Baltikum-Tour - Fortsetzung

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13. Tag, 28.08.2016

Ventspils an der Mündung des Flusses Venta gelegen, blickt auf eine lange Tradition als Hafenstadt zurück. 1253 erstmals schriftlich erwähnt, gehörte die Hafenstadt später zeitweise der Hanse an. Ab 1642 avancierte sie zu einem Zentrum des Schiffsbaus. 44 Kriegs- und 79 Handelsschiffe liefen vom Stapel. Angeblich sollen von hier sogar Flotten zur Kolonialisierung von Gambia und Tobago gestartet sein. Unter sowjetischer Herrschaft wurde nach dem zweiten Weltkrieg eine Ölpipeline nach Ventspils verlegt. Auch aufgrund der Eisfreiheit wurde Ventspils für Russland zu einem wichtigen Exporthafen für Erdöl und Kohle. Durch die Hafeneinahmen ist Ventspils eine der wohlhabendsten Städte Lettlands.

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Nach dem Frühstück kurve ich mit meinem bepackten Rad noch eine gute Stunde durch verschiedene Ecken und Winkel von Stadt und Hafen. Ich liebe diese kleinen Hafenstädte, in denen der Hafen noch organischer Bestandteil der Stadt ist und kein autonomes Dasein führt.

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Dann erst geht es nach Nordost, in Richtung der Landspitze Kolkasrogs. Ich rechne damit, dass vor mir die 83 einsamsten Kilometer der Tour liegen. Keine Ortschaften, einfach nichts. Das Wetter ist grau, es nieselt ununterbrochen . Die Nadelbäume rechts und links der Straße sind, wie Nadelbäume nun einmal so sind. Es geht viel geradeaus und die Straße ist zum Teil außerordentlich rau. Wenigstens festigt sich die Erkenntnis, dass mein gesamtes Setup hervorragend passt. Rad und Laufräder meistern die Bedingungen souverän. Mit meinen leichten Gepäck sind die 28 mm Contis super. Für schwereres Gepäck würde ich breitere Pneus aufziehen. Die DT Swiss TK540 Felgen und auch die Durchlaufbereiche des Rahmens verkraften bis 42 mm breite Reifen. Damit würde ich mich auch für Fahrten in entlegende Gegenden gut gewappnet fühlen.

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Außer zwei Vermessern, die was auch immer vermessen, begegnen mir keine Menschen. (Abgesehen von den Insassen der rund fünf Autos pro Stunde, die ich sehe.) Nach etwa der Hälfte der Distanz lege ich eine Pause ein, um eine Kleinigkeit zu futtern. Just als ich wieder starten will, nehmen ich am südlichen Horizont der Straße einen Punkt wahr, der sich auf mich zu bewegt. Schnell erkenne ich darin einen Radfahrer. Natürlich warte ich noch so lange. 

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Es ist Alexandra aus Barcelona. (Übrigens mit Ortlieb Packtaschen…haha.) Wir freuen uns beide über die unerwartete Begegnung und schmieden eine Allianz für den zweiten Teil der langen Strecke. Natürlich gibt es eine Menge zu erzählen. Da ohnehin kaum Verkehr herrscht, fahren wir die ganze Zeit nebeneinander. Es sind gerade auch solche Begegnungen, die das Salz in der Suppe von Radtouren sind.

In Kolka trennen sich unsere Wege, da Alexandra Quartier beziehen will, während ich noch eine Weile weiter radeln werde. Als ich mich beim Krämer verpflege, stoße ich auf ein Paar aus den Niederlanden. Sie sind mit einem kuriosen Tandem unterwegs. Ein Liegetandem, bei dem jeder unabhängig von dem anderen ein Rad antreibt! Sie sind mit der, im übrigen deutschen, Konstruktion im vierten Jahr unterwegs und hoch zufrieden. Ich finde es total klasse, wie kreativ Radler nach Möglichkeiten suchen, zusammen auf Tour gehen zu können, obwohl die Leistungsunterschiede sehr groß sind.

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Bei mittlerweile trockenem Wetter radel ich noch rund 40 Gegenwindkilometer. Gerne würde ich noch 20 oder 30 weitere km fahren, aber es gibt dort keinerlei Unterkünfte.
Als es, gerade nachdem ich mein Quartier beziehe, zu regnen beginnt, bin ich doch äußerst zufrieden mit meinem Quartier. Wie ich überhaupt mit dem heutigen Tag zutiefst zufrieden bin.

