so besonders verheißend.
Am nächsten Morgen nach einer doch frischen Nacht sah ich die Welt mit anderen Augen:
Und ab ging es in den Ort, erst mal ordentlich frühstücken und das Gefühl haben „angekommen“ zu sein.
Zu sehen gibt es ja immer etwas….zwei „Portarini“?
In Livorno spürt man überall die mondäne Vergangenheit und die ausladenden Gebäude sind schon beeindruckend. Leider haben sich auch hier die Global Player breit gemacht und man muss schon in die Seitenstraßen ausweichen um urtypisches oder das spannende und andersartige zu finden. Das Frühstück dauerte doch etwas länger, denn ein fetter Regen entlud sich über die Stadt und ich weigerte mich im Regen weiter zu butschern. Bei dieser kurzen Ausfallerscheinung des guten Wetters sollte es aber auch bleiben. Der Aufenthalt im Cafe wurde allerdings noch zu einer besonderen Überraschung und einem unerwarteten Glücksfall: Meine St. Pauli Radsport Klamotten öffneten mir eine Tür in eine andere „globale“ Welt. Der Besitzer des Cafés und seine Angestellten sind braun-weiße Anhänger und luden mich spontan ein. Da ich nicht zahlen durfte, sammelte ich die letzen Fan-Laden Aufkleber zusammen und konnte ihnen wenigstens so danken. Komisch, seit dem kommen wundersamer weise immer mal Aufkleber im Laden an. Grazie! Die Anmeldung zur Veranstaltung fand in den Räumen der Pferderennbahn statt, was später noch eine besondere Rolle spielen sollte. Auf dem befestigten Gelände zwischen den Gebäuden war auch der Teilemarkt aufgebaut. Eigenartig ist es wenn ein italienisches Auto mit Rennrädern zum Markt fährt die in einem Anhänger mit holländischem Kennzeichen stehen, ist das „Re-Import“? Jedenfalls war das Angebot an Rädern und Teilen für die Erstveranstaltung freudig mannigfaltig und die Preise recht human; so human sogar, das ich mehrmals mit dem Rad die erstandenen Schätze zum Campingplatz fahren durfte.
Später dann am Samstagnachmittag begann die kleine Ausfahrt durch den Ort. Zu dieser sollte man sich im Vorfeld mit einem Partner als Zweierteam anmelden. Konnte ich ja nicht, da ich als Alleinreisender unterwegs war…aber vor Ort hat man das schnell geregelt und ich wurde Fabio an die Seite gegeben einem freundlichen und englisch sprechenden Stahlradverleiher aus der Umgebung der auch einen Stand auf dem Teilemarkt hatte. Gestartet wurde in Zweiergruppen im Minutenabstand und die ersten paar hundert Meter ging es von der Polizei eskortiert bis zur abgesperrten Strecke. Es wurde eine Schleife am Rand des Ortes gefahren und nach kurzer Zeit kamen wir der Rennbahn wieder sehr nahe. Nun durften die Teams die Pferderennbahn sehr genau kennenlernen, vielleicht auch etwas zu genau?
Als Team nebeneinander sollte man ohne Zeitnahme-Hilfsmittel das Oval dieser Rennbahn möglichst gleichmäßig in einer bestimmten Zeit umrunden. Soweit so gut. Nur dass es eine Galopp-Rennbahn in Betrieb ist. Also war die Bahn dementsprechend beschaffen…eine Buckelpiste erster Güte! Auf den schmalen Reifen war das wahrlich kein Vergnügen und man hatte gut damit zu tun sich irgendwie einen Weg durch die Hufspuren zu bahnen, während die Knochen kräftig durch geschüttelt wurden…..Aber lustig war es trotzdem, so etwas macht man ja auch nicht alle Tage und zuhause ist das ja undenkbar. Dem ABC wird es wohl schwer gelingen in Bahrenfeld die Bahn nutzen zu dürfen um dort mit einem Haufen Alteisentreter seine Runden zu drehen… Wenngleich es eine Wohltat sein muss aber den Spuren der Traber zu fahren anstatt durch tiefe Galopperlöcher zu staksen. Welche Zeit wir erreichten? Keine Ahnung, aber das auch gar nicht mehr wichtig. Es war ein echter Spaß und wir freuten uns daran den nachfolgenden beim kraxeln im langsamen Tempo zuzusehen.
Am Sonntagmorgen ging es vom Campingplatz auf zum Startplatz mitten im Ort direkt an der Waterkant. Hier fielen die doch wenigen Eingang und Vorkriegsräder auf, es waren fast nur Rennräder der 60er bis 80er Jahre vertreten mit mindestens 8 Gängen, mir schwante böses…Warum habe ich den bergtauglichen Kranz bloß zuhause gelassen, warum nur?
Die begleitende Karawane aus Automobilen und Motorrädern der 50er bis 80er Jahre erwartete schon früh die Teilnehmer. Ein privates Team leistete sich sogar einen Servicewagen, deren Fahrer fahren alle auf gleichen Legnano Rädern mit.
Auch am Start war auch die Brigata Preneste, eine Truppe die mit Gepäck auf ihren Rädern anreiste und ohne Servicewagen oder Betreuer auskam aber dafür mit umsomehr Spaß und immer einem Lied auf den Lippen auf der Strecke anzutreffen war. Vielleicht schafft der ABC das auch bald so aufzutreten, …..wir arbeiten daran!
An einem schicken, alten herrschafftlichen Gemäuer war der erste Verpflegungspunkt aufgebaut, und die Sonne entfaltete nun auch ihre Kraft.
Das einzige Mal, dass ich auf Alessandra vom Livorneser Club warten durfte,… nach dieser Steigung wartete sie netterweise immer auf mich….sehr geduldig hatte man sich hier des tedeschi angenommen….“der arme, er hat doch keine Berge zuhause…, er kennt das so nicht.“ Locals können auch sehr nett und auskunftsfreudig sein, sie war ein wunderbarer Tourguide auf der Strecke.
Nach so manchen langen Steigungen freute man sich auch über einen der Brunnen zum Trinkflaschen auffüllen. Wenn es morgens auch noch kühl war, so war der Tag mit seinen vielen Sonnenstunden und den vielen Hügeln nun schon nicht mehr ganz ohne….
Als das Meer durch die Häuser hindurch wieder zu sehen war freute ich mich darauf endlich bald wieder in flacheren Gefilden fahren zu können…
Aber nach einer Kurve kommt bekanntlich die nächste Kurve. Und da waren sie wieder meine drei Probleme: die fehlende Übersetzung noch zwei andere Unzulänglichkeiten…..
Aber für solch eine Aussicht lohnt er sich eben doch das Klettern (per Rad und auch einiges zu Fuß eben ohne die richtige Übersetzung und/oder die richtigen Beine).
