Sommerurlaub, eigentlich ohne Fahrrad
Urlaub ohne ein Gewässer in der Nähe geht für meine Frau Christine und mich nicht. Für den vergangenen Sommerurlaub gab es die Idee, mit einem Containerschiff die Weltmeere zu bereisen. Dies ist organisatorisch nicht ganz einfach, da der genaue Abfahrtstag erst kurzfristig feststeht. Christine gab bei der Planung jedoch nicht so schnell auf. Als Ergebnis ihrer Bemühungen, packten wir an einem Freitag im Juni unsere Seesäcke und fuhren mit dem Auto nach Duisburg-Ruhrort. Dort bestiegen wir das Binnenschiff „Theodela“. Kaum an Bord, ging es auch schon los. Mit vielen Containern an Deck. Außer uns waren der belgische Eigner, seine etwas jüngere Freundin, der 2. Kapitän sowie ein tschechischer Matrose mit an Bord. Vorbei an Stahlwerken, einem Freizeitpark an einem nie in Betrieb gegangenen Kernkraftwerk und jede Menge Natur, ging es Richtung Rotterdam. Zwischenstopp war Nijmegen (dt. Nimwegen). Zwei Container löschen, einen Container laden. Dann ging es auch schon weiter.
Wie fast jeden Abend, wurden wir irgendwann in die Eignerkabine geladen. Zum „Kapitänsdinner“. Statt zünftiger Uniform, war unser Kapitän meistens nur mit Shorts, und wenn wir Glück hatten mit T-Shirt, bekleidet. Diese Bekleidungsordnung hatten wir auch erwartet. Bis zum Einbruch der Dunkelheit, saßen wir dann noch ein bischen im Fahrstand und schauten übers Land. Da der Rhein Hochwasser führte, konnten wir besonders weit sehen. Als der 2. Kapitän den Fernseher zur Ablenkung, und damit er nachts nicht einschläft, einschaltete, gingen wir in unsere Kabine. Obwohl sich diese direkt über Maschine befand, konnten immer gut schlafen. Wach wurden wir nur in dem Augenblick, wenn sich die Drehzahl änderte. Dies war um ca. 03:30 Uhr am Samstag der Fall. Das Schiff lief im Hafen von Rotterdam ein. Wir drehten uns aber um und schliefen noch weiter bis zum Frühstück.
Nach dem Frühstück rief uns der Eigner ein Wassertaxi, welches uns recht schnell ins Zentrum brachte. Wir hatten dann ein paar Stunden Zeit, uns die Gegend um den alten Hafen anzusehen. Vor allem die Architektur fanden wir cool, wie z. B. die Häuser, deren Räume auf der Spitze stehen.
Nach rund 6 Stunden rief der Kapitän an um uns mitzuteilen, dass er uns in der Stadt mit dem Schiff abholen würde. Eine halbe Stunde später tauchte er mit seinem 110 m langen Schiff auf, legte kurz an und sammelte uns wieder ein.
Dann ging es wieder über Nijmegen nach Duisburg. Dort kamen wir gegen frühen Sonntagabend an. Mittlerweile hatten sich schon ein paar geschriebene Postkarten angesammelt, die wir einstecken wollten. Auf der Suche nach einem Briefkasten, gerieten wir noch in die letzten Ausläufer des 300. Hafengeburtstags. Die Polizei hatte gerade eine Gruppe reisender Taschendiebe eingekreist, die Aussteller bauten angesichts eines aufziehenden Unwetters ihre Buden ab, der Wind frischte auf. Aber ein frisch gezapftes Bier nach dem deutschen Reinheitsgebot gab es trotzdem noch (an Bord stand belgisches Kirschbier im Kühlschrank). Auf dem Rückweg entdeckte ich ein 50er-Jahre-NSU-Damenfahrrad mit auffälligen Packtaschen, welches wir noch mal wiedersehen sollten.