5 km südl. Roja, 125 km, total 1.560 km


14. Tag, 19.08.2016

Ich wache auf und sehe Schatten. Nicht an der Wand und auch nicht vor dem inneren Auge. Nein, ich bin noch nicht zu viel Rad gefahren. Ich sehe Schatten, wenn ich aus dem Terrassenfenster in den Garten schaue. Es sind Schatten von Bäumen und Gebäuden. Und wo Schatten sind, ist bekanntlich auch Licht. Und das kommt in diesem Fall von der Sonne. Hurra, es gibt sie noch.

Frühstück gibt es erst um 09:00. Das ist mir zu spät. Ich lebe von meinen Vorräten in den Satteltaschen und sitze um 08:00 im Sattel. Ich hoffe irgendwo einen Kaffee auftreiben zu können. Das dauert dann über eine Stunde. Ein Krämerladen hat eine Kaffeemaschine an der Kasse stehen.

Hmm…das tut gut. Bisher ist die Straße  rau und rumpelig. Ich komme heute nicht so richtig in den Tritt. Und das, obwohl ich gestern abend gut gegessen und dann tief und viel geschlafen habe. Aber mit dem Kaffee geht es dann doch merklich besser.

Die Straße wird besser und die Sonne sorgt für eine angenehme Wärme. Und das Meer ist auch wieder blau. Immer wieder kann ich einen Blick auf den Rigaischen Meerbusen werfen.

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Das relativiert die 5 Bft aus Südost (also genau von vorne). Ansonsten steht auch wieder viel geradeaus auf dem Programm. Aber heute ist die Dichte der Ortschaften größer. Spannend wird es noch einmal in einem mehrere Kilometer langen Baustellenabschnitt. Auf Einwegpisten werde ich immer wieder mit entgegen kommenden Fahrzeugen oder Baumaschinen konfrontiert, denn für die Ampelphasen bin ich natürlich zu langsam. Aber es läuft alles völlig stressfrei ab.

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Die Ansteuerung von Riga verläuft dagegen einfacher als gedacht. Bereits 20 km vor dem Zentrum stoße ich auf eine entsprechende Radwegestrasse. Die ersten 10 km sind hundsmiserabel. Die letzten 10 km sind total super. Und schon geht es über eine monumentale Brücke in die Altstadt.

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Riga ist total faszinierend und sicherlich ein ganzes Wochenende wert. Ich cruise rund drei Stunden durch die Stadt und verschaffe mir einen bleibenden Eindruck. Es sind hier einige sehr gestylte Menschen unterwegs, deren Einkommensgefüge wohl weit über dem lettländischen Durchschnitt liegen dürfte. Erfreulich stelle ich fest, dass hier auch einige stylische Fahrräder unterwegs sind.

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Und außerdem ist noch ein Radler unterwegs, dessen Namen ich leider nicht richtig wiedergeben oder gar schreiben kann. Denn er kommt aus Xian in China.

Er ist über die Seidenstraße gekommen und will weiter nach Rom. Der Bursche hat bereits über 10.000 km auf der Uhr. Wir tauschen uns eine ganze Weile angeregt aus und ich muss zugeben, dass diese Begegnung dann, trotz großer Stadtgeschichte, mein persönliches Riga Highlight ist!

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Riga, 123 km, total 1.683 km


15. Tag, 20.08.2016

Die Sonne steigt über den gegenüber liegenden Häuserblock und weckt mich sanft. Und sie macht mich richtig munter für den neuen Tag. Das ist auch gut so, denn  durch die Recherche zur Seidenstraße ist es gestern doch etwas später geworden…

Mir scheint, ein Samstag Morgen ist eine gute Zeit, um auf einem Fahrrad Riga zu verlassen. Es ist nicht viel los auf den Straßen. Am Rande der Peripherie mache ich es wie alle anderen Verkehrsteilnehmer auch und fahre ohne Umschweife ein Stück auf der Autobahn. Wenn man lange genug unterwegs ist, sinkt die Hemmschwelle für so etwas deutlich.

