Drei Dinge – Rund um die Schlei

Wenn es drei Dinge gibt, die ich beim Radfahren partout nicht mag, sind dies - nasse Füße, Spritzwasser vom Hinterrad des Vordermanns und mit dem Auto zum Radeln zu fahren.

Demnach sieht der Plan vor, früh morgens mit dem Rad die vierzig Kilometer zum Start des Marathons ‚Rund um die Schlei‘ nach Schleswig zu fahren, gut gelaunt bei Sonnenschein die 203 km Runde zu radeln und anschließend wieder nach Hause zu kurbeln.

Da Planung bekanntermaßen den Zufall durch Irrtum ersetzt, kommt es anders, völlig anders. Als der Wecker früh (sehr früh) morgens klingelt, prasseln fette Regentropfen an die Scheibe. Ich stelle den Wecker eine Stunde weiter und drehe mich wieder herum. Mit dem Gedanken, dass ich dann eben eine Stunde später im Regen mein Rad im Auto nach Schleswig schaffe, schlafe ich wieder ein. Ich bin zu müde, um  die Sache absurd zu finden.

Um 06:30 kutschiere ich dann in Richtung Schleswig und der Himmel zeigt sich nicht gerade in Radlers Lieblingspose. Bei der Startaufstellung ist es ungemein tröstlich, auf eine doch beachtenswerte Ansammlung von Gleichgesinnten zu stoßen, die ebenso willig sind, 203 km zu radeln, wie sich dabei nass regnen zu lassen. Das Wetter hat sich etwas beruhigt. Bei etwa 11°C weht zwar starker Wind aus westlichen Richtungen, aber der Regen beschränkt sich auf mittelstarke Schauer.

Mit einer Motorradeskorte der Johanniter werden wir auf die Strecke gebracht. Gruppen finden sich zusammen. Niemand dürfte wohl ein gesteigertes Interesse daran haben, die vor allem in der zweiten Hälfte anstehenden Gegenwindpassagen solo zu bewältigen. Auch ich klinke mich in eine Gruppe ein, die gut zu harmonieren scheint und mich freundlich aufnimmt.

Bereits auf den ersten Kilometern setzen heftige Schauer ein. Von den drei Dingen, die ich nicht mag, wurde das erste durch die Anfahrt mit dem Auto eingehandelt. Das zweite wird mir gerade in Form von Schmutzwasserfontänen ins Gesicht geschleudert (ich fahre bei solchen Verhältnissen ein Rad mit Schutzblechen). Und die nassen Füße sind dann trotz der Überschuhe nur eine Frage der Zeit.

Die regennassen Straßen führen zu einer unglaublichen Anzahl von Plattfüßen. Auf den ersten zehn Kilometern erwischt es bestimmt acht Fahrer. Bei diesen Verhältnissen sind auf Schleswig-Holsteins rauen Wirtschaftswegen eher robuste Reifen angesagt. Den totalen Hype nach Gewichtseinsparung kann ich bei uns Hobby-Fahrern eh kaum nachvollziehen. Gerade hat sich die Gruppe gut eingefahren, da sichte ich am Wegesrand einen Teilnehmer, der aufgrund seiner Handzeichen Hilfe benötigt. Wohl wissend, dass es schwer wird diese tolle Gruppe wieder einzuholen, halte ich an. Ich bin etwas enttäuscht und verärgert, dass ich der einzige bin der stoppt. Aber wenn ein anderer Radfahrer offensichtlich Hilfe benötigt, da fahre ich nicht einfach weiter. Nicht auf Radreisen und auch nicht auf Veranstaltungen wie dieser. Lange Rede kurzer Sinn, der arme Kerl hat seine Reifenheber vergessen. Tja nun. Ähnliches ist uns doch allen schon einmal passiert. Ich leihe ihm meine und nach der Demontage des Reifens setze ich meine Fahrt fort. Im Moment bin ich ganz glücklich von Wasserfontänen verschont zu sein. Aber ich habe natürlich die langen Gegenwindpassagen im Kopf.

Ich überfahre das erste Depot und da ich die Gruppe dort sichte, setze ich meine Fahrt entspannt fort. Früher oder später werden sie mich einholen und dann geht es zusammen weiter. Das stellt sich dann auch so ein. Auch wenn ich vorher etwas grummelig war, muss ich wirklich sagen, dass es eine der besten Gruppen ist, mit denen ich jemals gefahren bin. Es wird gleichmäßig, völlig diszipliniert und mit sehr viel Um- und Rücksicht aufeinander gefahren. Und zudem sind es total nette Leute, sodass sich angenehme Gespräche entwickeln. Bei Plattfüßen von Gruppenmitgliedern wird selbstverständlich gewartet. Sehr, sehr angenehm und sympathisch das Ganze.

Die Route führt uns um den Wittensee und mit mehreren Schleifen durch die Hüttener Berge. In den Depots drängt sich alles unter die trockenen Dächer. Mit Rückenwindschub sausen wir nach Kappeln, wo leckerer Milchreis auf uns wartet. Das ist eine willkommene Stärkung für die zweite Hälfte gegenan. Die Gruppe bleibt zusammen und pflügt souverän durch den Westwind. Eine starke Gruppe, ein starkes Gefühl. Der Regen hat sich mittlerweile verabschiedet und wir genießen die wärmenden Sonnenstrahlen.

Nach etwas über 203 Kilometern erreichen wir zufrieden den Ausgangspunkt in Schleswig. Eine tolle Tour geht zu Ende. Diese Veranstaltung braucht sich von den Anforderungen her nicht hinter den Events mit großen Namen zu verstecken. Die Landschaft ist phantastisch und die kleine, aber feine Veranstaltung besticht durch ihren ganz besonderen Charme. In jedem Depot bedanken sich Fahrer persönlich bei den Helfern der Depots, ohne die eine solche Veranstaltung gar nicht möglich wäre.

Trotz der ungeplanten Entwicklung hinsichtlich der top drei Punkte meiner persönlichen schwarzen Liste, entwickelt sich der Tag zu einer sehr positiven Erfahrung. Und dazu trägt ganz stark die Gruppe der Mitfahrer bei. Danke! – Ich lege den größten Teil meiner nicht ganz so wenigen Jahreskilometer solo zurück. Aber ich muss sagen, dass das Fahren in einer harmonischen Gruppe doch auch ganz angenehme Reize und Erlebnisse bietet. Ich fände es toll, wenn wir mit dem ABC auf der einen oder anderen Veranstaltung auch mit einer Gruppe an den Start und ins Ziel rollen könnten.

Andreas Th. / 6.7.2016