Hamburg, Hafen, Fahrrad

Hamburger Hafenerkundung mit dem Fahrrad früher - ein paar kleine Erinnerungen

Von Uwe Lanquillon

image

Hamburg und Hafen gehören zusammen  - das weiß jeder zwischen Flensburg und den Alpen. Dass Hamburg und Fahrrad auch zusammengehören, wissen zumindest alle vom ABC – und hoffentlich viele mehr.

Als ich vor kurzem mit Lars zusammentraf und er mir von der „Großen Hafenrundfahrt“ berichtete, kam unser Gespräch auch auf Hafen und Fahrrad. Und da tauchten plötzlich Erinnerungen in mir auf… Ich erwähnte, wie wir früher in den Fünfzigern oder frühen Sechzigern den Hafen mit dem Fahrrad erkundet hatten und erzählte ein bisschen… eigentlich krame ich ungern in der Vergangenheit herum, aber:  „Wäre doch eine  Story wert“, meinte Lars. Ich ließ mich überreden. Also los geht’s mit ein paar kleinen Erinnerungen.

Ich war als Kind  mit dem Fahrrad aufgewachsen. Es gab so gut wie keine Radwege: Es gab Straßen, auf denen kaum oder wenig Autos fuhren, oft Kopfsteinpflaster zwar, manchmal mit Straßenbahnschienen, die besonders tückisch waren, wenig Asphalt und es gab Nebenwege, Sandwege, Pfade.

Ich bin im Süden Hamburgs groß geworden – demzufolge galten unsere erste Erkundungen mit dem Fahrrad auch der näheren Umgebung: der Süderelbe, den Harburger Bergen mit Rosengarten, dem Alten Land, aber auch – welch Gegensatz! – dem Harburger Seehafen mit den angrenzenden (nicht immer angenehm riechenden)  Industrieanlagen wie Esso, Shell, Hobum,  Noblee&Thörl und vielen anderen.

Mit wachsendem Alter wuchs auch unser Interesse am Hafen. Nicht, dass wir der Natur ade sagten, nein!  –  der Wald war die Natur,  der Hamburger Hafen aber mit den Werften,  Lagerhallen, Wasserstraßen und Frachtschiffen bedeutete für uns (zumindest für mich) die Sehnsucht  nach der großen, weiten Welt.

Also weiteten wir allmählich unseren Radius  aus in Richtung  Freihafen (den es ja heute bekanntlich nicht mehr gibt).

Es gab für uns Fahrrad-Jungs  aus dem Süden Hamburgs unterschiedliche Zugangswege in den Hafen: einmal über die Elbinsel Wilhelmsburg, Veddel und Waltershof.  Oder die andere Variante: mit dem Hadag-Schiff vom Anleger Harburg/Dampfschiffsweg Richtung Landungsbrücken und dann durch den alten Elbtunnel nach Steinwerder und in den Hafen.

Ob dieser oder jener Weg – jedenfalls  mussten wir uns den Weg ziemlich zurecht suchen (dass einmal Handys oder GPS-unterstützte Navis einem den Weg weisen könnten – daran hatten wir nicht einmal im Traum gedacht!).

Es war gar nicht so einfach, wenn man nicht die genauen Straßen kannte. Überall Kai-Anlagen,  Sackgassen, Lagerhallen,  Schienen der Hafenbahn. Wir mussten die Straßen suchen, Pläne hatten wir als Kinder/Jugendliche natürlich nicht,  Wasserwege mussten überquert werden, über  Brücken oder mit Hilfe von Fähren (die auch ihre Abfahrtszeiten hatten).

Zwei Begegnungen sind mir besonders in Erinnerung geblieben. Einmal fuhren wir mit unseren Rädern an einem Kai entlang, an dem ein Frachter lag. Einige Seeleute schauten über die Reling. Wir kamen radebrechend ins Gespräch, sie waren Ausländer, sprachen aber etwas Deutsch. Wir fragten, ob wir an Bord kommen dürften. Wir durften. Und wir durften sogar das ganze Schiff erkunden.  Von den Aufbauten, dem Steuerhaus bis zum Facht- und Stau- und Motorraum.  Für uns als damals Dreizehn-, Vierzehnjährige natürlich ein Abenteuer. Heute noch denkbar?

Ein anderes Mal lag an irgendeinem Kai ein Bananenfrachter. Ob er schon gelöscht war oder nicht, weiß ich nicht mehr,  jedenfalls  fragten wir nach Bananen. Und - wie und warum auch immer - tatsächlich gaben uns die Seeleute Bananen. Wir verstauten sie in unsere Rucksäcke bis sie sich ausbeulten und banden sie auf den Gepäckträgern fest.

Dann kamen wir auf dem Rückweg zum Zoll. Natürlich wussten wir als Hamburger, dass wir im Freihafen waren und „unverzollte Ware“ bei uns hatten.

Am Zollausgang auf der Veddel  mussten wir halten und die Fahrräder schieben.

„Na, habt ihr was zu verzollen?“, fragte der Beamte freundlich.

„Nö“, sagten wir mit vollem Brustton der Überzeugung.

„Na, dann fahrt mal weiter,“ grinste der Zöllner,  der wahrscheinlich genau über uns Lausejungs Bescheid wusste.  

Wir hatten noch mit dem Fahrrad einen langen Weg vor uns nach Hause. Dann aber wurde die „Schmuggelware“ gerecht aufgeteilt.

Das alles mag jetzt ein wenig „nach Romantik klingen“  (so wie auch die Schulzeit in dem berühmten Buch oder Film „Feuerzangenbowle“ verklärt wurde). Aber so war es eben.

Den Hafen mit dem Fahrrad zu erkunden, das hieß  für uns damals: unbekanntes  Neuland entdecken.  Heute mit Köhlbrand-Brücke, Container-Terminals, Hafen-City, Elphie und so fort hat sich natürlich vieles verändert. Aber zu entdecken gibt es immer wieder etwas Neues. Auch und gerade mit dem Fahrrad.

Hamburg, den 2. August 2016

Bild: Hamburg-Postkarte um 1960 (ABC-Archiv)