Die Sonne lacht weiterhin, es ist windstill und angenehm warm. Auch heute ist wieder ganz viel geradeaus angesagt. Aber es ist der erste Tag seit dem ersten Tag, an dem die Straßenbeläge ohne Einschränkung zum Rollen einladen. Und ich lasse es ordentlich rollen. Von meinem vierzehn Fahrtagen wiesen die letzten dreizehn meistens Schwächen bei den Belägen auf.  Daher freue ich mich über die heutigen Voraussetzungen besonders.

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In Saulkrasti schiebe ich noch einen Kulturblock ein und besuche ein Museum. Ein Fahrradmuseum!  Den Tipp habe ich von Alexandra. Ein richtig guter Tipp, wie sich herausstellt. Im Grunde ist es eine private Sammlung, die vom Betreiber zugänglich gemacht wird. Der Schwerpunkt liegt auf Rädern lettländischer Produktion. Einige Ausländer wie Opel, Bauer oder Dürkopp finden sich auch unter den wirklich hervorragenden Exponaten.

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Meine Fahrt führt mich weiter nordwärts. Von Ainazi bis Häädemeeste führt eine kleine Straße zwischen skandinavisch wirkenden Holzhäusern hindurch. Das Meer ist dabei in Sichtweite. Das ist der bisher schönste Streckenabschnitt der Tour.

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Es folgt der unspektakuläre Grenzübertritt nach Estland und die flotte Weiterfahrt bis Pärnu. Nach 14 Fahrtage ist Tallin nun auf direktem Wege nur noch 130 km entfernt. Da ich noch etwas Zeit bis zur Rückreise habe, werde ich nun noch einen Blick in die Karte werfen und mal schauen, was mich hier noch so lockt.

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Pärnu, 178 km, total 1.861 km


16. Tag, 21.08.2016

Was mich so richtig locken würde, wäre St. Petersburg. Doch dafür reicht leider (!) weder meine Zeit, noch mein Visum.

Daher beschließe ich nach einer kleinen Stadtrundfahrt durch Pärnu einen großen westlichen Bogen zu fahren, anstatt direkt nach Tallin zu radeln. Der Tag meint es gut mit mir. Es ist sonnig und warm. Ich freue mich darüber, wie auch gestern, ohne Arm- und Beinlinge radeln zu können und Sonne und Luft an die Haut zu lassen. Heute schiebt sogar etwas Wind von hinten.

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Die Landschaft ist abwechslungsreich. Wälder, Felder und Wiesen wechseln einander ab. Farmen und Holzhäuser unterschiedlichen Zustands lassen den Blick nach rechts und links schweifen. Das Fahren ist angenehm kurzweilig. Ganze Dörfer bestehen aus Holzhäusern.

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In Lihula entdecke ich ein süßes Café in einem alten Herrenhaus. Das Haus hat seine besten Zeiten längs hinter sich. Die Familie ist irgendwann in die Vereinigten Staaten ausgewandert und die Sowjetzeit hat das Gebäude auch nicht besser aussehen lassen. Aber das Café hat definitiv Charme.

Ich sitze gerade wieder im Sattel, als ich im Westen eine enorm dunkle Wolkenfront entdecke. Meinen besten Hut würde ich darauf wetten, dass mir ein fettes Unwetter im Nacken sitzt. Vor mir liegen noch 80 km.

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Ich will mein Fell so teuer wie möglich verkaufen und versuche, so lange es geht trocken zu bleiben. 48 km kurbel ich in weniger als einer Stunde und vierzig Minuten. Dann lösen sich die Wolken so spontan auf, wie sie gekommen sind.

Gut, dass ich niemandem zum Wetten gefunden habe. Ich kann meinen Hut behalten. Entspannt radel ich die verbleibenden 32 km zu meinem Quartier. Heute, nach 1.999 km,  gönne ich mir etwas Besonderes.


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Padise, 138 km, total 1.999 km


17. Tag, 22.08.2016

Was für ein entspannter Tag! Ich bin kurz vor dem Ziel und die Distanz entspricht eher der einer kurzen Trainingsrunde. Frühstück gibt es erst um acht, so dass ich ein wenig länger schlafe. Das Frühstück findet im dem beeindruckenden Ambiente des Padise Manor statt, einem Herrenhaus mit gelebter Familientradition.

