Handbuch des Bicycle-Sport (1885)

Victor Silberer/George Ernst, Handbuch des Bicycle-Sport. Vollständiger Reprint, hrsg. und biographischen Angaben ergänzt von Walter Ulreich. Vorwort Hans-Erhard Lessing, Leipzig: Maxime-Verlag 2004 (Originalaufl. 1885).

Von Lars Amenda

Das „Handbuch des Bicycle-Sport“ ist das deutschsprachige Standardwerk der Blütezeit des Hochrads. Die Erstauflage erschien 1883, zwei Jahre später erfolgte eine überarbeitete Neuauflage („Zweite, verbesserte, namentlich auch unter Berücksichtigung des ‘Tricycle’ vielfach vermehrte, und nach dem Fortschritte des Bicycle- und Tricycle-Sport bis zu neuesten Zeit ergänzte Auflage“). Das Buch gehörte früher zum Inventar des ABC-Clublokals „Hotel zu Sonne“, wie dem Jahresbericht von 1892 zu entnehmen ist.

Die beiden österreichischen Verfasser betonen den „grossartigen Aufschwung“ des „Velocipede-Sport“, der „ganz kolossale Fortschritte“ in Deutschland und Österreich-Ungarn in den frühen 1880er Jahren gemacht habe. (S. 5f.) Das „Bicycle“, wie das Hochrad seinerzeit auch auf deutsch hieß, wird im Buch ausführlich beschrieben und die verschiedenen Produkte der jeweiligen ausnahmslos englischen Hersteller vorgestellt. Verschiedene Reifen, Pedale, Sättel, Lenker (Steuerstange), Lampen, Zubehör wie Taschen und Werkzeug werden mit vielen Abbildungen präsentiert und bewertet und Ihre Funktion dem Leser auf diese Weise näher gebracht.

Ein besonderes Augenmerk richten Silberer und Ernst auf die „Erlernung“ des Fahrens. „Der Laie wird durch das hohe Rad und die schmale Spur des Bicycles in seiner Annahme, dass das Balance-Halten beim Fahren so grosse Schwierigkeiten verursache, bestärkt, und ungläubig schüttelt er den Kopf, wenn wir ihm begreiflich machen wollen, dass das Bicyclefahren auch ohne unzählbare Fälle von Purzelbäumen und sonstige akrobatische Uebungen, ohne jegliche gefährliche Umfälle und Unfälle, erlernt werden kann.“ (S. 218) Der Auf- und Abstieg werden dem Anfänger ausführlich und mit Beispielbildern erklärt und allgemein, wie im Zitat ersichtlich, soll die Furcht vor dem große Rade genommen werden.

Die Autoren propagieren voller Begeisterung das „Tourenfahren“, das „Schönste von dem Schönen, was uns das Bicycle bietet“. (S. 249) Ein wenig Training wird empfohlen, ebenso wie das Kartenstudium; es folgen ausführliche Tipps über das optimale „Costüm“ und das allgemeine Verhalten unterwegs. Anschließend wird der „Cyclist’s Touring Club“ portraitiert, dessen Vertreter (Consul) Harro Feddersen in Hamburg war.

Die Tipps des Handbuches zum Training und zur Ernährung waren vor kurzem bereits Thema an dieser Stelle (siehe unten), weshalb wir sie hier einmal übergehen.

Das Buch schließt mit Ratschlägen für die Auswahl einer „Maschine“, mit knappen Angaben zum „Sicherheits-Bicycles“ und zum Tricycle, Pflegetipps und dem Verhalten bein Unfällen. Ganz am Ende folgen noch Vordrucke für Rennen und für Radvereine.

Das „Handbuch des Bicycle-Sport“ von Victor Silberer und George Ernst informiert sehr umfassend über Hochräder, Fahren, Training und Radrennen und bildet damit eine wichtige fahrradhistorische Quelle der 1880er Jahre. Die Begeisterung gegenüber den Bicycles ist den beiden Verfassern trotz des nüchternen Stils eines Handbuches deutlich anzumerken, auch wenn die Hochzeit der Hochräder nur noch wenige Jahre andauern sollte.

Hamburg, den 24. Februar 2015