Im Ziel gab es noch eine Präsenttasche unter anderem mit einer Flasche Wein und, was eher ungewöhnlich ist, einer großen Flasche Duschbad. So konnte ich nicht nur Eindrücke, nette Erinnerungen, neue Bekanntschaften, feine Teile, Klamotten sondern auch etwas praktisches für Zuhause mitbringen. Anstatt: „ Noch ein Rad? Du hast doch schon eins!“
Und ja, ich brachte doch noch ein Rad mit und es war netterweise sogar ein Geschenk:
Am Donnerstag, also drei Tage vor dem Geschehen
begann die harte Realität auf dem Parkplatz neben dem ausgewiesenen
Zeltplatz in Gaiole. Nach mehr als 1500 km Fahrt war nur noch ein
einziger letzter Platz frei, gerade wie geschaffen für meinen
bepackten VW Bus. Ich wollte die nächsten Tage nah am Geschehen sein
und auch von der Fahrerlager-Atmosphäre etwas mitbekommen. Direkt
nach dem Einparken ging es vorbei an den sachlich nüchternen
sanitären Einrichtungen zum voll erblühten Teilemarkt; mal sehen ob
noch etwas da ist?
Einige Händler kennt man und macht einen Bogen
um sie, andere begrüßt man nett und findet wieder etwas an deren
Stand. Der Tag war ein Erfolg und der zweite Tag wurde trotz Regen
und Wind genauso gut.
Am Freitag kamen Holger und Birgit noch zur
Startnummer Ausgabe und der Kerl mit dem T3 samt Frau und Hund erwies
sich als größter anzunehmender Glücksfall als Nachbar….es wurde
sehr nett beim Essen im Sportlerheim. So richtig bodenständig und
gemütlich.
Die Wettervorhersage für Sonntag ließ nichts gutes
Ahnen. Wir, die Truppe aus Norddeutschland, das waren Holger, Frank,
Tobias, Manfred und Matthias, hatten uns für die 75 km Strecke mit
1900 Höhenmetern entschieden. Auch mit dem Gedanken vor dem starken
Regen und dem Gewitter wieder im Ziel sein zu können. Aber die
Praxis sollte der Theorie noch zeigen wo der Hammer hängt.
Ab
vier Uhr in der Früh wurde es emsig auf dem Platz, die Fahrer der
135 und 209 km machten sich fertig und wurden per
Lautsprecherdurchsage in die noch stockdunkle Toskana entlassen.
Die
Anspannung stieg. Nun trudelte Frank ein, wir trafen uns mit Manfred
und Holgi und der Shuttle Bus spuckte Tobias vor unsere Füße. So
rollten wir an den Start, trockenen Fußes und mit breitem Grinsen im
Gesicht. Aber das verging uns bald. Es begann zu regnen, erst leicht,
dann etwas mehr und dann noch mehr.
Als sich dann das Wasser in
unseren Schuhen heimisch fühlte fragte man sich schon: Warum?
Weil
das damals auch so war?
Aber die negativen Gedanken wurden
weggelacht und ein riesiger Baum wurde zur Fotokulisse.
Der Sand
knirschte zwischen den Zähnen, die Beine hatten wie alles andere
auch Schlammfarbe angenommen, die Rückennummern waren nicht mehr zu
lesen vor Dreck, ganz zu schweigen von den schönen Rahmen der Räder.
Alle und alles war mit braunem Schlamm überzogen das wurde deutlich
als wir bei einem Wolkenbruch ähnlichen Guß Schutz unter Bäumen
suchten. Wir waren auf einer schlammigen Bergab Passage und zogen es
vor wegen schlechter Sicht lieber den Schauer abzuwarten. Das dauerte
dann doch etwas länger, lohnte sich aber und wir hatten danach noch
mehr Respekt vor der Strecke. Die Rastpunkte waren von allen sehr
begehrt, wenn man auch nicht zu lange bleiben konnte ohne
auszukühlen. Dem Wein haben wir erst spät gefrönt, auch so waren
wir “gut dabei”.
Nüchtern
und bei voller Konzentration zu bleiben zahlt sich auf den
ausgewaschenen Wegen und den steilen Passagen aus. Man fährt in
unseren Breitengraden nicht gerade häufig auf so unwegsamen Pfaden.
Da muß man beherzt den Lenker fest anpacken und versuchen die Spur
zu halten. Es gab zum Ende hin zwei Abfahrten, die es in sich hatten.
Die erste Abfahrt ging nach einer tollen Pause auf ca 1,5 km mit sehr
engen Kurven verflixt steil bergab. Die Bremsen und Felgen wurden
heiß und nicht nur bei Tobias aus unserer Truppe knallte ein Reifen
weg. Während des Reifentausches sahen wir die Nachfolger den Berg
hinunter rasen und hörten noch andere Reifen platzen. Am Ende der
Geraden mussten hier alle abrupt vor einem Stop Schild anbremsen Das
war leider suboptimal gelöst worden, ansonsten war die Strecke
wunderbar und machte Spaß zu fahren. Eine mehrere Kilometer Abfahrt lange auf tollem Asphalt kam dann später
noch dazu.
Auch hier stanken die Bremsbeläge bald und wurden
zusehends immer dünner, die Hände hatten einiges zu tun um die
Bremsgriffe weiterhin zu zu drücken. Und dann kamen die ersehnten
letzten Kilometer über wunderschöne Wege auf denen wir klitschnass,
saudreckig, müde und voller Euphorie nur noch bergab bis nach Gaiole
rollten um glücklich die Ziellinie zu überqueren.
Die Pasta
Party wird hier nach dem Fahren abgehalten und wir konnten so alle
nochmal zusammen sitzen und uns an den letzten Stunden erfreuen. Bis
dem einen und anderen die Augen zu fielen…..
Ein
kühler Morgen im September. Die Luft ist feucht, der Himmel bedeckt
und die Stimmung ist herbstlich grau. Die Radsaison neigt sich dem
Ende entgegen. Im Wald erhält das ohnehin gedämpfte Tageslicht
einen Schleier von grün und braun. Da sind die plötzlich
auftauchenden Farbtupfer ein fröhlicher Kontrast.
Im
Dämmerlicht des Waldes sind die alten, verwaschenen Wolltrikots
wahrhaft leuchtende Punkte. Gerade noch fuhren wir parlierend als
geschlossenes Feld dahin. Nette Gespräche links und rechts,
Technik-, Touren- und Ausrüstungstipps vorne und hinten. Welch
angenehme Gesellschaft.
Das
Peloton nimmt die Form einer Perlschnur an. Von der Spitze ist
bereits das mahlende Schmatzen von mindestens 28 mm breiten Reifen im
feinen Schotter zu hören. Die folgenden Fahrer versuchen irgendwie
am Vordermann vorbei zu schielen, um ungeliebten Überraschungen des
losen und unregelmäßigen Untergrundes aus dem Weg zu lenken.