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Die Familie stammt aus Deutschland und hat wohl über knapp 200 Jahre ein landwirtschaftliches Gut aufgebaut und betrieben. In den Wirren des zweiten Weltkrieges flüchtete die Familie vor den heranrückenden russischen Truppen und landete in den Vereinigten Staaten von Amerika. Mit der Öffnung des Ostens nach 1989 kamen der Sohn und der Enkel der Familie zurück nach Estland und bauten den Hotelbetrieb auf. Somit setzt sich die mit dem Herrenhaus verbundene  Familientradition fort.

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Ich fahre nicht auf direktem Wege nach Tallin, sondern schlage einen westlichen Bogen über wenig befahrene Straßen ein. Dabei entdecke ich weitere Herrenhäuser. Das muss hier wohl früher eine reiche Gegend gewesen sein. Zudem gelingt mir noch der ein oder andere Blick auf’s Meer, was mich sehr freut.

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Tallin fasziniert mit einer tollen historischen Kullisse an Gebäuden und Gassen. Natürlich wird es stark touristisch ausgeschlachtet, aber ich finde es dennoch charmant. Abseits des Haupttrubels gönne mir ein koffeinhaltiges Heißgetränk in einem Straßencafé. Ich komme mit einem deutschen Paar ins Gespräch. Die beiden sind mit einer AIDA Kreuzfahrt unterwegs und wir tauschen unsere Erfahrungen über das Baltikum aus.
Fast könnte man meinen, wir wären in völlig unterschiedlichen Regionen unterwegs, so unterschiedlich sind die Wahrnehmungen.

Ich werde zwei Nächte in Tallin bleiben, dann mit der Fähre nach Helsinki übersetzen und nach einer weiteren Übernachtung geht es mit dem Dampfer nach Travemünde. Über Tallin werde ich morgen noch etwas berichten.

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Langeweile muss hier am Abend jedenfalls  nicht aufkommen. Außerdem kann ich ja morgen so richtig ausschlafen…smile.

Tallin, 69 km, total 2.068 km


18. Tag, 23.08.2016

Auf wilden Wölfen durch die Stadt reitende weibliche Wesen habe ich gestern nicht mehr gesehen. Heute geht es auch alles andere als wild zu. Bei mir und auch bei den vielen anderen Besuchern Tallins. Und hier sind nicht wenige Besucher unterwegs. Denn Tallin ist ganz klar ein starker touristischer Anziehungspunkt.

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Die Ursprünge der Stadt reichen bis in die Mitte des 11. Jahrhunderts zurück, als auf dem heutigen Domberg eine hölzerne Burg errichtet wurde. In dieser Zeit wurde auch ein Hafen angelegt. Den Namen Tallinn trägt die Stadt seit der Eroberung durch den dänischen König Waldemar im Jahr 1219. Tallinn bedeutet so viel wie “dänische Stadt” oder “dänische Burg”.

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Dänen und Deutsche prägten den wirtschaftlichen Aufstieg der Stadt. So wurden beispielsweise 1230 rund 200 westfälische und niedersächsische Kaufleute angeworben. Es bestand ein enger Kontakt zur Hanse und Tallin wurde ein wichtiger Knotenpunkt im Ostseehandel. Die Stadt erlebte eine bewegte Geschichte bis hin zur sowjetischen Herrschaft nach dem zweiten Weltkrieg.

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1991 wurde Tallin Hauptstadt des unabhängigen Estland. Eine niedrige Steuerlast und und ein liberales Wirtschaftsumfeld trugen zu einem großen Wirtschaftswachstum bei. Im Süden der Stadt entstehen noch immer moderne Neubausiedlunden für die stärkeren Profiteure des Wohlstandes. Das habe ich gestern bei meiner Ansteuerung eindrucksvoll zu sehen bekommen. Das Preisniveau liegt auf westlichem Niveau. Insgesamt ist das ein starker Kontrast zu den Siedlungen um sozialistischen Stil.

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Tallin ist die wirtschaftstärkste Stadt des Landes und steuert 60% des estnischen BIP bei. Firmen mit großen Namen im Elektro- und Telekommunikationsbereich sind hier zu finden. Zudem existiert hier der größte Bankensektor des Baltikums. Vom Domberg betrachtet, bilden die modernen Geschäftsgebäude in Richtung Westen den Hintergrund für die pittoreske Altstadt. Aber natürlich ging es auch früher ums Geldverdienen.