Irgendwann ging es wieder los. Nijmegen – Rotterdam – Nimjegen – Duisburg. Auf der Rückfahrt von Rotterdam mussten wir nie fragen, woraus unsere Fracht besteht. Wir rochen es: Einige Container waren mit Hausmüll aus England gefüllt. Der wird dann irgendwo im Ruhrpott verbrannt. Zurück in Duisburg (Mittwoch), mussten wir uns auf die Suche nach neuen Postkarten machen. Den Briefkasten mussten wir nicht suchen, den kannten wir ja bereits von Sonntag. Im „Zentrum“ von Ruhrort sahen wir eine Trinkhalle.
Wir näherten uns, da außen ein kleines Sortiment von Postkarten hing.
“Sucht ihr etwas?“ Die beiden Betreiberinnen der Trinkhalle (Britta und Silke), lässig an einen Tisch gelehnt, erkannten unsere Situation. 10 Postkarten und 2 Tassen Kaffee später, standen wir dann in ihrem Laden für Sonnenschutz, Kleinmöbel und Fahrradpacktaschen. Natürlich stand auch das NSU-Dienstfahrrad im Laden. Schnell kamen wir auf das Thema „Fahrrad“ zu sprechen. In einem Nebensatz fragte mich Britta, ob ich wohl Interesse an einem Rennrad hätte. Meine angespannte Platzsituation zu Hause bedenkend, murmelte ich so etwas wie „vielleicht“. Ich ging aber nicht näher darauf ein. Sehr zu meiner Verwunderung, brachte Christine das Gespräch noch mal auf das Rennrad. Da sich Britta auch nicht ganz sicher war, ob sie das Rad abgeben wollte, schoben wir die Entscheidung bis Freitag auf.
Wir gingen also wieder an Bord, fuhren über Nijmegen nach Rotterdam. Um 02:30 Uhr ließen wir uns vom 2. Kapitän wecken, um mal nachts die Einfahrt nach Rotterdam zu erleben. Und der Kapitän war über den Besuch auf der Brücke auch ganz froh. Er konnte nämlich nicht das Fernsehprogramm verfolgen. Der Eigner wollte in den Urlaub fliegen und drängte darauf, die Strecke möglichst schnell zurückzulegen. Und bei der Strömung des Rheins und dem Gegenverkehr, musste sich der 2. Kapitän ausnahmsweise mal auf das Steuern des Schiffes konzentrieren. Wie wir mehrfach beobachten konnten, werden auch „alte Hasen“ in manchen Situationen (z.B. An- und ablegen bei unkalkulierbaren Strömungsverhältnissen in Verbindung mit ebenfalls an- und ablegenden Schiffen in der Nähe etc.) nervös. Gegen Mittag brachen wir wieder auf. Duisburg, natürlich auch wieder mit Zwischenhalt in Nijmegen, erreichten wir in den frühen Freitagmorgenstunden. Da der Eigner mit seiner Freundin (sie bekochte uns in der letzten Woche) bereits auf dem Weg nach Budapest waren, frühstückten wir auf der Sommerterrasse der örtlichen ARAL-Tankstelle. Mit Blick auf den alten Hafen. Im Anschluss ging es wieder zur Trinkhalle von Silke und Britta. Bei einer Tasse Kaffee wurde noch mal das Thema Fahrrad angesprochen. Eine Besichtigung in einer Hinterhofgarage folgte. Dort stand ein 90er-Jahre Peugeot-Fahrrad in meiner Größe. Die Probefahrt verlief erfolgreich. Aber es gab einen Haken: Wenn ich dieses Rad haben wollte, musste ich ein baugleiches Rad auch noch mitnehmen! Da war es wieder, das Platzproblem. Es fing aber schon bei unserem Auto an. Während ich das Rad Probe fuhr, deckte sich Christine auf dem Markt mit mehreren größeren Pflanzen ein. So standen wir, ich konnte letztlich nicht „nein“ sagen, vor unserem Kleinwagen und überlegten, wie wir alles verstauen konnten. Klappte dann irgendwie. Und ein Platz in der Wohnung, zumindest für ein Rad, fand sich auch noch.
Carsten K.