Sechzig Beine wuchten rund dreihundert Kilo Stahl über den schmalen
Waldweg. Der Untergrund wird feiner und einen Augenblick später
finden wir uns im Sand wieder. Es wird konzentriert gesteuert und
nicht weniger konzentriert pedaliert. Hinter einer engen Kurve steigt
der Weg steil an. Fast synchron greifen die Fahrer nach unten und
lockern einen Pedalriemen. Bloß nicht stürzen weil man nicht
rechtzeitig einen Fuß auf den Boden bekommt. Die Routiniers haben
mit dem rechten Unterrohrschalthebel noch schnell in einen leichteren
Gang geschaltet, bevor sie weiter nach unten griffen. Die anderen
quälen die Kette nun unter hörbar mechanischer Geräuschkulisse auf
ein größeres Ritzel. Das Problem habe ich mit meinem Starrgangrad
nicht. Aber dafür muss ich ganz schön in die Pedale treten. Wo die
Bremsschalthebel sind? – An den Rädern zu Hause!
Hier
ist Retro angesagt. Wir befinden uns auf der 152 km langen
sogenannten „Heldenrunde“ der „Velo Classico“. Wie bei der
L’Eroica, dem großen italienischen Vorbild in der Toskana, geht es
ebenfalls um eine kleine Hommage an die Anfänge des Radsports. Daher
geht es auch über Stock und Stein, schließlich waren die Straßen
damals auch alles andere als befestigt. Es sollte sich aber niemand
abschrecken lassen. Die Route ist fein ausgesucht und führt durch
eine wunderschöne, ruhige Landschaft. Die Abschnitte unbefestigter
Wege sind insgesamt nicht besonders lang und problemlos zu
bewältigen. Zudem werden auch noch zwei kürzere Strecken angeboten,
die Genießer- und die Liebhaberrunde.
Allen Strecken gleich sind die
mit Liebe ausgesuchten und vor allem betreuten Depots. Jedes Depot
hat ein historisches Ambiente und manch historisches Gewand kommt zum
Einsatz. Es herrscht eine absolut tiefenentspannte Atmosphäre und
ich nehme mir an jedem Depot die Zeit mit den Leuten zu schnacken.
Und von den regionalen Köstlichkeiten zu naschen…
Die
Premiere der „Velo Classico“ fand im mecklenburgischen
Ludwigslust statt. Start und Ziel waren auf der Hofdamenallee im
weitläufigen Garten des Barockschlosses eingerichtet. Bei der
Einfahrt ins Ziel war das Schloss eine fantastische Kulisse. Im
Garten des Schweizer Hauses gab es ab Samstag Mittag einen kleinen
Teilemarkt, exklusive Radfahrmode in Tweed und jede Menge Räder. Das
Spektrum reichte vom professionell restaurierten Boliden bis zum
Scheunenfund. Besonders beeindruckend fand ich ein Opel Rennrad von
1906, welches von seinem Fahrer sogar über die „Heldenrunde“
getrieben wurde. Ansonsten wurde einfach viel gefachsimpelt und
geschnackt. Das Schöne ist, dass irgendwie jeder eine persönliche,
alte Fahrradgeschichte erzählen kann.
Der
organisatorischen und logistischen Raffinesse von Michael und Basti
ist es zu verdanken, dass der ABC bei der Premiere der „Velo
Classico“ einen beachtlichen Stand mit insgesamt neun Fahrrädern
aus unterschiedlichen Epochen beisteuern konnte. „ABC-Sympathisanten“
verwöhnten uns sogar mit einem exklusiven ABC-Kuchen.
Am
Sonntag fanden die Ausfahrten statt. Die Startzeiten waren so
gestaffelt, dass alle Teilnehmer die zweite Tageshälfte im Garten
des Schweizer Hauses bei Live Musik, Futter und Getränken genießen
konnten. Bei nachmittäglichem Sonnenschein fand sich auch deutlich
mehr Publikum ein als am Tag zuvor. Die Preisverleihung zum Ende der
Veranstaltung brachte dann noch einmal echte Glanzlichter hervor. Zum
Beispiel ein 30 Kilogramm schweres Schweizer Armeerad von 1935,
welches von seinem Besitzer in Originaluniform über die
Liebhaber-Runde bewegt wurde. (Da muss man sein Rad wirklich lieb
haben.) Ferner wurden weitere besondere Räder und Radler/innen mit
ausgesprochen stilvollem Outfit vorgestellt.
Da
mir als Nicht-Hamburger manche Vereinsaktivitäten entfernungsbedingt
vergönnt sind, habe ich die angenehme Zeit mit den ABC’lern
Michael und Basti besonders genossen.
Zum Ende einer
sportlichen Radsaison fand ich die völlige Entschleunigung des
Retro-Radelns und die vielen interessanten Gespräche äußerst
angenehm. Und auch anregend. Denn nun beginnt wieder die Zeit des
Pläneschmiedens. Willkommen Herbst.
„Paris – Brest“
die Kombination der beiden französischen Städte ist Musik in den
Ohren von Radsport-Begeisterten, atmet Geschichte und Mythen, selbst
ein Gebäck wurde danach benannt. Erstmals 1891 ausgetragen sollte
das Radrennen Paris-Brest-Paris (PBP) angesichts der - damals alle
Vorstellungen sprengenden - Distanz von 1200 Kilometern die große
Leistungsfähigkeit des modernen, luftbereiften Fahrrads
demonstrieren. Diese Demonstration glückte vollends und der erste
Sieger, Charles Terront, avancierte in Frankreich zum hofierten Star.
PBP, das aufgrund seiner Monstrosität, vor der seinerzeit Ärzte
angesichts der „Überdosis“ Radfahren ausdrücklich warnten, nur
alle zehn Jahre stattfinden sollte, schrieb nicht nur Geschichte,
sondern ebnete den Siegeszug des Fahrrads in und außerhalb
Frankreichs. Auch in Deutschland, wo in der Folge ebenfalls
„Distanzfahrten“ wie Wien-Berlin (1893) die Öffentlichkeit
begeisterten. Im Laufe des 20. Jahrhunderts wandelte sich der
Charakter vom Radrennen zur Langstreckenfahrt. Die „Randonneure“
(frz. Rad/Wanderer) nahmen sich PBP an und fuhren zumeist „gegen
sich selbst“.
***
Vor einigen Jahre
hätte ich nicht einmal im Traum daran gedacht, eine Strecke von
knapp über 1200 Kilometern in wenigen Tagen zu fahren - maximal 90
Stunden gestatten die Veranstalter, der Audax Club Parisien. Das
Ziel, in Paris an den Start zu gehen, entwickelte sich bei mir ganz
allmählich und fast „automatisch“ durch die Teilnahme an der
Brevets der Audax Randonneurs Allemagne (ARA) in Hamburg. Im
vergangenen Jahr war es dann irgendwann klar, dass Lars B. und meine
Wenigkeit Paris-Brest-Paris fahren werden. Bei mir kommt hinzu, dass
ich die Bretagne sehr gerne mag und dort auch schon auf Radreise
unterwegs war. Die Vorstellung, von Paris in die Bretagne zu fahren,
mit mehreren tausend mehr oder minder „Gleichgesinnten“, war
einfach verlockend.