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Ordentlich verdient wird heute auch mit dem Tourismus. In einem Gespräch beim Frühstück bedauert eine Dame, dass Tallin überhaupt nichts “natürliches” ,  vorzuweisen habe. Wir philosophieren zwei Kaffee lang um diese Thematik, ohne sie jedoch aufzulösen. Ich kann ihre Enttäuschung gut verstehen. Da reist die betagte Dame mit der Unterstützung ihrer Tochter extra hier her und findet sich in einem estnischen Disney Land wieder. Und nichts anderes ist es im Altstadtbereich. Jedes und zwar absolut jedes Geschäft und Lokal ist ganz und gar touristisch ausgerichtet. Als sie von meiner Reise hört, fragt sie interessiert und wissbegierig danach, wie es sonst so in den Ländern außerhalb der Städte aussieht. Wir beschließen das Gespräch beim einem gemeinsamen abendlichen Dinner fortzusetzen.

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Ich stürze mich ins Disney Land und kann ihre Ansicht immer besser verstehen… Morgens ist es zum Glück noch recht ruhig in der Stadt, doch sobald die Kreuzfahrer Land betreten ist Schluss mit lustig. Meine Kreise werden derweil größer und ich finde ruhige und lauschige Ecken. Am ehemaligen Knast vorbei, gelange ich zu einem abgefahrenen Café mit etwas bunterer Kundschaft. Nach dem Besuch des maritimen Museums, das mir gut gefällt, kehre ich zu dem coolen Laden zurück und lasse den Nachmittag auf’s Wasser blickend ausklingen.

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Eine gute Gelegenheit, die Tour in Ruhe wirken zu lassen. Davon und über ein paar Ausrüstungsgedanken (Fragen haben mich bereits erreicht) berichte ich dann gerne morgen noch einmal.

Tallin, Fußgängertag


19. Tag, 24.08.2016

Der Start ist heute echt hart. Prolog ohne Warmfahren. 1,77 km bis zum Fährterminal. Keine leichte Sache. Zumal mir kurz vor Erreichen des Ziels noch eine  weitaus preisgünstigere Variante für das Übersetzen nach Helsinki angeboten wird. Auch die Vertrauen erwecken wollende Namensgebung kann mich nicht überzeugen. Ich bleibe bei der Wahl des großen Schiffes.

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So verlasse ich die alte Stadt mit den vielen modernen Gesichtern. Die Überfahrt ist äußerst kurzweilig, da ich mit einem Motorradreisenden ins Gespräch komme.

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Helsinki empfängt mich mit dem netten Flair einer entspannten skandinavischen Großstadt und einer fantastischen Lage am Meer. Und einem Kaffeepreisniveau, dass deutlich über dem von Monaco liegt. Ich tingel gemütlich mit dem Rad durch verschiedenste Viertel. Von umgenutzen Hafenbereichen mit Szenekneipen bis zur Prachteinkaufsstraße ist alles dabei. Angenehm auffallend sind etliche ansprechend aufgebaute Single Speed Räder. Also eine Stadt mit Kultur…smile.

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Zum späten Nachmittag schlage ich den Weg zur Unterkunft ein. Ohne Herrn Garmin hätte ich den Weg wohl kaum gefunden, trotz der sicherlich gut gemeinten Beschilderung.

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Morgen sind es dann noch einmal 8 oder 9 km bis zum Fährterminal. Und dann werde ich die Passage nach Travemünde einfach nur genießen….

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Ein paar grundsätzliche Worte möchte ich noch zur Ausrüstungsorganisation verlieren.

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Wie ganz zum Anfang geschrieben, liegt das Ausrüstungsgewicht inklusive der Taschen bei 10,5 kg. Dazu kommt das unterwegs variierende Gewicht zweier 0,75 l Trinkflaschen sowie ein Ausgangsvorrat von rund 10.000 kcal. Da rede ich jetzt nicht von zwei Müsliriegeln, sondern von echten und wertigen Rationen. Mir ist es sehr wichtig, über einen gewissen Zeitraum autark sein zu können. Sinkt der Vorrat auf unter 5.000 kcal, stocke ich wieder auf. Insgesamt macht das noch einmal bis zu einem Kilogramm aus.

