Ost-Holstein. Touristenführer durch das östliche Holstein (1906)

Ost-Holstein. Touristenführer durch das östliche Holstein, das Fürstentum Lübeck, Herzogtum Lauenburg und die Städte Lübeck und Kiel. Mit 5 Karten und 1 Stadtplan. Angaben und Ratschläge für Radfahrer von Gregers Nissen, 16. Aufl., Hamburg: Conrad H. A. Kloss, 1906 (Richters Reiseführer).

Von Lars Amenda

„Immer voller ergiesst sich allsommerlich der Touristenstrom durch das östliche Holstein. Der anmutige Wechsel von Berg und Tal, von Wald und Wasser, prächtige Buchenwaldungen, welche sich in blauen Seen und belebten Förden widerspiegeln, Städte voll historischer Erinnerungen mit reichen Kunstschätzen, ein Zentralhafen unserer Marine, stille Sommerfrischen und heilkräftige Seebäder – das sind die starken Magnete, die alljährlich neue Besucher heranziehen und die alten Freunde nicht müde werden lassen, wieder und wieder hierher zurückzukehren.“ (S. 10)

Das östliche Holstein geizt wahrlich nicht mit Reizen und ist deshalb auch heute noch ein sehr beliebtes Ziel für Erholungssuchende. Der vorliegende Band aus der Reihe „Richters Reiseführer“ war um die Jahrhundertwende außerordentlich populär und erreichte 1906 bereits die 16. Auflage. Der Führer ist an dieser Stelle von besonderem Interesse, weil Gregers Nissen die Hinweise und Tipps für Radfahrer beisteuerte. Sein Anteil an dem Gesamttext ist zwar recht gering, verweist aber auf die wachsende Bedeutung des Radwanderns um 1900. Nissen schlägt eine zweitägige, von Lübeck ausgehende Reise vor, die über Travemünde, Niendorf, Scharbeutz, Eutin und Uklei am ersten Tag nach Plön führt. (S. 23f) Am zweiten Tag geht es von dort über Lütjenburg, Hohwacht, Panker, Hessenstein, Schönberg nach Laboe und von dort per Dampfer nach Kiel. [Einige Teilabschnitte fuhren zwei ABCer jüngst auf dem 600km-Brevet von Hamburg aus]. Nissen nennt als Alternative zum Bungsberg Hessenstein: „Die Aussicht von hier ist so frei und umfassend, dass man sich den etwas höhern Bungsberg schenken kann; zumal die Bungsbergroute nur für geübte Terrainfahrer ausführbar ist.“ (S. 23)

Im Folgenden finden sich knappe Hinweise für Radfahrer, die in die vorgeschlagenen Routen integriert sind. Über die „Buchenwaldung Holm“, südlich des Diek-Sees bei Malente gelegen, heißt es beispielsweise: „Radfahrern gewährt eine Fahrt durch den Holm grosse Befriedigung.“ (S. 67)  An der Ostsee warteten einige Widrigkeiten auf Radfahrer: „Radfahrer fahren besser [von Neustadt] über Süseler Baum, Süsel nach Haffkrug 13,7 km. Weiterhin nach Scharbeutz sehr sandig; dort gehe man rechts hinauf in das schöne Kammerholz; guter Fussweg. (Ausblicke auf die See). Beim Austritt aus dem Walde wird der Weg wieder fahrbar. Durch gute Radfahrwege ist der Strand mit der Eutin-Lübeckerchaussee verbunden, so dass man nicht über Travemünde nach Lübeck zu fahren nötig hat,“ (S. 96) In Lübeck herrschte seinerzeit „Nummernzwang“ – „Einheimische passieren unbehelligt“. (S. 104) [Eine solche, in „Diskussionsforen“ und Kommentarspalten im Internet immer wieder gern von Autofahrern erhobene Forderung nach einer Kennzeichnungspflicht von Radfahrern hat sich also historisch nicht durchgesetzt und kann damit getrost ad acta gelegt werden …]

Der Führer enthält neben den Hinweisen für Radfahrer eine große, ja geradezu überbordende Fülle von aktuellen Informationen, Reisetipps, Empfehlungen von Hotels und Restaurants, geschichtliche Hintergründe und ausgesprochen schönes Kartenmaterial. Das hier kurz vorgestellte Exemplar befindet sich im Übrigen in der ABC-Bibliothek, falls jemand neugierig geworden sein sollte …

Hamburg, den 13. Juli 2014 / Lars