***
Eine spezielle
Vorbereitung genehmigte ich mir außer den notwenigen Brevets
(200-600 km) und einigen mittleren bis längeren Ausfahrten nicht.
Die Monate und Wochen verstrichen. Und auf einmal war es soweit und
wir, Lars & Lars, reisten nach Paris. Am Samstag (19.8) holten
wir unsere Unterlagen und die Rahmennummer – meine lautete J303,
Lars war B234 - im Velodrom von St. Quentin en Yvelines ab und waren
angetan von dem babylonischen Sprachgewirr und dem Anblick der
Randonneure aus der ganzen Welt. Bärtige Inder, laute Texaner,
Briten, ältere Franzosen, Japaner, Chinesen, herausgeputzte
Italiener, wortkarge Finnen, massenhaft Deutsche, bis auf Afrika war
wirklich fast die ganze Welt vertreten. Die Atmosphäre war wirklich
besonders und versetzte uns in einige besondere Stimmung.
Am nächsten Tag,
dem Sonntag, sollte es dann endlich losgehen. Stunden vor dem Start
merkte ich, dass ich aufgeregt bin. Wie bei einer Prüfung fühlte
ich mich … und es sollte ja auch eine Prüfung werden. Lars
startete zwei Stunden vor mir und dann ging es endlich um 18.00 Uhr
auch für mich los.
Der Weg raus aus der
Stadt war etwas unübersichtlich, es wurde schnell gefahren und die
ein oder andere gefährliche Stelle galt es zu umschiffen.
Je mehr wir uns von
Paris entfernen, desto ruhiger wird es. Es sind viele Fahrer und
Fahrerinnen unterwegs und so wechsle ich fleißig die Gruppen.
Langsamere überhole, ich werde von Schnelleren überholt, einige
trifft man immer wieder und kommt hin und wieder auch einmal ins
Gespräch. Ich überhole noch bei Tageslicht zwei Italiener auf rund
100 Jahre alten Rädern, beide in mausgraue Wolle gewandet und mit
obligatorischem Bartschmuck. Unglaublich, 1200 Kilometer mehr oder
minder am Stück darauf zurückzulegen.
Es wird dunkel und
alle rüsten sich für die Nacht, u.a. mit der PBP-Signalweste. Ich
komme für meinen Geschmack ganz gut voran und erreiche nach 221
Kilometern um 2.36 Uhr die erste Kontrollstation in
Villaines-la-Juhel. Nach kurzer Pause geht es weiter in die Nacht.
Ich lasse mich treiben und fahre möglichst stoisch die Hügel rauf
und runter. Eine „Strategie“ habe ich nicht wirklich, mal sehen
wie weit ich komme.
Es wird hell. Im
Laufe des Tages steigen die Temperaturen und gegen Mittag habe ich
einen kleinen Hänger. Ich bin mehr oder minder durchgefahren, müde
bin ich zwar nicht besonders, aber die Beine möchten jetzt etwas
Ruhe. Kurz mache ich in der Nähe eines Friedhofs Rast und betrachte
die vorbeifahrenden Teilnehmer. Ich fahre zwar kein Rennen, und achte
auch nicht wirklich auf meine Zeit, aber das macht mich schon etwas
unruhig. Also weiter.
Die Landschaft ist
anschließend sehr schön, selbstverständlich auch hier hügelig,
und ich genieße manchen Blick. Hin und wieder kommt ein Zug von
hinten, manchmal klinke ich mich ein. Einige sind mir aber zu
schnell.
Abends wird es
kühler, was sehr angenehm ist. Irgendwo vor Brest treffe ich Lars
aus Altona, wir fahren anschließend zusammen (und werden dann auch
zusammen, viele Stunden später, in Paris eintrudeln).
Die Kilometer vor
Brest werden zunehmend anstrengender. Zum einen gilt es den Roc'h
Trevezel zu bezwingen. Auf der folgenden Abfahrt nach Brest wird es
jetzt, mitten in der Nacht, richtig kalt. Wir fahren ein Stück mit
Matt, der die Gabe (oder das Problem, je nachdem …) hat, mit
wirklichem jedem Menschen sofort ins Gespräch zu kommen. Der Weg
nach Brest wird dann unangenehm kompliziert, es ist dunkel, immer
noch hügelig, verwinkelt; ich bin froh als wir nach Mitternacht in
der Kontrollstelle ankommen.
Freie Betten gibt es
nicht mehr. Matt kommt mit ein paar Kartons an … „I’ve got my
bed!“ So machen wir das auch. Die Rettungsdecken knistern, ich
nehme die Signalweste als Decke und wir schlafen so zwei Stündchen.
Und welch Wunder: der Schlaf ist erholsam. Wir essen etwas – ich
tippe, dass es belegte Baguettes waren, kann mich aber aufgrund der
ca. 19 Baguettes auf dem Weg nicht mehr so genau erinnern.
Es geht wieder raus
aus Brest. Es ist immer noch dunkel, aber nicht mehr ganz so kalt.
Nebel taucht die Kulisse in eine unwirkliche Stimmung.
Wir haben
über die Hälfte hinter uns. Uns kommen jetzt viele Fahrer entgegen,
auch einige Hamburger erkenne ich. Lars und ich haben ein ähnliches
Tempo, vor allem bergab ist es in Grüppchen – von oftmals
leichtgewichtigen Franzosen und Italienern – uns beiden nicht selten
etwas zu langsam.
Immer wieder stehen
Menschen an der Straße oder rufen uns aus dem Auto zu. Es ist eine
tolle Atmosphäre und es gibt einige Momente, die mich wirklich
rühren. „Allez, allez“ wird mir jedenfalls in Erinnerung bleiben. Irgendwo
kommen mir sogar Tränen angesichts der Schönheit der Landschaft –
oder habe ich es geträumt?
Die nächste Nacht.
Um 22.40 Uhr kommen wir in Fougères an. Eigentlich wollten wir hier
einige Stündchen ruhen. Die Kontrollstation ist angenehm, doch es
zieht uns weiter. So machen wir uns auf den Weg und fahren wieder in
die Nacht. Anfangs läuft es sehr gut, wir bilden mit einigen anderen
ein kleines Grüppchen. Doch die Strecke bis zur nächsten
Kontrollstation zieht sich. Ich sehe Dinge, wie beispielsweise einen
Igel auf der Straße, die nicht da sind, wie mir gesagt wird.
Irgendeiner, wird später erzählt, soll Elvis Presley in einem Baum gesehen haben; nun gut,
so schlimm ist es bei mir zum Glück nicht. Die Dunkelheit, die
psychedelischen Lichtreflexe der Lampen und strampelnden Beine haben
aber eine berauschende Wirkung. Richtig müde bin ich aber eigentlich
nicht.
Um 3.52 Uhr kommen wir
in Villaines an. Schnell etwas essen und dann ruhen wir, dieses Mal
in einem Schlafraum auf einer echten Matratze.