Ferner sind mir persönlich  die folgenden Aspekte wichtig:
-eine zivile Garnitur (Schuhe, Hemd, Hose möglichst ohne Outdoor Look)
-Zelt darf klein, muss aber starkregenfest sein
-ein Reservefaltreifen 28 mm
-gut funktionierende Luftpumpe mit Manometer (Also keine Minipumpe, die gefühlte 1.000 Hübe benötigt, um einen 28er Reifen zu füllen.)
-Ersatzspeichen, Zahnkranzabzieher, Kettennietdrücker, Kettenlink…

Die Reifen zeigen sich nach 2.100 km verschleißtechnisch völlig unbeeindruckt. Bei meinem Systemgewicht (Rad, Fahrer, Gepäck) von unter 100 kg traue ich einem Satz Reifen durchaus 8.000 bis 10.000 km zu ( bei einem Wechsel hinten / vorne nach 4.000 km). Bei schlechten Straßen fuhr ich die Reifen mit 4,5 bar, bei guten Oberflächen mit 6 bar.


ORGANISATION GEPÄCK:

LENKERTASCHE - Regenjacke, Überschuhe, Windjacke u. -weste, Bein- u. Armlinge
PACKTASCHE LINKS - alles was trocken bleiben muss. Die Tasche wird im Regelfall unterwegs nicht geöffnet. Daunenschlafsack u. -jacke, zivile Bekleidung, Universalnetzteil mit Kombistecker, ggf. Dokumente, 5.000 kcal Reserve….
PACKTASCHE RECHTS - die Servicetasche für alles was zur Hand sein muss. 5.000 kcal, Kettenschmiermittel, Werkzeug, Reservereifen, Luftpumpe, Straßenkarten, Stahlkabel als Ergänzung zum Schloss, Kamera, Kulturbeutel, Lesebrille….
GEPÄCKTRÄGER - Schuhe (gelbes Säckchen), Zelt (grün), Schloss
SATTELTASCHE - Reserveschlauch, Flickzeug, Reifenheber, Multitool…


ORGANISATION TRIKOT TASCHEN
(hinten - von links nach rechts)
Smartphone // Sonnenbrille, Schweizer Messer  (große Ausführung mit langer, arretierbarer Klinge, damit man auch Brot schneiden kann. Und mit Korkenzieher…) // Übersichtskarte (erleichtert unterwegs die Kommunikation), Löffel // Reißverschlusstasche mit den wichtigsten Karten und Bargeld für drei Tage. // Brusttasche: Signalpfeife ( über 100 Dezibel) verschafft bei unangenehmen Situationen Zeitvorteil gegenüber Vier- und Zweibeinern.

Den Löffel führe ich mit, da ich gerne Joghurt esse. Nachdem mir in relativ kurzen Zeitabständen zwei high tech Kunstfasermodelle gebrochen sind, setze ich nun die heavy duty Metallausführung mit viktorianischer Prägung. Eine freundliche Leihgabe eines britischen Hotels.

Bis auf Werkzeug, Ersatzteile (toi, toi, toi) und Zelt/Schlafsack sind alle Ausrüstungsbestandteile zum Einsatz gekommen. Ich hatte also nichts Überflüssiges dabei. Was ich (vielleicht) beim nächsten Mal ergänzen würde, wäre eine Klingel. In von Radfahrern stärker frequentierten Abschnitten macht sie das Leben einfacher. Es gibt doch so Bedarfsklingeln, die sich provisorisch befestigen und nach der Tour wieder demontieren lassen. ( Keines meiner Räder verfügt aus ästhetischen Gründen über eine derartige Einrichtung.)

So liebe Leser. Ich hoffe die Lektüre war kurzweilig und es hat Spaß   gemacht sie zu verfolgen. Mir hat es großen Spaß bereitet zu fahren und zu schreiben. Verzeiht den ein oder anderen Schreibfehler. Diese Smartphone Mäusetasten sind nach langen Tagen auf dem Rad irgendwie suboptimal. Einen ausführlichen Bericht wird es Herbst auf meiner Homepage geben.

Und einen ganz besonderen Dank möchte ich an Lars aussprechen, der mein Geschriebenes und die Fotos in die ABC Homepage eingebaut hat.