Morgens werde ich
geweckt. Wo bin ich? Ach ja, stimmt ja, PBP, wieder aufs Rad. Über
1000 Kilometer sind wir jetzt schon unterwegs. Streng genommen reicht
es mir mit Radfahren, aber die Strecke ist nun einmal etwas länger.
Wir schließen uns mit Detlef zusammen und machen zwischendurch immer
wieder mal ordentlich Druck. Wir kommen Paris jetzt immer näher.
Weit ist es jetzt
nicht mehr. Wir machen einige Witze, die Aussicht, demnächst vom Rad
zu steigen, beschwingt doch ziemlich. Ich freue mich auf ein Bier.
Und dann rollen wir auf das Gelände des Velodroms, einige Leute spenden Beifall und ich sehe Lars B. und wir klatschen uns ab.
Es ist geschafft,
PBP liegt nach insgesamt 73 Stunden hinter mir (womit ich zwei Stunden länger benötigte als Charles Terront 1891). Im Ziel trinken wir
zwei, drei Bierchen und ich genehmige mir eine Dusche. Ich fühle
mich ausgelaugt, habe aber bis auf eine etwas zwickende rechte Wade keine
größeren Probleme. Ich hatte mir im Vorfeld einen meiner
Brooks-Sättel aufs Rennrad montiert, eine weise Wahl, wenn ich mich
ausnahmsweise einmal selber loben darf, denn ich hatte an dieser
besondere Stelle der Kombination von Mensch/Maschine keinerlei Schmerzen. (Dafür hatte ich einen fiesen Kettenklemmer kurz vor St.
Patrick, doch zum Glück war die Verpflegungsstelle mitsamt
Radmechaniker nur rund einen Kilometer entfernt. Da hatte ich
riesiges Glück).
Im Ziel kommen wir
mit einigen ins Gespräch. Der Niederländer von unserem Campingplatz
erzählt von seinen Eindrücken. Neben uns sitzen auch zwei
Beigleit-Motorradfahrer, mit denen wir ins Gespräch kommen. Sie sind
ehrenamtlich dabei und sorgen für die Sicherheit der
Teilnehmer/innen. Was für eine Begeisterung ist ihren Worten zu
entnehmen. Sie berichten, dass es für sie auch nicht ganz ohne ist,
die lange Strecke abzufahren und auf die Randonneure zu achten. Als
Andenken schenken sie uns einen Aufnäher der „Motards du
Paris-Brest-Paris“. Wir, Lars und ich, sind wahrscheinlich die
einzigen Teilnehmer, die einen solchen Aufnäher bekommen. Die
ehrenamtlichen Helfer, an die 2000 sollen es gewesen sein, machen PBP
jedenfalls zu einer besonderen Veranstaltung. Es mag vielleicht nicht
alles so professionell wie bei anderen „Events“ ablaufen, aber
das Herzblut der Freiwilligen und der Menschen an der Strecke macht
Paris-Brest so intensiv, finde ich.
***
Einige Tage erfahre
ich leider von Stürzen und Unfällen, von denen auch einige mir
bekannte Personen betroffen waren. Ich hoffe, dass alle möglichst
bald wieder wohlauf sein werden.
***
PBP – es war hart,
es war traumhaft schön, es rührte mein Herz, es war eine Überdosis
Fahrrad, es reichte irgendwann, es kann durchaus sein, dass ich noch
einmal von Paris nach Brest und wieder zurück fahren werde …
***
(Tausend Dank an
Lars für die Fittiche, Lars für Windschatten und gute Laune, die
vielen Helferinnen und Helfer, die begeisterten Menschen an der
Strecke, und diejenigen, die mich in den letzten Jahren im
Langstrecken-Fahren motiviert und inspiriert haben).
Das jährliche Treffen des Vereins für
Historische Fahrräder e.V. ist für viele Liebhaber und
fahrradaffine Menschen ein fester Termin im Jahreskalender. Hier kann
man sich auf dem Teilemarkt „eindecken“, über die verschiedenen
Philosophien der Fahrradrestauration streiten und nahezu alle Themen
der Fahrradkultur diskutieren. In diesem Jahr ist die Rennkoppel in
Bad Segeberg, ca. 50 Kilometer von Hamburg entfernt, der
Austragungsort. Ein paar Stände stehen schon auf dem Platz, als ich
am Donnerstagnachmittag eintreffe. Und nach einer herzlichen
Begrüßung stellen auch wir unseren ABC-Pavillon vor der klassichen
Holztribühne, wo sonst die Pferdesportbegeisterten sitzen, auf.
Am Freitagmorgen beginne ich mit Nico
und Yvonne unseren Stand einzurichten: Wir hängen die Wimpel an,
bestücken die Vitrine und stellen unsere Fahrräder vor dem Stand
auf und harren der Dinge die da kommen. Die ersten Teilnehmer melden
sich an und auf dem Vorplatz treffen immer mehr Menschen und
Fahrräder ein. Wie bei jeder Velocipediade (Velo) wird auch in
diesem Jahr mit der traditionellen Auktion begonnen, die im Innenraum
der Tribüne stattfindet. Ab 14.00 Uhr wechseln unter der fundierten
Moderation von Dirk Breiholz seltene Fahrradteile, Plakate,
Emailleschilder und natürlich Fahrräder den Besitzer. „Zum
Ersten, zum Zweiten und zum Dritten“, – das Schweizer Ordonanzrad
aus den 1920er Jahren, geht bzw. fährt, wen wundert`s, zurück in
die Schweiz.
Von unserem ABC-Stand aus haben wir
unmittelbare Sicht auf die gegenüberliegenden Stände an denen
bereits rege verhandelt, getauscht und gefachsimpelt wird.
Viele
Besucher kommen auch zu unserem Stand, bestaunen die Exponate vom
ABC, vom Radballer Gustav Koeping, das Kinderhochrad aus der Fam. des
Kuntsradmeisters Richard Schulz und blättern durch Nikos neuen
Fahrradkalender für 2016. Sie erkundigen sich nach
unserem Verein, fragen nach was wir machen oder kennen uns bereits.
Und so geht es den ganzen Tag weiter bis in die späten Abendstunden.
Uwe zeigt mir noch ein paar interessante Aufnahmen von einem
Harburger Straßenrennfahrer und Marco erzählt von seiner
Hochradsammlung, bis ich nicht mehr aufnahmefähig bin und
alkoholgeschwängert mein mehr oder weniger bequemes Quartier im Auto
beziehe.
Nach einer sehr kalten Dusche auf dem
angrenzenden Tennisgelände, stehe ich am nächsten Morgen neben
unserer ABC Leinwand. Heute ist die Ausfahrt auf historischen
Fahrrädern für die sich alle schick gemacht haben. Sehr
eindrucksvoll lassen sich viele Teilnehmer im historischen Gewand
fotografieren. Es sind auch einige Kinder und Jugendliche darunter,
die sich ebenfalls in „Schale geworfen“ haben. Die Stimmung wird
noch besser, als der Himmel „aufreisst“, die Sonne heraus kommt
und die ca. 150 Teilnehmer auf ihren vernickelten, verchromten und
verrosteten Fahrrädern zum Wardersee starten. Auf halber Strecke
machen wir ein Picknick auf einer leicht abfallenden Wiese am Fuße
des Wardersees und haben genügend Zeit uns auszuruhen und zu
stärken. Bei strahlendem Wetter und fast defektfrei sind die Meisten
gegen 14.00 Uhr am Veranstaltungsort zurück. Als wir eintreffen,
herrscht schon reges Treiben am ABC-Stand. Unser Vereinsmitglied
Michael beantwortet bereitwillig alle Fragen und freut sich über
unsere Rückkehr. Turbulent verlaufen auch die nächsten Stunden, in
denen sich wieder einmal alles um das Thema Fahrrad dreht. Ich bin
immer wieder begeistert, welche Leidenschaften manche Liebhaber
entwickeln, auch wenn mich technikgeschichtliche Exkurse nicht immer
so detailliert wie manchmal vorgetragen interessieren.
Auf der „nagelneuen“ Uferprommenade
in Bad Segeberg schaue ich mir später noch das
„Hochradgleichmäßigkeitsfahren“ und die akrobatischen Einlagen
der Hochradfahrer an. Sehr eindrucksvoll steuern die Hochradfahrer
ihre Gefährte über die Prommenade am Segeberger See und das
Publikum applaudiert begeistert. Der Abend klingt im Restaurant
Klüthsee aus, wo sich die ca. 170 Teilnehmer versammeln. Nach den
Reden vom stellvertrenden Bürgermeister von Bad Segeberg und dem
Vorsitzenden des Vereins Historische Fahräder e.V. , Gerd Eggers,
der besonders die Gemeinschaft im Verein hervorhebt und die
Organisatoren lobt, freuen sich alle aufs Essen. Ich mache mich nach
einem deftigen und sehr leckeren Abendessen auf den Nachhauseweg. Auf
der zweistündigen Fahrt in den Sonnenuntergang hinein, zog ich ein
durchweg positives Fazit. Die zahlreichen Begegnungen in Bad Segeberg
haben mir wieder einmal gezeigt, wie facettenreich die Fahrradkultur
ist, wie viel Leidenschaft bei vielen dahinter steckt und wie viele
sympathische Menschen man in dieser Szene trifft.
Im Namen des ABC möchte ich mich ganz
herzlich bei den Organisatoren Nils Gronmeyer und Kay Kelterer sowie
bei den zahlreichen Helfern bedanken, die eine tolle Velo 2015
organisiert und durchgeführt haben. Ein besonderer Dank geht auch an
unsere ABCer Nico und Yvonne Thomas, Michael Jahnke, Basti Grünow
sowie Nico Boer, die ihre Exponate zur Verfügung stellten,
„angepackt haben“ und den ABC an diesem Wochenende vertraten.
Samstag 18. Juli
2015. – Ich stehe vor einer 10,0 Kilogramm wiegenden Maschine. Sie
stellt für mich in gewisser Weise die höchste Evolutionsstufe einer
Mensch-Maschine Kombination dar.
10,0 Kilogramm wohl
gezogenen, von Hand gefügten Stahls sowie eine Komposition aus
Aluminium, Titan und einigen anderen Materialien. 10,0 Kilogramm, die
meine Muskelkraft effektiv in Bewegung umsetzen werden und mich mit
meiner Minimalausrüstung einem definierten Ziel entgegen bringen
werden.
Behutsam wische ich
mit einem weichen Tuch den Staub der letzten Fahrt von den
Rahmenrohren.
Jedes wichtige
Detail wird einer letzten Prüfung unterzogen. Schweigend und
gedankenversunken bleibe ich vor meiner Maschine stehen. Meinem
Randonneur-Rad, das mir Günter Krautscheid gebaut hat.
Wahrscheinlich geht
es in diesem Moment rund zweihundertdreißig über Europa
verstreuten Pedaleuren ebenso wie mir. Gedanken kreisen um Fragen,
Sorgen und Unwägbarkeiten…aber auch die kraftvolle, innere
Haltung, das Ziel zu erreichen.
Wie die Mücken ins
Licht, werden die Pedaleure am Freitag den 24.07.2015 in das Zentrum
von Geraardsbergen in Flandern streben, um exakt zur Mitternacht im
Scheine ihre Kopf- und Radlampen aufzubrechen.
Aufzubrechen zum
Transcontinental Race, einem Radrennen der besonderen Art. Die
Philosophie des Rennens ist ein ‚unsupported Race‘. Das bedeutet
jeder Fahrer trägt ausschließlich selber Sorge für seine Logistik.
Unterstützung durch Dritte, wie etwa Begleitfahrzeuge, ist nicht
erlaubt. Damit greift das Rennen den Geist der Geschichte der großen
Rundfahrten auf. In den Anfängen konnten die Fahrer nicht auf
Unterstützung hoffen und waren absolut auf sich allein gestellt.
Beispielsweise mussten sie Reparaturen gemäß Reglement komplett
alleine ausführen. Dramen haben sich ereignet und Mythen sind
entstanden. Noch heute zählen diese zu den ganz großen Geschichten
des Straßenradsports.
Wenn wir in
Geraardsbergen starten, wird jeder Fahrer seine eigene große
Geschichte erleben und innerlich festschreiben. Die Stoppuhr läuft
vom Start bis zum Ziel. Jeder wählt seine Route, seine Etappen und
seinen Rhythmus. Vier Kontrollpunkte sind während des Rennens zum
Abstempeln der Brevet Karte anzufahren. 1. Mount Ventoux (ganz oben)
2. Strada dell’Assietta (ca. 40 km Schotter und ganz viel oben)
3. Vukovar (Kroatien ganz unten rechts) 4. Mount Lovcen, Montenegro
(wieder ganz oben). Vom vierten Kontrollpunkt geht es (mehr oder
weniger) direkt zum Ziel : Istanbul (Gesamtstrecke etwa 4.200
Kilometer)…
Weiteres nach der
Rückkehr oder vielleicht auch mal von unterwegs.
Am Ende gab es
Schokolade. Zuckersüß ging es aber keineswegs die ganze Zeit auf
dem Brevet von Brüssel nach Paris und zurück nach Brüssel zu.
Schließlich sollten genau 610 Kilometer zurückgelegt werden, nicht
unbedingt ein Zuckerschlecken … Eigentlich wollte ich den mir noch
fehlenden „600er“ Ende Mai in Hamburg fahren, allerdings merkte
ich am Vorabend um 22.00 Uhr, dass ich noch keinerlei Vorbereitungen
getroffen hatte. Dies war ein mehr als klares Zeichen für meine
fehlende mentale Einstimmung. Ich entschloss mich deshalb später und
woanders zu starten. Es schmerzte ein wenig, zu gerne wäre ich bei
der „Brocken“-Tour dabei gewesen – es ging von Hamburg zum
Brocken rauf und wieder zurück. Also hieß es für mich anderswo
starten. Bloß wo? Viele Möglichkeiten blieben nicht mehr: Ostfalen,
Kopenhagen … und Brüssel-Paris-Brüssel, worauf Magnus gestoßen
war. Wir beschlossen gemeinsame Sache zu machen und zusammen dorthin
zu fahren, um neben radsportlicher „Auslandserfahrung“ auch die
Serie von 200-300-400-600km zu komplettieren.
Am Freitag ging es
gegen Mittag per Bulli von Hamburg los, ich durfte nach längerer
Stau-Abstinenz endlich einmal wieder einen Stau bei Hannover erleben;
unterwegs sammelte ich Magnus ein, durchs Ruhrgebiet fuhren wir nach
Belgien.
Abends, bei
Dämmerung erreichten wir unser Ziel, die Kneipe „Wie anders?“,
von der am Samstag Morgen der Brevet starten sollte. Die Kneipe mit
dem „putzigen“ Namen hatte allerdings zu, ein belgisches Bier, um
genau zu sein: zwei, gönnte ich mir allerdings auf dem zentralen
Platz von Groot Bijgaarden, einem westlichen Vorort von Brüssel. Wir
präparierten noch unsere Räder, packten die Sachen zusammen und
legten uns dann im Bus ca. 30 Meter vom Startort entfernt schlafen.
Am nächsten Morgen
wachten wir rechtzeitig auf, es war an der Straße doch etwas lauter
als erwartet. Wir verabreichten uns ein schnelles Frühstück, rein
in die Klamotten und so langsam sammelten sich auch schon die
belgischen Randonneure vor der Kneipe. Die meisten Teilnehmer, Frauen
waren nicht darunter, entschieden sich für die De Luxe-Version
mitsamt Gepäcktransport und Übernachtung. Wir wollten hingegen die
Harte Hunde-Nummer durchziehen: kein Schlaf, keine Dusche, kein
Luxus, kein Schnickschnack. Wir waren ja schließlich nicht zum
Vergnügen nach Belgien gefahren, sondern wollten ein wenig leiden.
Ohne viel Tamtam und
große Reden fuhren wir pünktlich um 8.00 Uhr los. Es ging Richtung
Südwesten zum Wendepunkt namens, kein Witz, St. Witz, nach 280
Kilometern und rund 30 Kilometer von Paris entfernt. (Der Track
findet sich hier). Anfangs fuhren wir durch Wallonien, ein Hügel
folgte dem nächsten, keine nennenswerten Anstiege, dafür aber ein
ständiges Auf und Ab. Zudem mussten wir uns auf dem Hinweg mit
seitlichem Gegenwind arrangieren, der spürbar bremste.
Kurz hinter Mons
erreichten wir nach 65 Kilometern die erste Kontrollstelle. Die
Gruppe von ca. zehn Leuten, in der wir fuhren, machte erst einmal bei
einem Kaffee Pause – Magnus und ich beschlossen alleine
weiterzufahren. Bald erreichten wir die französische Grenze und
durchquerten das Department Nord, ebenfalls recht wellig und hügelig.
Es folgte eine traumhafte Strecke auf sehr ruhigen und zumeist
kleinen Straßen. Es ging durch Wälder und kleine Ortschaften, bei
mir machte sich Urlaubsstimmung breit.
Bei Kilometer 100
erblickten wir Frank, den Veranstalter und einen Helfer, die in einem
Waldstück eine Geheimkontrolle machten. Bei der Gelegenheit gab es
für uns ein paar Getränke und ein paar Snacks.
Weiter ging es,
allerdings merkte ich alsbald ein Zwicken im rechten Oberschenkel.
Eine Krampfneigung kündigte sich an und wollte sich Bahn brechen und
das nach rund 110 Kilometern. Nicht wirklich ideal, wenn noch 500 zu
fahren sind … Lag es an der langen Autofahrt am Vortag? Ich begann
jetzt wirklich zu schwächeln und bekam keinen Druck mehr aufs Pedal.
Dazu ständig Hügel und Gegenwind. Negative Gedanken machten sich
breit. Ich musste mich immer wieder hinter Magnus zurückfallen
lassen, der mir in der Ferne den Weg wies. Ohne sein Navigationsgerät
wäre ich zudem aufgeschmissen gewesen, denn die Strecke ohne ein
solches zu fahren, wäre sicherlich möglich gewesen, hätte aber
vermutlich neun Tage benötigt.
Es nützte alles
nichts: Ich durchlebte eine veritable Krise und das bereits nach
verlgeichsweise wenig Kilometern. Die 200 wollte ich aber jedenfalls
voll machen, um dann zu schauen ob ich nach den Tausend Toden an den
Tausenden Hügeln eine Wiedergeburt erleben könnte. Zudem hatte
Frank ein solch menschenleere Strecke entworfen, dass ein Ausstieg
per Bus und Bahn praktisch wohl kaum möglich gewesen wäre. Vielen
Dank auch dafür noch einmal, Frank! Zudem sprach mir Magnus gut zu,
vielen Dank noch einmal für die Hilfe, Magnus!
Irgendwie ging es
weiter. Ich berappelte mich nach einiger Zeit ein wenig. Wir kamen
schließlich Paris und damit dem Wendepunkt näher. Die Aussicht auf
bessere Winde, sprich: Rückenwind, belebte mich und meine müden
Knochen zusätzlich. Ich konnte jetzt endlich wieder die Strecke
genießen: die einsamen Straßen, die leeren Dörfer, und auch die
Hügel entfalteten auf einmal eine Ästhetik, die mir zuvor noch
verschlossen geblieben war. Ungefähr alle 30 Minuten überholte uns
einmal ein Auto, teilweise kam es mir vor als ob wir die letzten
Menschen auf der Welt seien. Die wenigen Autofahrer waren zudem
Franzosen und keine Deutsche – ein Unterschied wie Tag und Nacht,
den ich jedes Mal auf dem Fahrrad in Frankreich erlebe.
Wir machten jetzt
regelmäßig, aber zumeist kurze Pausen. Etwa in Pierrefonds nach 230
Kilometern. Wir konsumierten einiges an gezuckerten Kaltgetränken,
sommerlich und warm war es geworden.
Weiter ging es
Richtung Süden. Das letzte Stück zum Wendepunkt in St. Witz, ca. 30
Kilometer nördlich von Paris war wieder ein Waldgebiet, weshalb es
angenehm kühl wurde.
In St. Witz erwartete uns schon Frank, wieder
mit Getränken und kleinen Stärkungen. Die erste Gruppe kam uns
frisch geduscht und fertig für das abendliche Unterhaltungsprogramm
entgegen. Wir verabreichten uns Pizza und Nudeln und machten uns
danach fertig für die Nacht.
Es wurde jetzt
dunkel. Die folgende Strecke sollte ca. 60 Kilometer durch einen Wald und den
Naturpark Oise gehen. Der Abschnitt gestaltete sich recht schwierig
für eine Nachtfahrt, da wir auf sehr kleinen Straßen fuhren und
ständig mit Schlaglöchern rechnen mussten. Mehrere Male kamen wir
Rehen ziemlich nahe, was eine weitere Gefahr darstellte. Dann folgte
auch noch eine Sandpassage … Eine Liegeradfahrer schloss von hinten
auf und zu dritt versuchten wir die Wege möglichst gut
auszuleuchten. Magnus und ich fuhren die ganze Zeit nebeneinander, um
mehr Licht zu haben, was ganz gut funktionierte
Wir erreichten
Chantilly und das dortige Schloss. Das Kopfsteinpflaster war ein
echter Material- und Nerventest. Den sandigen Fußweg konnten wir in
der Dunkelheit nicht sehen. Wir erfuhren von unserem Begleiter, dass
Ludwig XIV. und die anderen französischen Könige das Gebiet als
Jagdrevier verwendeten und zum Plaisir den einen oder anderen Hirsch
erlegten.
Unsere Freude stieg
beträchtlich als wir aus dem Wald herauskamen und auf größeren
Straßen unseren Weg in Richtung Compiègne fortsetzen konnten. Dort
angekommen wollten wir eigentlich unsere Flaschen nachfüllen und ein
wenig Essen besorgen. Wir verpassen aber die Stadtmitte und fahren
einfach weiter.
Es war jetzt tiefe
Nacht. War es tagsüber schon menschenleer, so ist die Gegend nun
völlig ausgestorben. Geschlossen waren auch die nächsten beiden
Kontrollstellen, eine in Noyon gelegen. Dort begutachtete uns nur die
örtliche Polizei aus ihrem Auto und das gleich mehrmals. Haben die
Herren französischen Polizisten etwa noch nie etwas von Randonneuren
gehört, die die Nacht zum Tag machen?
Die 400 Kilometer
machen wir kurz danach voll. So langsam wird es schon ein wenig hell
am Himmel. Der Morgen lässt aber noch auf sich warten, während
gleichmäßig und gleichmütig pedalieren. Wir durchfahren Péronne,
weiter nach Norden, vom Department Somme geht es wieder ins
Department Nord. Irgendwann kommt dann der magische Moment: die Sonne
geht auf. Es wird hell und wir können frohen Mutes wieder etwas mehr
Fahrt aufnehmen.
So langsam macht
sich aber Hunger bemerkbar. In einem Dorf reicht es verführerisch
nach frischem Brot und Croissants. Die Bäckereien haben aber leider
noch nicht geöffnet. Wir werden müde und beschließen gegen 6.00
Uhr ein wenig in einem „EC-Hotel“ zu ruhen. In einer Filiale von
Credit Agricole machen wir es uns gemütlich. Herrlich wie die
Geldautomaten wärmen! Nach 15 Minuten wachen wir auf, der Wecker
klingelt. Guten Morgen. Wir haben da ja noch etwas vor, fast hätte
ich es vergessen. Überraschung, Überraschung: Ich fühle mich recht
frisch. Schnell geht es weiter, bevor noch ein Kunde Geld abheben
möchte.
Endlich finden wir
dann auf dem weiteren Weg eine geöffnete Boulangerie. Die Croissants
sind etwas enttäuschen, dafür mundet die Cola ziemlich gut. Dafür
sind die Zeichen der kommendenTour de France nicht zu übersehen.
Hier und auch andernorts.
Es wird jetzt immer
wärmer und wir genießen die Fahrt. In der Erinnerung verschwimmen
die vielen Orte und Dörfer zu einer langen Kette kurzer schöner
Momente.
Ein Stück wird aber vor allem in Erinnerung bleiben. Bei
Carnières fahren wir zwei Kilometer der Strecke von Paris-Roubaix.
Die Pflastersteine in Verbindung mit den Anstiegen und Abfahrten sind
im wahrsten Sinne des Wortes eindrucksvoll. Wir machen ein paar
Poser-Fotos von uns. (Dieser Teil der Strecke wird auf der vierten
Etappe der diesjährigen Tour de France befahren werden, wie ich
später erfahren werde).
Wir überholen
irgendwo im Rausch eine Parade historischer und qualmender Traktoren.
Irgendwo anders sind
wir auf einmal kurz Teil einer Fahrrad-Demo mit ganz vielen Kindern.
Nach etwas mehr als
500 Kilometern erreichen wir wieder Belgien. Es wird jetzt wirklich
heiß. Ich bin mal wieder ganz in schwarz gewandet … Ich muss mal
wieder Pause machen.
Wir fahren
anschließend sehr lang an einem Kanal entlang. Bäume spenden immer
wieder willkommenen Schatten. Ausflügler kommen uns entgegen oder werden von uns überholt. Wir wollen jetzt wirklich ins Ziel, es ist
schließlich schon Nachmittag und so langsam reicht es denn auch.
Gegen Ende haben wir
ausnahmsweise einmal kleinere Probleme mit der Navigation. Nach 570
Kilometern fahren wir durch Geraardsbergen, die dortige „Muur“
müssen wir zum Glück nicht hoch.
Weiter geht es am
Kanal. Auf einmal, kurz vor der Ankunft, kommt uns Frank, der
Veranstalter, entgegen. Wir seien die 4 und die 5, die ins Ziel
eintrudeln. Er geleitet uns ein paar Kilometer zu sich nach Hause
nach Groot Bijgaarden. Im Ziel gibt es dann – mal wieder – eine
kalte Cola und ein paar Snacks. Wir übergeben unsere Kontrollkarten
und berichten über unsere Erfahrungen und bedanken uns. Kurz danach
kommt Rick. Wir schnacken ein wenig, wollen aber dann zurück zum
Bus, um Essen zu fassen und uns ein wenig dringend notwendigen
körperlichen Hygiene widmen. Im Bus machen wir uns lang – und
schlafen schnell ein. Das von Frank versprochene belgische Bier
verpasse ich deshalb leider, was natürlich äußerst schade ist.
Nach zehn Stunden
wachen wir – wie neugeboren – auf. Wir haben die 600 Kilometer
zurückgelegt. Wir beide, Magnus und ich, sind die ganze Serie
gefahren und damit „Super Randonneur“. Nicht zuletzt sind wir für
Paris-Brest-Paris qualifiziert. Es fühlt sich gut an.
***
Vielen Dank an Frank
für die wunderschöne Strecke und den Support, tausend Dank an
Magnus für die gemeinsame Erfahrung und das zwischenzeitliche
„Mitziehen“. Ein Großes Danke auch an Stefan für seinen Bus,
der den ganzen Trip deutlich vereinfacht hat.
Brevet fahren in
Belgien und Frankreich – ich bin begeistert! Viel besser kann es
nicht werden.
Nach BPB kann PBP
also kommen. Bald, im August, ist es so weit …